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Ebola
Geheilte übertragen tödliches Virus durch Sex

Wer von Ebola geheilt ist, in dessen Blut lassen sich schon nach ein paar Tagen keine Ebola-Viren mehr nachweisen. Ein aktueller Fall aus Liberia zeigt aber, dass das Ebola-Virus in der Samenflüssigkeit bedeutend länger vorkommen kann. Wer also Sex mit einem Überlebenden hat, dem droht hier noch länger die Gefahr einer Infektion. Jetzt wurde ein solcher Fall offiziell bekannt.

Von Franziska Badenschier | 27.04.2015
    Wandmalerei warnt in Liberia vor Ebola.
    Die Warnhinweise müssten sich auch auf Ebola-Viren im Sperma beziehen. (picture alliance / dpa / Foto: Ahmed Jallanzo)
    Ruth Tugbah wird wahrscheinlich in die Annalen der Medizin eingehen: Als erste Person, die sich nachweislich beim Sex mit einem Ebola-Überlebenden angesteckt hat. Ruth Tugbah war 44 Jahre alt, als sie am 20. März in Liberias Hauptstadt Monrovia positiv auf das gefährliche Virus getestet wurde. Der erste Fall von Ebola seit 29 Tagen – das westafrikanische Land hatte sich damals schon fast Ebola-frei gewähnt.
    Wo und wie sich die Frau angesteckt hatte: Das fragte sich unter anderem Moses Massaquoi von der liberianischen Ebola-Taskforce.
    "Könnte das ein eingeschleppter Fall aus Sierra Leone sein? Wir wollten ihre Reisegeschichte wissen, aber sie war mindestens ein Jahr lang nicht verreist. Und dann wurde uns gesagt, dass sie eine Beziehung hatte mit einem Mann, der Ebola überlebt hat. Seltsamerweise wurde diese Person 175 Tage zuvor aus einem Behandlungszentrum entlassen. "
    Wer von Ebola geheilt ist, in dessen Blut lassen sich schon nach ein paar Tagen keine Ebola-Viren mehr nachweisen, ja nicht einmal Schnipsel des Erbmaterials. Aber in der Samenflüssigkeit kann das Ebola-Virus länger vorkommen. 61 Tage nach Auftreten der Ebola-Symptome waren im Sperma eines Überlebenden infektiöse Ebola-Viren nachgewiesen worden; so heißt es in einer Studie aus dem Jahr 1977. Und eine Untersuchung aus dem Jahr 1995 isolierte bei einem Überlebenden 82 Tage nach den ersten Symptomen noch ansteckende Ebola-Viren.
    Die Weltgesundheitsorganisation WHO betonte allerdings immer: "Eine sexuelle Übertragung der Ebola-Virus-Erkrankung wurde nicht dokumentiert."
    Vermutungen wurde nicht nachgegangen
    Dabei gibt es seit Monaten Gerüchte, dass Menschen sich wohl beim Sex mit einem Überlebenden mit Ebola angesteckt haben. Aber diese Fälle wurden nicht so eingehend untersucht, dass der endgültige Beweis erbracht werden konnte.
    Bei Ruth Tugbah ist das anders. Ihr Freund hat eine Sperma-Probe abgegeben. Die Tests sollen ergeben haben: In dem Sperma befinden sich selbst sechs Monate nach der Genesung noch vollständige, durchaus infektiöse Ebola-Viren. Und Gensequenzen vom Ebola-Virus der Frau stimmen überein mit Gensequenzen aus der Sperma-Probe des Freundes und aus seinen Blutproben von vor Monaten.
    "Gemäß meinen Informationen ist dieser Fall klar. Es handelt sich um einen Ebola Patienten, der die Infektion überlebt hat. Und bei diesem ist das Virus auch jetzt noch in der Samenflüssigkeit gefunden worden. Dies nachdem er seine Partnerin infiziert hatte. "
    Robert Steffen ist emeritierter Professor an der Universität Zürich – und momentan stellvertretender Vorsitzender des Ebola Notfall-Komitees der Weltgesundheitsorganisation. Er sei aber kein Mitarbeiter der WHO und spreche deswegen auch nicht in deren Namen, betont Steffen.
    Die WHO selbst ist offiziell immer noch so zögerlich wie spitzfindig. In dem – mittlerweile überarbeiteten – Informationsblatt zum Thema heißt es nun:
    "Es existiert kein formaler Beweis von sexueller Übertragung, aber sexuelle Übertragung durch genesene Patienten kann nicht ausgeschlossen werden."
    Noch sind die Forschungsergebnisse zum Fall von Ruth Tugbah nicht wissenschaftlich publiziert. Trotzdem hat er schon jetzt eine Bedeutung für die Medizingeschichte – und auch für die Bettgeschichten von Überlebenden. Bislang empfahl die WHO, Überlebende sollten drei Monate lang enthaltsam sein oder Kondome verwenden. Nun empfiehlt die WHO das "für mindestens drei Monate".
    Wann kann ein Ausbruch wirklich für beendet erklärt werden?
    Ein Kondom sei für die Sexpartner von Überlebenden so etwas wie die Vollschutzanzüge für die Helfer von Ebola-Patienten, sagt auch Moses Massaquoi. Und das müsse reichen.
    In Sierra Leone hingegen wurde mindestens ein Ebola-Überlebender verhaftet, nachdem er verdächtigt worden war, seine Sexpartnerin angesteckt zu haben. Und in Neu Delhi wurde ein indischer Mann für vier Monate in Quarantäne genommen: Er hatte sich in Liberia mit Ebola infiziert und überlebt, aber nach seiner Heimreise wurden im Sperma noch Spuren des Virus gefunden. Experten warnen: Das stigmatisiere die Überlebenden nur noch mehr und verletze die Menschenrechte.
    Ruth Tugbah ist am 27. März an Ebola gestorben. Ihr Fall stellt auch in Frage, ab wann ein Ebola-Ausbruch für beendet erklärt werden kann.
    Bislang gilt: 42 Tage, nachdem der letzte Ebola-Patient zweimal negativ auf Ebola im Blut getestet wurde oder gestorben ist. 42 Tage – entsprechend der doppelten Zeitspanne, die vergehen kann zwischen Ansteckung und Auftreten der Symptome. So sehr Robert Steffen davor warnt, dass überlebende Männer auch noch nach Monaten beim Sex ihre Partner mit Ebola anstecken können: Die 42-Tage-Frist brauche nicht geändert zu werden, sagt der Mediziner.
    "Es wäre nicht gerechtfertigt, Länder, die von dieser schweren Ebola-Epidemie betroffen worden sind, nun dazu zu verdammen, noch weitere sechs oder zwölf Monate als "nicht-Ebola-frei" zu deklarieren, denn es handelt sich hierbei um absolute Raritäten. "