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Edathy-Affäre
"Viele Fragen noch offen"

Für Konstantin von Notz bleiben im Fall Sebastian Edathy "viele Fragen offen". Ob der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete im Vorfeld der Ermittlungen gegen ihn gewarnt wurde, sei "eine relevante Frage", sagte der Grünen-Fraktionsvize und Mitglied im Innenausschuss im Deutschlandfunk. Er beklagte "zahlreiche Ungereimtheiten".

Konstantin von Notz im Gespräch mit Bettina Klein | 15.12.2014
    Konstantin von Notz, Fraktionsvize und Innenpolitiker der Grünen
    Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz. (dpa / picture-alliance / Maurizio Gambarini)
    "Wir müssen das Ganze nicht strafrechtlich bewerten, das muss eine Staatsanwaltschaft machen." Der Untersuchungsausschuss könne den Fall aber politisch bewerten. "Die Frage der Informationsflüsse war schon eine wesentliche Geschichte, da gab es zahlreiche Ungereimtheiten", sagte von Notz.
    Edathy sagte im "Stern", dass er vom SPD-Bundestagabgeordneten Michael Hartmann gewarnt worden sei. Der hatte diese Behauptung zurückgewiesen. Am Donnerstag wird Edathy vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss erwartet. Ab Februar muss er sich wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie vor Gericht verantworten.
    Interview mit dem Stern eine "Stilfrage"
    Edathys Anschuldigung gegen Hartmann stünde "erstmal im Raum", sagte von Notz: "Man kann fragen, ob das stilsicher ist, das wenige Tage vor der Ausschusssitzung über die Presse zu machen." Nun müsse man Hartmann hören, aber auch Edathy befragen. "Es gilt für alle Beteiligung die Unschuldsvermutung." Weil die Affäre so nebulös abgelaufen sei, müsse man die Leute "alle hören, um eine schlüssige Geschichte zu erhalten". Die Frage nach politischen Konsequenzen sei erst am Ende zu beantworten.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Am Donnerstag tritt in Berlin der Edathy-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zusammen und wird dort seinen Namensgeber persönlich als Zeugen vernehmen. Für denselben Tag hatte der bereits eine öffentliche Stellungnahme vor der Presse angekündigt. Der frühere SPD-Politiker Sebastian Edathy wird sich ja ab Februar ohnehin vor Gericht im Zusammenhang mit dem Besitz von kinderpornographischem Material verantworten müssen. Und nun hat er über das Wochenende via Medien weitere Informationen an die Öffentlichkeit lanciert.
    Konstantin von Notz ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Er ist Mitglied im Innenausschuss, nicht im Edathy-Untersuchungsausschuss. Allerdings war er im Februar dieses Jahres, als die Affäre hochkam, für seine Partei gewissermaßen in vorderster Linie bei den Ausschuss-Sitzungen dabei, die sich mit dem Fall Edathy befassten. Er hat die ganze Affäre von Anbeginn versucht mit aufzuklären, und ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr von Notz.
    Konstantin von Notz: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Wofür sprechen diese neuesten Entwicklungen, jetzt Aussage und dann wieder Dementi? Das klingt inzwischen ein wenig nach Räuberpistole. Wonach klingt es denn für Sie?
    von Notz: Na ja, erst mal spricht es dafür, dass das hier insgesamt keine erfreuliche Geschichte ist. Wir haben im Februar versucht, in vielen Sondersitzungen des Innenausschusses zu verstehen, was hier passiert ist in dieser Geschichte, und es ist nicht gelungen, durch verschiedene Befragungen verschiedener Menschen das genau zu verstehen, und deswegen haben wir diesen Untersuchungsausschuss gefordert und auch eingerichtet, und ich glaube, das war auch richtig und das kann man jetzt auch gut sehen, dass das eine richtige Entscheidung war, denn es sind doch viele Fragen noch offen.
    Klein: Wie relevant ist denn die Frage, ob Michael Hartmann Herrn Edathy vorgewarnt hat oder nicht?
    von Notz: Na ja, das ist schon eine relevante Frage. Wir müssen das Ganze ja nicht strafrechtlich bewerten. Das muss eine Staatsanwaltschaft machen und dafür haben wir ja die Gewaltentrennung. Aber für uns ist schon wichtig zu verstehen, was passiert ist, um das dann politisch zu bewerten, und da war die Frage der Informationsflüsse innerhalb der Großen Koalition und während der Bildung der Großen Koalition in dieser Sache schon eine wesentliche Geschichte und da gab es zahlreiche Ungereimtheiten und das ist eben eine der entscheidenden Fragen, ob Sebastian Edathy gewarnt wurde und wenn er gewarnt wurde, von wem er gewarnt wurde.
    "Sebastian Edathy dazu kritisch befragen"

    Viele Fragen noch offen im Fall Sebastian Edathy
    Sebastian Edathy (Hannibal Hanschke, dpa)
    Klein: Genau. Die Gerüchte gab es ja damals schon, dass er am Rande eines Parteitages vorgewarnt worden sei. Jetzt ist ein Name genannt. Wie relevant ist, wer es nun gewesen ist, oder bleibt nicht in jedem Falle, wenn es aus der SPD kam, an der Partei etwas hängen?
    von Notz: Na ja, auch das muss man erst mal gucken, ob man das sicher festgestellt bekommt. Jetzt ist erst mal diese Anschuldigung im Raum und man kann fragen, ob das besonders stilsicher ist, das wenige Tage sozusagen vor der Ausschusssitzung so über die Presse zu machen. Aber man darf das natürlich so tun und jetzt werden wir im Untersuchungsausschuss diesen Fragen nachgehen müssen. Dazu muss man den jetzt Angeschuldigten hören, Hartmann, aber man muss natürlich auch Sebastian Edathy dazu kritisch befragen. Aber es gibt viele andere Namen: Friedrich, Fritsche, Gabriel, Oppermann, Ziercke. Die müssen alle befragt werden und dann muss man abgleichen, ob da eine schlüssige Geschichte draus entsteht und man nachher nachweisen kann, wie diese Informationsflüsse gelaufen sind. Wir glauben, dass das aufgeklärt werden muss, weil das relevante Fragen sind, aber das werden erst die nächsten Sitzungen zeigen, ob das gelingt.
    Klein: Genau, Herr von Notz. Das ist alles Zukunftsmusik, wer wann was sagen wird. Das werden die nächsten Sitzungen ergeben. Der SPD-Politiker Hartmann möchte ja im Augenblick nichts sagen über die Presse, oder nicht mehr als eine persönliche Erklärung, wo er dementiert, was Edathy ihm vorwirft, weil er im Frühjahr im Untersuchungsausschuss aussagen wird, und Hartmann sagte auch, er tue das, er äußere sich nicht weiter aus Respekt vor dem Ausschuss. Sie haben es gerade noch mal angedeutet: Edathy wird jetzt auch vorgeworfen, das sei ein zweifelhaftes Verhältnis zum Rechtsstaat, dass er sich ausgerechnet zu Beginn dieser Woche noch mal via Medien mit einem ja offenbar auch zweifelhaften Vorwurf zu Wort meldet. Wie sehen Sie das?
    von Notz: Na ja, in einem Rechtsstaat ist eben genau das möglich, dass jemand entscheidet, auch zur Presse zu gehen und mit der darüber zu reden. Insofern finde ich diesen Vorwurf im Hinblick auf die Rechtsstaatskritik oder das Verhältnis von Edathy der Union - da kommt das ja her - eher albern. Aber ob das besonders stilecht ist, das wenige Tage vor dem Untersuchungsausschuss zu machen, da kann man schon drüber nachdenken. Aber es ist sein gutes Recht, das so zu tun, und jetzt ist es so gelaufen und jetzt muss man sich mit diesen Dingen auseinandersetzen. Entscheidend für das Parlament und für den Untersuchungsauftrag des Ausschusses ist, was dann am Donnerstag im BUA gesagt wird, wenn Sebastian Edathy als Zeuge da ist und die Wahrheit sagen muss.
    "Die Geschichte erst mal schlüssig erzählen"
    Klein: Dann sagen Sie uns noch mal ganz klar, Herr von Notz. Welche Informationen konkret muss Sebastian Edathy dem Ausschuss liefern Ihrer Meinung nach, um bei dieser ganzen Geschichte ein Stück seriös weiterzukommen?
    von Notz: Na ja, er muss die Geschichte erst mal schlüssig erzählen. Es ist nicht zwingend, dass er dafür Beweise vorlegt. Die Zeugenaussage ist eine Beweiserhebungsform und wenn das schlüssig und glaubhaft ist, was er erzählt, dann steht das erst mal so im Raum, und manchmal ist es ja so, dass man auch persönliche Gespräche, die man geführt hat, ob nun auf Parteitagen oder nicht, dass man dafür, wenn man keinen Mitschnitt hat oder keine Zeugen, die dabei standen, dann kann man das eben nicht letztlich beweisen. Am Ende des Tages wird dieser Untersuchungsausschuss prüfen, was die schlüssigste Geschichte ist, und wenn sich da mehrere Anhaltspunkte ergeben oder Widersprüche in verschiedenen Zeugenaussagen, dann kann man versuchen, anhand dieser Kriterien diese Geschichte zu erzählen. Es ist relevant, wie es gelaufen ist. Die Menschen wollen wissen, was damals genau passiert ist, und deswegen ist dieser Untersuchungsausschuss wichtig, weil er versucht, diesen Sachen auf den Grund zu gehen.
    Klein: Die ganze Geschichte war damals auch hoch politisiert und galt auch wirklich als ein Streit zwischen den Parteien. Wir erinnern uns: Das war am Anfang der Großen Koalition. Es hat für Unmut bei der Union gesorgt, dass der frühere Innenminister Friedrich, dann Landwirtschaftsminister zurücktreten musste, während Spitzenpolitiker der SPD, Sie haben es vorhin angedeutet, im Amt bleiben konnten, zum Beispiel der damalige Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann, der heute Fraktionschef ist. Gehen Sie davon aus, dass es dabei bleibt, oder dass im Zuge dieser Befragungen jetzt Vorwürfe auf den Tisch kommen, die auch daran noch mal Zweifel aufkommen lassen, ob das richtige Personalentscheidungen waren?
    von Notz: Das kann man unmöglich seriös heute sagen und es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Solange man ihnen nichts nachweisen kann, gelten sie erst mal als lauter, und das finde ich auch das richtige Verfahren. Aber weil das eben so nebulös war, muss man jetzt im Untersuchungsausschuss diese Leute alle hören und versuchen, da eine schlüssige Geschichte hinzubekommen, denn die Fakten, die wir im Februar diesen Jahres in drei Sondersitzungen des Innenausschusses bekommen haben, die haben sich zum Großteil widersprochen, die waren unschlüssig, und insofern ist das Aufklärungsarbeit, die geleistet werden muss. Ob es uns am Ende gelingt, das weiß man noch nicht, und die Frage ist nach den politischen Konsequenzen erst am Ende dieser Arbeit zu bewerten.
    Klein: Neue Informationen, Vorwürfe und Dementis im Zusammenhang mit dem früheren SPD-Politiker Sebastian Edathy, die übers Wochenende hochkamen. Wir sprachen heute Morgen mit dem Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Ich danke Ihnen für das Interview heute Morgen im Deutschlandfunk.
    von Notz: Vielen Dank, frau Klein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.