ARD-Hörspieltage 2018 - Das Gewinnerstück

Die Schuhe der Braut

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Das Logo der ARD Hörspieltage © Bild: SWR
Von Magda Woitzuck · 17.11.2018
Am vergangenen Sonntagabend sind die ARD-Hörspieltage 2018 zu Ende gegangen - das größte Festival seiner Art im deutschsprachigen Raum. Nicht nur ein Treffpunkt für Hörspielmacher, sondern auch für alle Fans. Der deutsche Hörspielpreis der ARD geht an "Die Schuhe der Braut" von Magda Woitzuck.
Begründung der Jury:
"Ein Stück, das die Hörenden in ein Loch stürzen lässt - in die bodenlose, ekelerregende Grausamkeit des menschenfressenden Menschen. Das uns konfrontiert mit dem plappernden Ich Europas. Ein Text, der die Schrecken des Realen überformt und durch seinen grotesken Humor Distanz schafft, indem er ein ästhetisches Spannungsverhältnis zu einer oberflächlichen Betroffenheit herstellt. Das Werk reißt Leerstellen zwischen poetischer Suggestion, Entsetzen und Ergriffenheit auf. In diesen erkennen wir die großen Herausforderungen im Umgang mit Tätern, die sich unfassbarer Verbrechen an der Menschlichkeit schuldig gemacht haben. Die subtil gesetzte Langsamkeit der Inszenierung wie auch die klangliche Gestaltung, die zwischen klaustrophobischer Abgeschlossenheit und ironischen Wohlfühlklängen oszilliert, unterstreichen die befremdende Wirkung dieses gleichermaßen alptraumhaften wie faszinierenden Hörspiels. Ein Stück, das uns nahezu körperlich angreift."
Das fünfte Hörspiel der niederösterreichischen Autorin Magda Woitzuck erzählt die Geschichte des syrischen IS-Soldaten Said, der geläutert wird und sich auf den Weg nach Europa macht. Eine Reise als Parabel über Fährnisse und Schikanen, über Zynismus und Engstirnigkeit im Zusammenhang mit dem Thema Flucht. Dabei bleibt der Text beileibe nicht im Vordergrund des Geschehens, er knüpft vielmehr Fäden aus lyrischen Entwürfen in entlegene Assoziationsräume, in testamentarische Formeln und surreale Bildwelten. Said wird von seinem Kameraden Faisal in ein Loch in der Wüste abgeseilt. Dort haben IS-Kämpfer ihre - höchstwahrscheinlich zivilen - Opfer hineingeworfen. Said soll einen geköpften ausländischen Journalisten aus dem Loch holen, dessen Frau will den Leichnam begraben und ist bereit, dafür zu bezahlen. Dort unten trifft Said auf eine ebenfalls kopflose Braut. Sie wurde vom IS hingerichtet, weil sie bei ihrer Hochzeit Lippenstift getragen hatte. Dieses Erzählelement hat Woitzuck aus realen Begebenheiten bezogen, so wie viele ihrer Erfindungen in der Realität fußen, meist teilweise ins Fantastische überhöht. So auch in diesem Fall, die Braut beginnt mit Said zu sprechen. Sie suche ihre Schuhe, ohne diese könne sie ja nicht heiraten. Said, zunächst naturgemäß verständnislos, sucht die Schuhe und findet sie. Zum Dank darf er einen Finger der Braut essen, er muss, denn damit verzeiht die Braut, die in Saids Fantasie bald zu einer Gottheit mutiert, ihm und seinen Kameraden alles, auch dass man sie geköpft hat. Als Kämpfer ging er in das Loch, als Deserteur kommt er heraus. Sie hätten einen Fehler gemacht, sagt er, sie haben die Braut geköpft, sie haben Unschuldige getötet, sie haben gemordet. Said beschließt, den IS zu verlassen und nach Deutschland zu flüchten. Auf diesem Weg begegnen ihm ein abgestumpfter Polizist, ein abgewrackter Arzt und eine Journalistin mit Schreibblockade, die sich dem Thema Flüchtlinge widmen soll und in Said ein willkommenes Opfer im Wortsinn sieht, zunächst jedenfalls.
Die Schuhe der Braut
Von Magda Woitzuck
Musik: Peter Kaizar
Regie: Philip Scheiner, Peter Kaizar
Mit Gideon Maoz, Matthias Franz Stein, Hannah Mensing, Vera Borek, Rainer Doppler, Florentin Groll, Chris Pichler
Produktion: ORF 2017
Länge: 43'27

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