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Ebbe für die Binnenschifffahrt

Verkehr. - Der Rhein ist Europas meistbefahrene Wasserstraße. Die Frage ist, ob das in Zeiten des Klimawandels langfristig so bleiben wird. Verkehrsexperten und Wasserbauer überlegen sich Lösungen für die zweite Jahrhunderthälfte.

Von Karl Urban | 13.04.2012
    Es herrscht wieder viel Verkehr auf fast 900 Kilometer langen schiffbaren Strecke zwischen Rheinfelden und der Nordseemündung. Dicht an dicht fahren die Frachtschiffe den Rhein hinauf und hinunter, mit einem oder mehreren Leichtern, also vor das Schiff gehängten Ladungsbehältern. Die Zeit des Niedrigwassers ist nach dem ungewöhnlich trockenen Herbst zu Ende und die Schiffe transportieren wieder Kohle, Windkraftrotoren, Kies oder Gefahrgut wie Säuren und Treibstoffe. Ein Zehntel aller Güter in Deutschland werden per Schiff transportiert, der Löwenanteil dieser 230 Millionen Tonnen jährlich über den Rhein. Tendenz: steigend. Jedenfalls, wenn das die Wasserstände der großen Flüsse weiterhin zulassen. Niedrigwasser dürfte es in Zukunft nämlich häufiger geben und das könnte zum Problem der Binnenschifffahrt werden.

    "Sie muss sich darauf einstellen. Und wenn sie sich nicht darauf einstellen kann, würde sie gegebenenfalls nicht mehr wirtschaftlich sein gegenüber den anderen Verkehrsträgern wie zum Beispiel die Bahn oder Straße."

    Andreas Schmidt von der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe untersucht derzeit mit seinem Team, wie sich der Klimawandel auf die Wasserstände auswirkt. Flüsse wie die Elbe waren schon immer von Pegelschwankungen betroffen. Der Rhein entspringt dagegen im Hochgebirge und das bescherte ihm bis heute einen stabileren Wasserstand.

    "Das hängt unter anderem damit zusammen, dass der Rhein eben gespeist ist durch die Schneeschmelze in den Alpen, die Gletscher, die das Ganze ein bisschen puffern, die quasi ihren Niederschlag als Schnee speichern und später verzögert abgeben. Wenn es vielleicht am Rhein nicht mehr so viel regnet im Sommer, bekommen wir dieses Wasser aus den Alpen."

    Vorerst sagt der Weltklimarat der Vereinten Nationen für Deutschland gleichbleibende bis leicht sinkende Niederschläge bis Mitte des Jahrhunderts voraus. Jetzt haben deutsche Forscher mit dem KLIWAS-Projekt auch die zukünftigen Pegelstände der Flüsse unter die Lupe genommen. Ein erstes Resultat: Während die Wasserstände bis 2050 nur leicht sinken oder sogar noch ansteigen, könnten die sie in der zweiten Jahrhunderthälfte im Mittel um zehn bis 25 Prozent zurückgehen. Aber noch ist die Lage entspannt: Die niedrigen Pegelstände im Jahr 2011 erscheinen in der Statistik bislang als Einzelfälle, die es immer gegeben habe. Und erste Ergebnisse von KLIWAS zeigen, dass extreme Wasserstände auch in den kommenden Jahren zwar immer wieder auftreten, wirkliche Veränderungen der Flüsse aber noch mehrere Jahrzehnte auf sich warten lassen. Bis dahin könnten auch die Wasserstraßen problemlos an die neuen Verhältnisse angepasst werden.

    "Wir untersuchen beispielsweise, wie man bei diesen extremen Niedrigwassersituationen den Wasserspiegel durch klassische Strombauwerke stützen könnte. Strombauwerke sind Buhnen oder Parallelwerke. Das sind solche Querwälle oder Längswände im Fluss und die engen den Querschnitt etwas ein, so dass der Wasserstand innerhalb des reduzierten Querschnitts höher ist."

    Das könnte auch den Verkehr auf den Flüssen verändern: Statt großer, schwer manövrierbarer Schiffe könnten die Kapitäne einfach auf kurze, wendigere Frachter mit geringem Tiefgang umsteigen. Das setzt aber voraus, dass die Schifffahrt sich rechtzeitig an die neuen Bedingungen anpasst. Passiert das nicht, könnte schließlich der gesamte Gütertransport nicht nur deutlich teurer werden.

    "Ja, viele haben das vielleicht im Jahr 2003 schon erlebt: Dort gab es ein lang anhaltendes Niedrigwasser. Das sind so Situationen, dort besteht die Gefahr, dass ganze Logistikketten, die einfach eingespielt sind – im wesentlichen von Schwerguttransport – unterbrochen werden. Wenn dies öfter der Fall ist, dann schauen die Zulieferer oder diejenigen, die diese Transportketten nutzen, natürlich nach alternativen Wegen: sprich Bahn oder auch Straße."

    Und der auf LKW verlagerte Frachtverkehr wäre nicht nur deutlich kostspieliger, sondern er stößt pro bewegter Tonne Fracht Vielfaches an CO2 aus.