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Ebola-Epidemie
"Keine Panik, aber Aufmerksamkeit"

Auch in Deutschland ist eine Ebola-Infizierung wie in den USA möglich. "Ausschließen kann das niemand", sagte Jens Spahn im DLF. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion sieht das deutsche Gesundheitssystem aber gut vorbereitet auf mögliche Krankheitsfälle.

Jens Spahn im Gespräch mit Sandra Schulz | 13.10.2014
    Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn.
    Deutschland müsse die Balance halten, sagte Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. (picture alliance/dpa/Soeren Stache)
    So stünden keinem Land in Europa so viele Isolierbetten zur Verfügung wie Deutschland, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Der Umgang mit dem Erreger EHEC habe gezeigt, dass Deutschland über ein "gut funktionierendes System" verfüge. Dennoch könnten "wo Menschen handeln, Fehler passieren", so Spahn. Selbst beste Vorbereitungen auf Notsituationen schlössen dies nicht aus, das zeige der aktuelle Fall in den USA.
    Deutschland müsse nun die Balance halten: "Keine Panik erzeugen, nicht überreagieren und gleichzeitig schauen, dass alle im Gesundheitssystem aufmerksam sind."

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Die Schutzvorkehrungen waren erheblich, aber sie waren nicht perfekt. Auch in den USA hat sich eine Krankenschwester mit dem Ebola-Virus infiziert, ein Fall, wie schon aus der vergangenen Woche in Spanien gemeldet. Nach der Pannenserie um den inzwischen verstorbenen Patienten, dessen Erkrankung in Texas diagnostiziert worden war, gab es möglicherweise weitere Fehler.
    Auch wenn Experten wiederholen, eine Epidemie droht nicht in den Ländern mit einem funktionierenden Gesundheitssystem, dann gibt es doch die Warnung von Fachleuten, die Gefahr dürfe nicht kleingeredet werden. So der Hallenser Virologe Alexander Kekulé heute im ZDF-Morgenmagazin:
    "Mit einem Ausbruch von Ebola, das heißt einem Fall, zwei Fällen oder Ähnlichem, ist jeder Zeit zu rechnen. Wir müssen davon ausgehen, dass über den Flugverkehr aus Westafrika oder auch über indirekte Verbindungen Ebola-Fälle eingeschleppt werden könnten."
    Schulz: Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Jens Spahn, den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
    Jens Spahn: Schönen guten Morgen.
    Schulz: Es hat offensichtlich mehrere Pannen gegeben, in Texas, aber auch in Madrid. Das wäre bei uns auch jeder Zeit möglich, oder?
    Spahn: Natürlich können überall da, wo Menschen handeln, auch Fehler passieren. Wir können immer uns nur bemühen, sie so gut als möglich nahezu 100 Prozent auszuschließen. Aber völlig ausschließen kann das natürlich niemand.
    "Wir sind sehr gut vorbereitet"
    Schulz: Sind die Krankenhäuser gut genug vorbereitet?
    Spahn: Wir sind sehr gut vorbereitet. Es gibt kein anderes Land in Europa, das tatsächlich auch mehr isolierte Kapazitäten, isolierte Betten und Stationen zur Verfügung hat wie Deutschland. Deswegen bitten uns unsere Nachbarländer ja auch zum Teil schon um Hilfe. Und vor allem geht es zweitens ja auch darum, dass man dann die weiteren Ansteckungsketten nachverfolgt, schaut, mit wem hatte die betreffende Person Kontakt, und auch da ganz schnell schaut, gibt es da entsprechende Systeme. Wir haben bei EHEC gesehen vor einigen Jahren, das funktioniert in Deutschland sehr gut.
    Schulz: Wenn Sie sagen, wir sind gut vorbereitet, oder die Krankenhäuser, warum sehen Virologen in Deutschland das dann anders? Bernhard Ruf, der Chefarzt der Klinik für Infektiologie des Klinikums St. Georg in Leipzig, der hat der ARD das gesagt:
    O-Ton Bernhard Ruf: "Wir müssten uns die kritische Frage stellen: Haben wir genügend erfahrene Spezialisten für Infektionskrankheiten. Das haben wir nicht, weil wir uns in der ärztlichen Weiterbildung leisten, dass wir keine Fachärzte für Infektiologie in Deutschland ausbilden. Das ist ein Skandal!"
    Schulz: Ein Skandal, der Ihnen gar nicht bewusst ist?
    Spahn: Natürlich kann man immer mehr tun. Aber wir haben etwa mit dem Bernhard-Nocht-Institut und auch dem Institut für Tropenkrankheiten in Hamburg eine international hoch anerkannte Expertise in Deutschland. Die wird ja auch Hilfe gebend in Afrika angefordert und da sind ja auch Leute von uns vor Ort. Das Robert-Koch-Institut hat hohe Expertise. Aber natürlich müssen wir uns alle fragen, können wir noch mehr tun und uns auf solche Fälle vorbereiten. Das ist halt immer schwierig. In guten Zeiten, wo nichts ist, dann sind das die Stationen und die Kapazitäten, wo man sich fragt, sind die Vorhaltekosten nicht zu hoch in den Krankenhäusern, in den Ländern. Und dann auf einmal braucht man sie wieder. Das ist bei dieser Art von Vorhaltung immer sehr, sehr schwierig, weil das Vorhalten sehr teuer ist, aber ich glaube, da setzt jetzt in einigen Bundesländern, die auch mit verantwortlich sind, jetzt noch mal ein neues Nachdenken ein.
    "Wir sind besser vorbereitet als die meisten anderen Länder in Europa"
    Schulz: Alexander Kekulé, der Virologe, den wir gerade schon gehört haben, der rechnet vor, dass es in Nordrhein-Westfalen genau drei Isolierbetten gibt, die auf die Schnelle verfügbar wären. Ist das eine gute Vorbereitung?
    Spahn: Wir haben jedenfalls deutlich mehr, an die 50 Betten in ganz Deutschland, deutlich mehr als alle anderen europäischen Länder zusammen, oder zumindest die allermeisten. In England gibt es, glaube ich, fünf, wenn ich es richtig weiß. Natürlich kann man immer sagen, wir brauchen mehr solcher Betten, und ich sage noch einmal, darüber wird auch sicher nachgedacht werden. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir besser vorbereitet sind, behaupte ich, als die meisten anderen Länder in Europa, aber trotzdem es natürlich nicht zu 100 Prozent ausschließen können, dass es auch in Deutschland im Rahmen von Flugverkehr, von Reiseverkehr zu Fällen kommt. Dann geht es darum, dass das schnell entdeckt wird, dass es eine hohe Aufmerksamkeit gibt bei Ärzten, in den Krankenhäusern, wo möglicherweise Grippe-Patienten ankommen, dass man fragt, wer war möglicherweise in einem der betroffenen Länder vorher gewesen, und man dann versucht, entsprechende Ansteckungsketten entsprechend nachzuvollziehen. Da, sage ich noch einmal, hat EHEC gezeigt, da haben wir eigentlich ein gut funktionierendes System.
    Schulz: Aber einen Plan, was in diesem Ernstfall zu tun wäre, den gibt es nicht. Warum nicht?
    Spahn: Den gibt es natürlich. Die Länder in den entsprechenden Krankenhäusern machen entsprechende Übungen von Notsituationen. Es wird jetzt auch überall noch mal in den entsprechenden Einrichtungen geübt, was ist zu tun. Man bereitet sich so gut vor, wie es eben geht, aber der Fall in den USA hat gezeigt, natürlich kann auch die beste Übung - und das kann keiner versprechen - nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass etwas schiefgeht. Wir können es nur versuchen, so unmöglich zu machen wie es eben geht.
    "Wir müssen jetzt die Balance halten"
    Schulz: Da würde ich Sie aber gerne noch mal mit Alexander Kekulé konfrontieren. Der sagt nämlich in einem Artikel in der "Süddeutschen Zeitung", den Plan, nach dem ich gerade gefragt habe, den gebe es nicht. Was ist ein Plan wert, von dem nicht einmal Virologen wissen?
    Spahn: Natürlich kennt Herr Kekulé den Plan und er sagt ja auch in seinem Artikel in der "Süddeutschen", dass Deutschland und Europa gut vorbereitet ist und eine solche Epidemie, ein solcher Ausbruch in unserem Gesundheitssystem nicht möglich ist, weil entsprechende Patienten schnell isoliert werden und man schnell die Ansteckungsketten nachverfolgt. Das ist ja genau das Problem in den afrikanischen Ländern, dass das da nicht möglich ist aufgrund der Situation und auch aufgrund der Panik, die es gibt. Wir müssen jetzt die Balance halten, und das ist nicht einfach, auch als Politik, zum einen nicht Panik zu erzeugen, nicht überzureagieren. Wir haben in Madrid gesehen, wie es praktisch einen spontanen Aufstand gab, als der Hund der Krankenschwester eingeschläfert werden sollte, die sich infiziert hatte, um da eine Ansteckung auszuschließen. Da gab es ja richtig Randale in der Straße gegen die Polizei. Gleichzeitig aber eine hohe Aufmerksamkeit zu schaffen und zu schauen, dass alle im Gesundheitswesen und darum herum genau aufpassen, wenn entsprechende Patienten kommen. Da die richtige Balance zwischen nicht Panik machen, aber eine hohe Aufmerksamkeit, das ist das, was uns jetzt gelingen muss.
    Schulz: Gestern gab es von Bundesaußenminister Steinmeier das Eingeständnis, wir hätten die katastrophalen Folgen von Ebola unterschätzt, wobei er aber natürlich die Situation in Westafrika meint. Sie sind kein Entwicklungspolitiker, aber als Gesundheitspolitiker betrifft Sie das ja auch. Wer hat diese Fehleinschätzung zu verantworten?
    Spahn: Es gab insbesondere zu Ende August hin ohne Zweifel eine Fehleinschätzung, das sagt die Weltgesundheitsorganisation, die WHO ja mittlerweile auch selber, dass man unterschätzt hat die Dynamik, mit der sich die Krankheit dann weiter ausgebreitet hat, weiter entwickelt hat. Ich glaube, da sind wir alle und vorneweg die Weltgesundheitsbehörde, auf deren Expertise und Einschätzung wir uns auch verlassen müssen, ein Stück zu spät so wach geworden, wie es nötig ist, und das müssen wir jetzt - und das tun wir ja auch alle mit vereinten Kräften - und da müssen wir sicherlich an manchen Stellen auch in der Hilfe, in der finanziellen Hilfe für die Länder noch mehr tun. Das müssen wir jetzt mit vereinten Kräften aufholen.
    Spahn: Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn heute hier in den "Informationen am Morgen". Vielen Dank!
    Spahn: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.