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Echo klingt nach Nektar

Biologie. - Wie Fledermäuse sich orientieren, das weiß man noch aus dem Biounterricht: Echoortung. Jetzt haben Forscher aus Ulm herausgefunden, dass sich Pflanzen, die durch so genannte Blütenfledermäuse bestäubt werden, das Orientierungssystem der Tiere nutzen, indem sie sich akustisch attraktiv machen.

Von Martina Preiner | 29.07.2011
    Es ist stockfinster im kubanischen Regenwald. Eine Blüten- oder Blumenfledermaus, keine zehn Zentimeter groß ist auf der Suche nach Nahrung. Sie sendet unentwegt Ultraschallwellen aus – Schreie, die zu hoch sind für das menschliche Gehör. Plötzlich empfängt die Fledermaus ein deutliches und einzigartiges Signal. Sie lokalisiert die Quelle des Signals und landet zielsicher auf der Blüte einer kubanischen Liane der Gattung Marcgravia. Eine Pflanze, die man eigentlich lange suchen muss.

    "Ich weiß es selber. Ich war vor Ort öfter in Kuba und habe die Pflanze immer wieder gesucht. Es ist manchmal sehr schwierig die zu finden. Und dann findet man mal wieder ein kleines Waldstück, da kommt sie vor. Dann muss man wieder ein paar hundert Meter, manchmal einen Kilometer laufen und dann kommen erst die nächsten Pflanzen."

    Ralph Simon ist Fledermausforscher an der Universität Ulm. Er testet seit Jahren, wie gut Fledermäuse die Echos diverser Strukturen orten können. Vor seinen Exkursionen in den kubanischen Urwald hatte der Biologe mit hohlen Halbkugeln experimentiert. Mehr oder minder per Zufall fand er dann diese Form auch in freier Natur. Und zwar bei der kubanischen Liane.

    "Ich habe die Pflanze tatsächlich das erste Mal auf einem Bild gesehen. Und mir fielen sofort diese schüsselförmigen Blätter auf, weil ich eben gerade im Labor Fledermäuse auf Halbkugeln dressiert hatte und gemerkt hatte, dass Halbkugeln besonders gut wahrgenommen werden. Ich wusste, das ist eine besondere Form für die Fledermaus. Und als ich eben diese schüsselförmigen, halbkugeligen Blätter sah, bei dieser Pflanze, habe ich mir sofort gedacht: 'Das muss ein Echosignal sein!'"

    Die halbkugelförmigen Blätter sind wie Satellitenschüsseln über der Blüte positioniert. Da Fledermausversuche in der freien Wildbahn nur schlecht reproduzierbar sind, ließ Ralph Simon sich etwas anderes einfallen. Er nahm Abdrücke und goss Kunststoffkopien des Echoblattes, die er seinen Laborblütenfledermäusen in Deutschland vorsetzte.

    "Um herauszufinden, ob dieses Blatt Fledermäusen nun wirklich helfen kann, Blüten schneller zu finden, haben wir Fledermäuse darauf dressiert, in einen Experimentierraum reinzufliegen und in diesem Experimentierraum nach einer Kunstblüte zu suchen, diese Kunstblüte war versteckt in einem künstlichen Laub. Und wir haben jetzt die Zeit gemessen, die die Fledermaus braucht vom Einfliegen in den Experimentierraum bis zum Finden der Blüte."

    Als Vergleich diente ein zweiter Abguss der kubanischen Liane, allerdings von einem flachen, länglichen Laubblatt. Die Kunstblüte – ein mit Nektar gefülltes PVC-Rohr – wurde wahlweise ohne Blatt, mit flachem Blatt und mit schüsselförmigen Blatt bestückt. Insgesamt 64 verschiedene Verstecke wurden mit drei Fledermäusen getestet.

    "Blumenfledermäuse haben nämlich ein sehr, sehr gutes Ortsgedächtnis. Und wenn sie einmal an einem Ort belohnt worden sind, fliegen sie gerne an denselben Ort zurück und suchen da nach der nächsten Belohnung."

    Doch die Fledermäuse ließen sich durch die Positionswechsel nicht beirren. Die Zeitunterschiede beim Blütensuchen zeigten das deutlich. Zwischen keinem Blatt und flachem Blatt war kein signifikanter Unterschied zu erkennen. Simon:

    "Nur wenn ein schüsselförmiges Blatt über der Blüte präsentiert wird, verkürzt sich die Suchzeit um etwa 50 Prozent."

    Es ist die Klangfarbe, die das Echo des Blattes so attraktiv für die Blütenfledermäuse macht. Sie bleibt konstant, egal ob die Schreie der Fledermaus senkrecht auf das Blatt treffen oder von schräg links oder rechts. Das Echo steht wie ein akustischer Fixstern im Raum.

    "Die umgebende Vegetation ändert die Klangfarbe ständig, von Winkel zu Winkel. Und deswegen ist das Blatt ganz anders und hebt sich hervor aus dem umgebenden Laub."

    Pflanzen haben die verschiedensten Wege entwickelt, sich von der Masse abzuheben um ihre Bestäuber anzulocken: außergewöhnlicher Duft, grelle Farben. Die echoakustische Lösung der kubanischen Liane gehört sicherlich zu den ausgefalleneren.