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Ebola-Edpidemie
"Helfer nicht stigmatisieren"

Deutschland will helfen, aber schafft es kaum? Geeignete Kandidaten für den Kampf gegen die Ebola-Epidemie zu finden, sei schwierig, sagte der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, im DLF. Die Helfer, die in die betroffenen Regionen reisten, dürften bei ihrer Rückkehr nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Rudolf Seiters im Gespräch mit Jasper Barenberg | 22.10.2014
    Der wiedergewählte Präsident des Deutschen Roten Kreuzes DRK, Rudolf Seiters.
    Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters. (picture alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    "Es gibt keinen Grund zur Panik oder Hysterie", betonte Seiters. Von aus Westafrika zurückkehrenden medizinischen Helfern gehe keine besondere Gefahr aus. Die vom DRK für tauglich befundenen Einsatzkräfte würden vor ihrem Einsatz im Umgang mit Ebola intensiv geschult, so dass ein Ansteckungsrisiko minimiert werde.
    Seiters erklärte, dass zurzeit besonders dringend medizinisches Personal im Kampf gegen das Virus benötigt wird. Bisher habe das DRK rund 480 konkrete Bewerbungen von Interessenten erhalten. Knapp 200 seien grundsätzlich für den Einsatz geeignet. Aber das reiche nicht aus, um die Behandlung von Erkrankten vor Ort dauerhaft aufrecht zu erhalten.
    Natürlich stelle auch er sich die Frage, ob man nicht schon früher auf die Krise in Westafrika hätte reagieren müssen, so Seiters. Aber jetzt versuche das DRK das zu leisten, was es könne. In Sierra Leone werde derzeit ein Behandlungszentrum errichtet, in Liberia solle das DRK Mitte nächsten Monats ein weiteres übernehmen. Um das Ebola-Virus weiter einzudämmen, seien aber auch Spenden nötig.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Sind wir dabei, das Rennen gegen Ebola zu verlieren? Etwa 9000 Menschen sollen sich im Westen Afrikas bisher infiziert haben, schätzen die Vereinten Nationen, aber sagen gleich dazu, es könnten auch zwei- oder dreimal so viele sein. Weil jeder Infizierte außerdem im Schnitt zwei weitere Menschen ansteckt, rechnet die Weltgesundheitsorganisation in den nächsten Monaten mit bis zu 250.000 Infizierten - beängstigende Zahlen. Hilfe im Kampf gegen die Seuche soll auch aus Deutschland kommen, aber es werden noch Wochen vergehen, bis in den betroffenen Ländern tatsächlich die ersten Patienten behandelt werden können. Eine wichtige Rolle wird das Deutsche Rote Kreuz spielen. Präsident Rudolf Seiters ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Seiters.
    Rudolf Seiters: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Seit einem halben Jahr wütet die Epidemie in Westafrika und noch immer ist die Organisation Ärzte ohne Grenzen die einzige, die vor Ort Patienten behandelt. Ist das beschämend?
    Seiters: Es ist ja international wie auch national gesagt worden, dass die Gefahr lange unterschätzt wurde. Das hat wohl damit zu tun, dass die Ebola-Ausbrüche in den vergangenen Jahren jeweils sehr begrenzt waren. Wir stehen jetzt vor einer riesigen Herausforderung an die Vereinten Nationen, WHO, an das Internationale Rote Kreuz, an viele Organisationen, die dort tätig sind, Ärzte ohne Grenzen. Wir versuchen zu helfen, wo das irgend möglich ist.
    Besonders möchte ich an dieser Stelle auch meinen Respekt aussprechen für die Helfer des Liberianischen und Sierra Leonischen Roten Kreuzes, die bis zur Erschöpfung bei der Seuchenbekämpfung tätig sind. Sie gehen in die Dörfer, machen Aufklärungskampagnen, übernehmen die sichere Bergung von Leichen, unterstützen internationale Organisationen, und wir helfen dort auch, wie wir können.
    Rekrutierung von Helfern ist eine schwierige Aufgabe
    Barenberg: Gerade wenn man sich das vor Augen führt, Rudolf Seiters, dass die Kräfte vor Ort bis an den Rand dessen arbeiten, was überhaupt menschenmöglich ist. Müssen Sie sich diesen Schuh auch anziehen, dass auch das Deutsche Rote Kreuz die Gefahr nicht so erkannt hat, wie sie tatsächlich besteht?
    Seiters: Das Deutsche Rote Kreuz ist dort tätig, wo es von den nationalen Hilfsgesellschaften der jeweiligen Länder angefordert wird zur Hilfe. Wir können nicht einfach in ein Land gehen und dort tätig werden. Das gestatten nicht die Statuten des Internationalen Roten Kreuzes. Aber ganz sicher ist, dass man sich sowohl international wie national überall fragen muss, hätten wir nicht früher helfen und handeln können, hätten wir das nicht voraussehen können. Wir tun jetzt das, was wir auch angekündigt haben in der Absprache mit der Bundesregierung und mit der Bundesärztekammer. Wir haben den Aufruf gestartet, dass sich medizinisches Personal bitte melden möge. Das ist im Augenblick das Wichtigste. Ich kann hier auch noch berichten, was wir dort an Behandlungszentren einrichten in Kenema in Sierra Leone und in Monrovia in Liberia. Aber das Wichtigste, um diese Behandlungszentren dann betreiben zu können, ist medizinisches Personal. Bei uns sind mittlerweile 1844 Anfragen eingegangen von Interessenten. Es gab 483 konkrete Bewerbungen. Davon sind nach einer ersten Durchsicht 196 grundsätzlich geeignet, darunter 82 Ärzte. Das heißt, wir können ja nicht jeden dort hinschicken, der nicht darauf vorbereitet ist auf eine solch schwierige Aufgabe. Dies reicht nicht aus, das ist wahr, um die Kliniken über Monate hinweg zu betreiben. Das Personal soll ja auch alle vier Wochen ausgetauscht werden.
    Deswegen habe ich zwei ganz herzliche Bitten: Einmal die Bitte an das medizinische Personal, wenn eben möglich, sich bei uns zu melden. Und das zweite ist: Für die Unterstützung auch der liberianischen Helfer brauchen wir dringend Spenden. Die deutsche Bevölkerung ist immer sehr spendenfreudig. Hier ist man offensichtlich ein bisschen zurückhaltend, weil man nicht so richtig weiß, wie man mit diesem Phänomen Ebola umgehen soll. Aber ich garantiere, dass die Spenden, die bei uns eingehen, auch direkt der Bevölkerung, den Betroffenen zugutekommen.
    "Keine unbegründete Panik machen"
    Barenberg: Der Anruf nach Spenden ist angekommen und auch - und darüber will ich jetzt noch einen Augenblick sprechen - nach weiteren Freiwilligen. Sie haben die Zahlen uns genannt. Ich will die Größenordnung noch mal in Erinnerung rufen. 1800 Anfragen und dann am Ende - was haben Sie gesagt? - etwa 190, die Sie als geeignet bezeichnen würden. Warum gibt es diese große Kluft? Was ist an dieser Rekrutierung so schwierig?
    Seiters: Na ja, es gibt viele Ängste in Verbindung mit Ebola. Man weiß nicht so recht, wie man damit umzugehen hat. Man könnte sich ja auch infizieren. Bei den wenigen Fällen von medizinischem Personal, das sich bisher infiziert hat, konnte der Übertragungsweg festgestellt werden. Meist waren die Betroffenen beim Ausziehen der Schutzausrüstung unachtsam. Deswegen ist es wichtig, dass wir alle Helfer, die sich bei uns melden und die infrage kommen, die auch Englischkenntnisse haben und medizinische Vorkenntnisse, dass wir die mit Vorbereitungskursen intensiv auf diesen Einsatz und den Umgang mit Schutzkleidung vorbereiten. Die Helfer werden dann nach ihrer Rückkehr von uns betreut, bleiben erst mal drei Wochen zuhause. Das ist die Inkubationszeit. Ebola ist erst ansteckend, wenn die Krankheit auch ausgebrochen ist.
    Ich denke, es gibt keinen Grund zur Panik und zur Hysterie. Die Helfer, deren Einsatz ich nur bewundern kann, dürfen auch nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Natürlich gibt es Risiken und Grund zur Vorsicht im Umgang mit der Krankheit, aber wenn die Helfer richtig vorbereitet sind - und wir bemühen uns, diese Vorbereitung sicherzustellen -, dann, denke ich, dürfen wir weder Stigmatisierung machen oder zulassen und auch nicht unbegründete Panik machen.
    Einsätze bald in Liberia und Sierra Leone
    Barenberg: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, will das Deutsche Rote Kreuz vor allem in Sierra Leone aktiv werden und zusätzlich in Abstimmung mit der Bundesregierung und mit Hilfe der Bundeswehr in Liberia. Im Moment sind zwei Erkundungsteams vor Ort, wenn ich es richtig weiß. Wann, glauben Sie, haben Sie die ersten Teams startklar?
    Seiters: In Sierra Leone wird ab sofort in Kenema ein Ebola-Behandlungszentrum, das bisher mit 20 Betten vom Internationalen Roten Kreuz betrieben wird, vom DRK nach und nach auf bis zu 100 Betten zunächst einmal erweitert. Die ersten DRK-Helfer befinden sich bereits vor Ort. In Liberia wird das Rote Kreuz in Monrovia Mitte November ein Behandlungszentrum übernehmen, das derzeit von der Weltgesundheitsorganisation WHO baulich fertiggestellt wird. Das DRK wird die medizinische Ausstattung für dieses Krankenhaus liefern und mit personeller Unterstützung durch die Bundeswehr betreiben. Der Betrieb soll im November aufgenommen werden mit dem Ziel, zunächst bis zu 100 an Ebola Erkrankte medizinisch zu versorgen. Die Bundeswehr beteiligt sich mit Sanitätspersonal, das dem DRK unterstellt wird. Die ersten technischen Helfer fliegen Ende der Woche nach Liberia. Ich bin dankbar, dass beide Projekte mit finanzieller Hilfe der Bundesregierung angelegt sind, zunächst auf zwölf Monate. Wir werden aber unabhängig davon auch Seitens des Roten Kreuzes mehrere Hilfsflüge des DRK nach Westafrika starten.
    Barenberg: Nun hört man immer wieder, gerade wenn es um die Abstimmung geht und die Arbeit der Bundesregierung, dass die Hilfe doch insgesamt sehr schleppend anläuft. Ist das auch Ihr Eindruck in Abstimmung bei Ihren Gesprächspartnern innerhalb der Bundesregierung?
    Seiters: Ich kann nicht beurteilen, welche Gefahrensignale in früheren Wochen bereits bei staatlichen Stellen eingegangen sind. Die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung aus der Sicht des DRK kann ich, was die letzten Wochen anbetrifft, nur positiv bewerten. Wir arbeiten mit dem Auswärtigen Amt zusammen - entschuldigen Sie meine Stimme -, mit dem Verteidigungsministerium und mit dem Gesundheitsministerium. Die Bundeswehr stellt uns in Liberia Sanitätspersonal zur Verfügung. Die Klinik wird von uns geleitet. Bisher hat die Bundesregierung dafür 20 Millionen Euro zugesagt.
    Barenberg: ..., sagt der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch und gute Besserung für Ihre Stimme.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.