Freitag, 19. April 2024

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Ebola
"Wir haben europaweit nichts zu befürchten"

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, glaubt nicht an einen Ausbruch von Ebola in Europa. Zwar gebe es keine hundertprozentige Sicherheit vor einer Infektion, sagte er im DLF. Deutschland sei jedoch im Gesundheitssystem sehr gut aufgestellt und "maximal vorbereitet".

Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit Dirk Müller | 20.10.2014
    Gerade Deutschland habe eine lange Tradition der Tropenmedizin. "Wir sind eines der wenigen Länder der Welt, das eine große Anzahl an Infektionsbetten hat." Selbst im Falle einer Infektion könne man die Infektionskette "mithilfe unserer epidemologischen Maßnahmen" schnell aufhalten, so Montgomery.
    Im Fokus sollten aber sowieso die kritischen Länder in Westafrika liegen.
    Dort hätte der Ausbruch der Krankheit laut Montgomery schon früher eingedämmt werden können. Sowohl Ärzte als auch die Politik hätten die Krankheit unterschätzt: "Man hätte Warnzeichen früher erkennen können."
    Die Grundprobleme der Krankheit seien die lange Inkubationszeit sowie die Symptomarmut. Dies mache die Diagnostik schwierig. Wichtig sei vor allem, dass sich die Helfer vor Ort professionell verhalten würden. "Wir brauchen keine gutmeinenden Menschen da unten, die unerfahren sind, sondern hochprofessionelle Helfer, die wissen, was sie tun."

    Das Interview in voller Länge:
    Anmerkung der Redaktion: Vor diesem Gespräch fand ein weiteres zum Thema Ebola mit dem Entwicklungshelfer Manfred Rink statt, auf das sich die Gesprächspartner in der Folge beziehen.
    Dirk Müller: Mitgehört hat Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer. Guten Morgen.
    Frank Ulrich Montgomery: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Montgomery, ich frage Sie das auch: Ist Manfred Rink, wenn er nach Deutschland kommt, ein Risiko?
    Montgomery: Wenn er sich professionell verhalten hat und die Schutzmaßnahmen eingehalten hat, ist er kein besonderes Risiko. Aber eine hundertprozentige, hundertzehnprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber ich bin sicher - und das kam eben ja deutlich zum Ausdruck -, er weiß um das Restrisiko und wird seine Umgebung und sich vor Ausbrüchen schützen.
    Müller: Sollte das für alle gelten, die aus den Regionen nach Europa oder wo auch immer hinkommen?
    Montgomery: Das ist eines der Grundprobleme. Die lange Inkubationszeit und der symptomarme Beginn von Ebola machen die Diagnostik schwierig. Das gilt deswegen für alle, dass das eigene selbstverantwortliche Verhalten ganz oben ansteht für all diejenigen, die dort waren. Das ist aber auch eines der zentralen Kriterien für diejenigen, die jetzt hingehen, um zu helfen. Wir brauchen dort unten keine gut meinenden, aber unerfahrenen Menschen, sondern wir brauchen hoch professionelle Helfer, die wissen, was sie tun, die vor allem auch wissen, wie sie sich selber schützen können.
    Isoliertes Kreuzfahrtschiff: "Absolut lächerlich"
    Müller: Aber dieses "wenn, aber", was Sie eben ja auch benutzt haben, wenn er das und das richtig gemacht hat, das bleibt, dieser Faktor, der nicht richtig einzuschätzen ist, der nicht richtig zu klären ist?
    Montgomery: Ich habe jetzt eben nicht genau mitbekommen, welche Profession Herr Rink hat, und ich hatte das Gefühl, er geht nicht direkt in die Ebola-Krankenhäuser und in die Ebola-Stadtteile. Dann ist selbst in Sierra Leone das Risiko nicht übermäßig groß. Ich denke mehr an die professionellen Helfer der Kranken. Für die kann man mit guter Schutzkleidung, mit guten Desinfektionsmaßnahmen, mit vernünftigem professionellem Verhalten ziemlich sicher sein, dass eine Infektionsgefährdung ihrer Umgebung nicht besteht. Und das, was wir von diesem Kreuzfahrtschiff aus der Karibik hören, das ist absolut lächerlich.
    Müller: Warum?
    Montgomery: Es ist lächerlich, jemanden, der hoch professionell in einem Speziallabor, wissend, was er tat, mit diesen Dingen umgegangen ist, dann hinterher für potenziell infektiös zu erklären und ein ganzes Kreuzfahrtschiff nicht in den Hafen zu lassen mit 5.000 weiteren Passagieren. Das zeigt eigentlich die Unwissenheit und die Unprofessionalität der Behörden dieser entsprechenden Länder, denn wir hatten ja im eigenen Krankenhaus in Hamburg einen solchen Patienten und natürlich ist das gesamte Personal Abends nach Hause gegangen, nachdem es sich entkleidet hatte, desinfiziert hatte etc. Wenn man das richtig macht, dann ist man auch hundertprozentig geschützt.
    Müller: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Montgomery, dann braucht doch nur einer einen Fehler zu machen, und schon kann es passiert sein.
    Montgomery: Ja. Aber erstens hat es eine lange Inkubationszeit. Zweitens: Wenn er dann die ersten Symptome bei sich selber spürt, erst dann wird er ja selber infektiös. Und Sie sehen ja auch, dass eine Infektionsweitergabe über den einen, der den Fehler gemacht hat - ich denke jetzt an die Krankenschwester in Texas - es noch keine Infektionsweitergabe in die nächste Kette gibt. Wir sind mit unseren Gesundheitssystemen in den Industriestaaten sehr gut aufgestellt, um diese Infektionsketten sehr schnell und sofort zu unterbrechen.
    "Wir sind maximal vorbereitet für das, was auf uns zukommt"
    Müller: Aber das haben die Amerikaner auch gedacht. Das hat man in den USA auch gedacht. Es ist ein bisschen anders gekommen jetzt in Texas.
    Montgomery: Nein, es ist nicht anders gekommen. Es ist eine Patientin, die selber an der Pflege dieses Patienten beteiligt war, dieses Thomas Duncan beteiligt war, die offensichtlich durch einen Fehler beim An- und Ausziehen dieser Anzüge sich infiziert hat. Aber sie hat nicht weitere Menschen wieder infiziert. Wir schaffen es, mithilfe unserer epidemiologischen Maßnahmen diese Krankheit sehr schnell einzugrenzen.
    Müller: Wir lesen hier, dass drei inzwischen infiziert sind, beziehungsweise dass drei Ebola-Fälle in den Vereinigten Staaten registriert sind.
    Montgomery: Ja, die alle aber in der primären Infektionskette dieses Patienten liegen. Da muss ich jetzt einfach sagen: Ich habe keine Ahnung, was für ein Infektionslabor dort in Texas ist. Ich habe inzwischen gehört, dass man diese Patienten in ein anderes Krankenhaus gebracht hat. Vielleicht ist die Professionalität dieses Krankenhauses dort in Texas nicht ausreichend gewesen. Das kann ich nicht beurteilen.
    Müller: Wir wollen keine Panik machen, hat auch der amerikanische Präsident an diesem Wochenende noch einmal gesagt, um seine Landsleute zu beruhigen. Wollen wir hier auch nicht. Sind wir optimal vorbereitet?
    Montgomery: Wir sind sicherlich maximal vorbereitet für das, was auf uns zukommt. Deutschland ist eines der wenigen Länder, das über eine große Anzahl von Infektionsbetten und eine hohe Tradition in der Tropenmedizin verfügt. Wir sind deswegen übrigens auch das einzige Land der Welt, das nicht eigene Staatsbürger übernommen hat, um sie zu pflegen. Die drei Patienten, die nach Deutschland gekommen sind, sind ja alles Mitarbeiter der WHO aus anderen Ländern gewesen. Wir sind so gut vorbereitet, wie man sich irgendwie auf die Erkrankung hier vorbereiten kann. Im Fokus sollte aber im Moment in meinen Augen nicht die Krankheit hier stehen, sondern wir sollten versuchen, in Westafrika so viel wie möglich zu helfen, damit die Krankheit erst gar nicht zu uns rüberschwappt.
    "Wir haben die Krankheit alle unterschätzt"
    Müller: Da hat die Bundesregierung wie die anderen westlichen Nationen offenbar zu lange gezögert. Das hat Hermann Gröhe gestern auch noch einmal eingeräumt. Hätte man viel früher reagieren können?
    Montgomery: Man hätte die Warnzeichen früher erkennen können. Man hat diese Erkrankung immer nur verglichen mit den vorigen Ausbrüchen von Ebola, die alle nach einer Erkrankungszeit von circa 400 Patienten - das war der bisher größte Ausbruch - von selber und durch seuchenhygienische Maßnahmen vor Ort zum Stillstand gekommen sind. Ja, kann man heute nachträglich sagen, wir haben die Krankheit alle, und zwar sowohl die Ärzte wie die Politik, unterschätzt.
    Müller: Und Sie gehen fest davon aus, dass diese Krankheit in einem größeren Ausmaß nicht in die westliche Welt kommt?
    Montgomery: Nein, ich kann davon nicht fest ausgehen. Ich kann nur sagen, es gibt gute Methoden, um es zu verhindern. Aber wissen Sie, mit Flüchtlingen, mit illegalen Verkehrswegen, die es heute gibt, mit Menschen, die verantwortungslos handeln, sind Sie nie hundertprozentig sicher, dass es nicht doch eventuell irgendwo eine Lücke gibt, wo jemand durchschlüpft. Nur ich bin sicher, dass wir die Behandlung in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau und mit einem geringen oder fast gar nicht vorhandenen Risiko für die Bevölkerung durchführen können.
    Müller: Jetzt haben wir nicht mehr viel Zeit, ich muss Sie das trotzdem fragen, habe ich vergessen. Sie reden von Deutschland. Was ist mit den anderen europäischen Staaten?
    Montgomery: Die anderen europäischen Staaten, gerade die älteren Ur-Staaten der EU, nenne ich hier mal, sind ähnlich gut aufgestellt. Wir haben große Traditionen von Tropenmedizin in Frankreich und England. Ich glaube, wir haben europaweit nichts zu befürchten.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer. Danke für das Gespräch.
    Montgomery: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.