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Hängeseilbrücke über der Rappbodetalsperre
Nichts für schwache Nerven

Im Harz ist die weltweit längste Hängeseilbrücke für Fußgänger eröffnet worden. Sie schwebt 100 Meter über dem Staubecken der Rappbodetalsperre und weil sie nach Angaben der Betreiber 483 Meter lang ist, schlägt sie die bislang längste Hängeseilbrücke im russischen Sotschi, die 439 Meter lang ist. Für Menschen mit Höhenangst ist sie allerdings eine echte Herausforderung.

Von Christoph D. Richter | 08.05.2017
    Die Hängeseilbrücke über dem Staubecken der Rappbodetalsperre im Harz
    Die Hängeseilbrücke über dem Staubecken der Rappbodetalsperre im Harz (picture alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert)
    "Ich muss ja schon mal sagen, das ist ja schon ein bisschen unheimlich"
    "Find ich auch. Ich find's auch. Oh, das ist ja eine schwankende Angelegenheit. Ich dachte immer, die übertreiben. Aber das ist ja tatsächlich so."
    Der schaukelnde Gang über die - nach Angaben der Betreiber seit gestern mit 483 Metern weltweit längste Hängeseilbrücke - ist ein bisschen so, als wäre man auf hoher See. Nervenkitzel pur. Auch Antonia Kaloff, eine junge Magdeburger Radiomoderatorin, hat ein mulmiges Gefühl und ist aufgeregt.
    "Ist ja sehr windstill jetzt, aber wenn es hier windig ist …"
    "Naja, wenn es windig ist, merkt man es erst auf der Brücke, wie windig es wirklich ist. Ich glaub, dann kommt das Ding schon ganz schön ins schwingen. Und wenn dann wirklich über 200 Menschen hier drauf sind, dann wird es richtig lustig."
    210 Leute dürfen gleichzeitig auf die Brücke
    Ein Test für den Gleichgewichtssinn. Bei Windstärken um 65 Stundenkilometer wird die Hängeseilbrücke allerdings gesperrt, auf die gleichzeitig genau 210 Leute dürfen. Mehr allerdings nicht. Zu gefährlich, sagen die Betreiber.
    "Schön schwingend, echt unheimlich, und ich hab nichts getrunken."
    Die Brücke besteht aus einem durch Geländer eingerahmten Gitterrost, der lediglich an ein paar Seilen hängt. Dabei schweben die Besucher 100 Meter über dem Abgrund des Rappbodetals. Parallel zur Brücke verläuft die gleichnamige Talsperre mit Deutschlands höchster Staumauer, das Ganze befindet sich bei Rübeland im Ostharz.
    Wem der Gang über die 483 Meter lange Hänge-Brücke allerdings nicht reicht, der kann sich mit einem so genanntem Pendelsprung etwa 70 Meter in die Tiefe stürzen und durchs Tal schwingen.
    "Das ist dann für ganz Verrückte"
    "Das ist für die Freaks. Also, wem das hier nicht reicht und den ganz besonderen Kick haben will, der macht das. Ich gehöre nicht dazu"
    "Ich auch nicht"
    Anfangs war die zweifache Mutter Antonia Kaloff noch ganz cool, mit der Zeit steigt ihr dann doch leichte Blässe ins Gesicht.
    Die Betreiber wollen einen riesigen Abenteuerspielplatz machen
    Die Kosten der Hänge-Brücke: Drei Millionen Euro. Über die Höhe der Fördermittel wollen die Betreiber - Stefan und Maik Berkes, ein Tischler und ein Dachdecker - keine Angaben machen. Zwei umtriebige Brüder, Fans des Erlebnistourismus. Aus dem Harz wollen sie einen riesigen Abenteuerspielplatz machen. Eintritt: sechs Euro, was für eine Familie den Brückengang – trotz öffentlicher Gelder - zu einer teuren Angelegenheit lassen wird.
    "Die Brücke bietet für jeden der sich herausfordern möchte und zum Beispiel ein Problem mit Höhe hat, ein sehr urbanes Erlebnis. Er braucht keine Sicherheitsausrüstung, er muss kein Helm tragen. Und er kann sich probieren und testen, wie er sich auf der Brücke meistert."
    "Ich hab Angst ein bisschen Angst"
    "Ich auch. Weil sie so schwankt?"
    "Genau. Weil sie so hin und her pendelt"
    Larissa Grunwald ist extra aus dem thüringischen Nordhausen gekommen. Zusammen mit ihrer Mutter. Für sie allerdings ist der schwebend-schwankende Gang – ganz im Gegenteil zu ihrer Tochter - ein echter Kick.
    "Super genial"
    "Wieso"
    "Weil ich ein bisschen verrückt bin. Und wollte mir das mal zutrauen"
    Es könnte sogar ein Airbus drauf landen, ohne dass was passiert
    An den Fundamenten zerren gigantische 947 Tonnen. Gehalten wird die Brücke mit vier faustdicken Seilen, daneben schweben noch mal zwei Seile, die gegen plötzlich aufkommende Windböjen die Brücke stabil halten sollen. Alle Eventualitäten wurden durch die Uni Hannover mit einem 3D-Modell vorher durchgerechnet, erzählt Betreiber Stefan Berke. Und verspricht, dass nichts passieren könne.
    Letztlich kann die Hänge-Brücke knapp 300 Tonnen tragen, also es könnte sogar ein Airbus drauf landen, ohne dass was passiert.
    "Ich denke mal, Leute die sehr höhenängstlich sind, werden da schon das eine oder andere Problem kriegen. Aber das ist eine gute Therapie."
    Der Bürgermeister von Thale, Thomas Balzerowski, CDU, steht neben der Brücke, die Augen leuchten. Die weltweit längste Hänge-Brücke sei eine weitere Chance, den Harz bundesweit in den Blick zu bringen. Und Balzerowski betont, man könne so zeigen, dass der Harz eben keine verschnarchte Gegend nur für Senioren und gemächliche Wanderer ist, sondern auch ein Platz für Hipster und Adrenalinjunkies.
    "Soll auch eine Initialzündung sein, es soll auch anderen Interessenten zeigen, jawoll es lohnt sich im Harz zu investieren. Das ist möglich im Harz. Und klar, wir geben uns damit auch einen neuen Anstrich."
    30 Umweltgutachten wurden erstellt
    Doch es gibt auch Skeptiker, die sagen, das der einst naturbelassene Harz, den schon Heine für seine Schönheit bewundert hat, der ein Ort von Mythen und Hexenlegenden ist, Stück für Stück privatisiert würde. Mehr noch, man würde den Harz auf dem Opfertisch des Kommerz, dem Remmi-Demmi-Tourismus preisgeben. Betreiber Stefan Berke schüttelt energisch den Kopf. Man habe 30 Umweltgutachten erstellen lassen, arbeite eng mit den Naturschutzverbänden zusammen, erzählt er. Insbesondere auf das Schwarmverhalten der Fledermäuse würde man Rücksicht nehmen. Nachts – wenn die Brücke bunt beleuchtet ist – werde man beispielsweise nur Farben einsetzen, die die Tiere nicht beeinträchtigen.
    "Und wenn man die tatsächlichen Eingriffe in die Natur sieht, die sind gering. Da wurden ein paar Büsche und Bäume entfernt. Wir haben keine hunderte Hektar Wald fällen müssen, es gibt kaum Eingriffe."
    "Oh, oh, oh, das schwankt ganz schön"
    "Durch das Schwingen, kann man schon so einigen Angst machen"
    Die weltweit längste Hängeseil-Brücke sei doch mal was wirklich Neues, sagt die Erfurterin Julia Hoffmann. Aber ist eben nichts für schwache Nerven.