Freitag, 19. April 2024

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Edathy-Affäre
"Es wird hammerhart gelogen"

Bei den Untersuchungen zur Edathy-Affäre gebe es immer noch "mehr Fragen als überzeugende Antworten", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), im DLF. Auch andere Beteiligte erweckten "erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung", so Bosbach.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 19.12.2014
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach.
    "Edathy hat seine Glaubwürdigkeit schwer eingebüßt", sagte der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, im Interview mit dem Deutschlandfunk. (imago/Strussfoto)
    Wolfgang Bosbach (CDU) zweifelte an, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann und der ehemalige Chef des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke stets die Wahrheit gesagt hätten.
    Generell sei das Vertrauen in alle Beteiligten erschüttert, solange man nicht wisse, wie es tatsächlich war. Große Sorge bereite Bosbach auch der Generalverdacht, unter dem die gesamte Politik nun bei der Bevölkerung stehe. Für die Große Koalition sei das eine große Belastung: "Das Vertrauen ist ein gutes Stückweit abhandengekommen", sagte Bosbach.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Es war ein hektischer Tag gestern rund um den Deutschen Bundestag. Sebastian Edathy selbst hat sich in der Hauptstadt erstmals ausführlich und öffentlich zu den Kinderporno-Vorwürfen geäußert und er hat erneut seinen ehemaligen Parteifreund Michael Hartmann schwer belastet. Der soll ihn informiert haben über die Ermittlungen der Polizei.
    Hartmann hat das erneut abgestritten.
    Mitgehört am Telefon hat Wolfgang Bosbach von der CDU, der Vorsitzende des Innenausschusses im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Bosbach.
    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Edathy-Version ist "plaubsibler als die Versionen von Michael Hartmann"
    Armbrüster: Herr Bosbach, herrscht für Sie jetzt mehr Klarheit in dieser Geschichte?
    Bosbach: Bei allem Respekt vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses - nein! Es gibt Dinge, die feststehen. Es gibt Dinge, die bewiesen sind. Zum Beispiel: Es wird hammerhart gelogen. Aber von wem, das wissen wir nicht.
    Man kann auch sagen - das wurde auch gerade im Vorgespräch angedeutet -, dass die Version von Edathy plausibler ist als die Versionen von Michael Hartmann und von Thomas Oppermann. Aber das heißt noch lange nicht, dass das bewiesen worden ist, was Herr Edathy angegeben hat. Nehmen Sie mal die berühmten SMS, "still ruht der See", von Michael Hartmann, "habe auch nicht nachgehakt".
    Ja was soll denn der Text beweisen? "Still ruht der See" hört sich nach Volkslied an, das kann alles Mögliche bedeuten. Und "habe auch nicht nachgehakt" heißt doch nicht, ich habe nicht erneut bei Herrn Ziercke angerufen und ihn nach dem Stand der Dinge gefragt. "Habe auch nicht nachgehakt" kann man doch so voluminös auslegen, wie das Michael Hartmann auch bei seiner Vernehmung getan hat. Also es gibt nach wie vor mehr Fragen als überzeugende Antworten.
    Eins ist allerdings auch noch bewiesen. Sozialdemokratische Sicherheitspolitiker haben offensichtlich erhebliches Problem mit der Sicherung ihres Eigentums, wenn es um mobile Kommunikationsmittel geht. Das steht jetzt auch fest.
    Armbrüster: Weil Michael Hartmann sein Handy abhandengekommen ist?
    Bosbach: Michael Hartmann sein Handy und Sebastian Edathy sein Laptop. Und wie der Zufall es so will, alles zur richtigen Zeit, in dem Moment, wenn man die dort gespeicherten Daten hätte dringend zur Wahrheitsfindung auswerten müssen. Gerade da sind die Geräte abhandengekommen. Da haben die beiden aber schwer Glück gehabt!
    Armbrüster: Wenn wir uns jetzt mal die beiden Auftritte von Sebastian Edathy ansehen - Sie waren auch nicht dabei im Untersuchungsausschuss, aber zumindest haben wir diese lange Erklärung und diese lange Befragung in der Bundespressekonferenz gesehen -, halten Sie Sebastian Edathy für glaubwürdig?
    Bosbach: Er hat seine Glaubwürdigkeit ja schon stark eingebüßt. Sie ist ja stark beschädigt, weil er sich selber auch schon einmal korrigieren musste. Früher hat er ja mal gesagt, er sei nicht gewarnt worden; jetzt sagt er, er sei gewarnt worden.
    Armbrüster: ... und immerhin untermauert er das alles mit einer eidesstattlichen Erklärung.
    Bosbach: Ja gut. Dann ist die Frage, welche rechtliche Bedeutung hat diese eidesstattliche Erklärung. Er geht natürlich ein hohes Risiko ein. Er weiß aber auch, dass er das, was er sagt, nicht beweisen kann, jedenfalls bis zur Stunde nicht. Aber es kann auch nicht überzeugend widerlegt werden.
    Ich habe ja die stundenlangen Verhandlungen im Innenausschuss mitgemacht in den Sondersitzungen des Innenausschusses. Das gilt auch für das vorhin angesprochene berühmte Gespräch von Thomas Oppermann mit Herrn Ziercke.
    Da muss man ja noch hinzufügen: Dieses Gespräch wurde zu einem Zeitpunkt geführt, da erschien es noch durchaus möglich, dass Thomas Oppermann Innenminister der Bundesrepublik werden könnte und damit Vorgesetzter von Herrn Ziercke. Und dann behaupten beide in der zweiten Version übereinstimmend - Oppermann musste sich ja korrigieren -, Herr Oppermann hat zur Causa Edathy nichts gefragt und Herr Ziercke habe dazu nichts gesagt. Allerdings hat das Telefonat einige Minuten gedauert.
    Frage: Ist es plausibel, dass die beiden sich minutenlang angeschwiegen haben? Irgendetwas muss ja ausgetauscht worden sein. Das heißt, die Versionen sind auch nicht plausibel, sie sind nicht lebensnah geschildert. Aber es ist auch nicht zu widerlegen. Es waren keine Zeugen dabei, es gibt keine Urkunde, die man beiziehen kann.
    "Wir werden es nie mit letzter Gewissheit herausbekommen"
    Armbrüster: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Bosbach, Sie halten es schon für naheliegend, dass beide, sowohl Herr Ziercke als auch Herr Oppermann, hier in dieser Sache lügen?
    Bosbach: Ich halte es jedenfalls für denkbar, dass das Gespräch zwischen Oppermann und Ziercke anders gelaufen ist, als es uns geschildert worden ist, zumal Herr Oppermann zunächst gesagt hat, der Herr Ziercke hätte das bestätigt, das, was man in der SPD schon an Informationen hatte.Das musste er nachfolgend wieder korrigieren.
    Aber ich will auch niemandem Unrecht tun. Ich war bei dem Telefonat nicht dabei, Sie waren bei dem Telefonat nicht dabei. Plausibel, überzeugend erklärt wurde die Sache von den beiden Beteiligten nicht. Also erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung bleiben.
    Armbrüster: Herr Bosbach, zeigt dieser ganze Fall irgendetwas Symptomatisches für den Zustand der SPD?
    Bosbach: So weit würde ich jetzt nicht gehen. Aber das Vertrauen ist natürlich so lange erschüttert, wie wir nicht wissen, wie es tatsächlich war. Ich fürchte nur, wir werden es nie mit letzter Gewissheit herausbekommen, auch wenn der Untersuchungsausschuss noch bis zum Ende der Wahlperiode tagen sollte.
    Ich mach mir übrigens auch noch andere Sorgen. Zwar sind alle, ausnahmslos alle Beteiligten SPD-Mitglieder, mit Ausnahme von Hans-Peter Friedrich. Das ist allerdings der Einzige, der sein Amt verloren hat. Aber machen wir uns doch bitte nichts vor: Was wirft das eigentlich für ein Licht auf die Politiker insgesamt, egal welcher Partei oder Fraktion sie angehören? Das Publikum denkt doch, genau so, wie es da in Berlin zugeht, haben wir uns das schon immer gedacht. Alle Politiker in einen Sack und wenn Du draufschlägst, triffst Du den richtigen.
    Das heißt, selbst wenn wir als Christdemokraten sagen würden, alles SPD, würde es uns nicht besonders weit bringen, weil wir unter einer Art Generalverdacht bei der Bevölkerung stehen, dass wir unsere Arbeit doch nicht so wahrnehmen, unsere Verantwortung, wie wir es eigentlich tun müssten.
    Armbrüster: Und es gibt ja noch einen anderen Verdacht, nämlich dass Politiker durchaus wichtige Informationen von der Polizei und von den Ermittlungsbehörden zugesteckt bekommen, Informationen, die normale Bürger nie bekommen würden. Ist an diesem Eindruck etwas dran?
    Bosbach: Ja, natürlich ist der Eindruck nicht grundlos entstanden. Das gilt aber nicht nur für die Politiker; das gilt für die Medien auch.
    Ich bin oftmals sehr überrascht, auch als erfahrener Rechtsanwalt, was man da alles in den Medien aus amtlichen Ermittlungsakten lesen kann. Da wird ja auch fleißig durchgestochen von der Justiz an die Medien, und die Medien sind ja dankbar dafür, wenn sie diese Informationen bekommen, beklagen allerdings gleichzeitig, dass es ein solches Leck in der Justiz gibt. Und warum sollte es diese Kanäle von der Justiz nur in die Medien geben und nicht auch in die Politik. Das hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
    Die "Sächsische Zeitung" hat mal geschrieben, "Pornos, Drogen, Geheimnisverrat". Dieter Wedel hätte daraus einen Mehrteiler gemacht, aber bis Weihnachten schafft er das nicht mehr.
    Armbrüster: Herr Bosbach, ich würde jetzt sagen, dass es da schon einen Unterschied gibt, ob man nun Informationen über die Medien verbreitet, oder mit solchen Informationen Strafvereitelung betreibt. Aber das ist ein anderes Kapitel.
    Bosbach: Das ist ja richtig. Aber Sie fragen doch, ob Lecks denkbar sind, da was durchgestochen wird. Ja, natürlich ist das denkbar.
    Vertrauen innerhalb der Koalition "ist ein Stück weit abhandengekommen"
    Armbrüster: Ich würde jetzt zum Schluss gern noch wissen: Inwiefern ist das Ganze eine Belastung für die Große Koalition?
    Bosbach: Das ist und das bleibt in meinen Augen so lange eine Belastung, bis wir das Gefühl haben müssen, dass man uns nicht die volle Wahrheit sagt.
    Ich weiß, dass es in der obersten Etage ein überragendes Interesse daran gibt, dass die Koalition ruhig weiterarbeitet. Dafür habe ich auch Verständnis. Wir wollen ja gemeinsam Erfolg haben. Aber die Basis einer Zusammenarbeit in einer Koalition muss Vertrauen sein, und dieses Vertrauen ist ein gutes Stück weit abhandengekommen.
    Bosbach: ... , sagt Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Innenausschusses im Deutschen Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Bosbach: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.