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EEG-Novelle
"Es gibt auch schmerzhafte Einschnitte"

Mit der Einigung zur EEG-Reform habe man einen ganz wichtigen Schritt zur Planungs- und Investitionssicherheit in Deutschland gemacht, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer im DLF. Auch wenn immer noch viele Detailfragen offen seine, habe man ein gutes Ergebnis für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Deutschland erreicht.

Eric Schweitzer im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 08.04.2014
    Sina Fröhndrich: Ein Schlachter in Niedersachsen, ein Schiffsproduzent und ein Abfüller von Mineralwasser, sie stehen mit vielen anderen Unternehmen auf einer Liste, weil sie weniger für den Ausbau erneuerbarer Energien zahlen müssen. Etwas mehr als 2000 waren das zuletzt. Künftig sollen es aber weniger sein, nur noch 1600 Unternehmen. So sieht es die EEG-Reform vor, die Wirtschaftsminister Gabriel heute vorgestellt hat. Die umstrittenen Industrierabatte, die bleiben also, werden aber etwas beschnitten.
    Die Bundesregierung will das Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien reformieren, und unterm Strich bleibt: für einige Unternehmen gibt es auch weiterhin Rabatte bei den Strompreisen. Darüber spreche ich jetzt mit Eric Schweitzer, er ist Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Guten Tag, Herr Schweitzer.
    Eric Schweitzer: Schönen guten Tag, Frau Fröhndrich!
    Fröhndrich: Wir haben jetzt schon eine Stimme aus der Wirtschaft gehört: Ulrich Grillo, der Chef des BDI, der ist zufrieden. Sind Sie es denn auch?
    Schweitzer: Zunächst ist festzuhalten, dass die Ergebnisse der Gespräche in Brüssel, sowohl von der Kanzlerin als auch vom Wirtschaftsminister, ein ganz, ganz wichtiger Schritt zur Planungs- und Investitionssicherheit in Deutschland sind. Unabhängig davon sind noch Detailfragen offen und es wird auch für einige Unternehmen schmerzhafte Regelungen geben. Im Gesamten ist zu bewerten - Kompromisse sind ja immer das Ergebnis von Verhandlungen -, dass es insgesamt, glaube ich, ein gutes Ergebnis für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Deutschland ist.
    Fröhndrich: Sie sagen jetzt, einige Detailfragen sind noch offen. An welche denken Sie da?
    Schweitzer: Zum Beispiel die Rückzahlungsansprüche von Unternehmen, die nicht mehr der besonderen Ausgleichsregelung, das heißt der Privilegierung unterfallen, in welcher Höhe die stattfinden. Da muss man natürlich aufpassen, dass diese Unternehmen, die ja die Produkte bereits verkauft haben und dieses nicht einkalkulieren konnten, nicht übermäßig belastet werden in dem Sinne, dass dadurch Arbeitsplatzverluste in Deutschland stattfinden. Dieses wird meines Wissens nach der Bundeskanzleramtsminister Altmaier noch in Brüssel zu verhandeln haben.
    Fröhndrich: Dann kommen wir noch mal auf die Fragen, die schon geklärt sind. 1.600 Firmen bleiben verschont. Sie haben jetzt von Planungssicherheit gesprochen, auch von Investitionssicherheit. Aber dass immer noch Firmen Rabatte bekommen, das muss ja ausgeglichen werden: Einerseits durch die Verbraucher, aber andererseits auch durch Firmen, durch kleinere Firmen, die nicht so energieintensiv sind. Ist das denn eine faire Art und Weise, die Energiewende zu finanzieren?
    Schweitzer: Die Frage ist, wer wird entlastet. Entlastet werden Firmen, die Produkte ins Ausland verkaufen und im internationalen Wettbewerb stehen, die wiederum Zulieferer haben, die nur an deutsche Unternehmen liefern. Würden Sie jetzt die Firmen nicht mehr entlasten, dann ist es eine Milchmädchenrechnung zu sagen, dann verteilt man die Summe insgesamt auf mehr Zahler, weil diese Firmen, die Sie nicht mehr entlasten, würden anschließend nicht mehr in Deutschland produzieren und man würde dadurch mindestens 800.000 Arbeitsplätze direkt in Deutschland gefährden, darüber hinaus noch aber erheblich mehr in der Zulieferindustrie, weil die Zulieferindustrie dann keine Abnehmer mehr hätte.
    Fröhndrich: Dann gehen wir doch noch mal genau auf so ein konkretes Beispiel. Der Jobverlust ist ja in den vergangenen Wochen in den Verhandlungen immer wieder genannt worden, dass Firmen Jobs abbauen, wenn sie hohe Energiepreise tragen müssen. Kennen Sie denn Unternehmen, wo das schon konkret angedacht wird? Haben Sie da ein konkretes Beispiel?
    Schweitzer: Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Aurubis ist einer der größten Kupferproduzenten der Welt. Die brauchen circa ein Prozent der deutschen Strommenge. Wenn Sie Aurubis nicht mehr entlasten würden, würden die definitiv in Deutschland nicht mehr produzieren können. Das heißt, Sie haben verschiedene Unternehmen, die einfach so viel Strom verbrauchen und ihre Produkte im internationalen Wettbewerb verkaufen, das heißt mit Wettbewerbern aus dem Ausland, die diese Belastung nicht haben, denn dann spielt der Stromkostenanteil eine so große Rolle, dass sie dann nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren können, und damit würden wir dann die Menschen und den Wohlstand in Deutschland gefährden.
    Fröhndrich: Aber noch mal: Ist es denn fair, dass ein kleineres oder auch ein mittelständisches Unternehmen jetzt künftig dann doch stärker an der Energiewende beteiligt wird? Gibt es da bei Ihnen beim DIHK nicht unter Umständen auch das eine oder andere Unternehmen, den einen oder anderen Unternehmer, der sich an Sie wendet und klagt?
    Schweitzer: Deswegen sagte ich ja vorhin, es gibt auch schmerzhafte Einschnitte, und Kompromisse sind immer das Ergebnis von Verhandlungen. Aber Sie haben ja nicht nur eine Mehrbelastung durch das jetzige Ergebnis, sondern nach unserer Kenntnis bewegt sich die Befreiung entgeltseitig bei circa fünf Milliarden. Das ist auch der Stand, den wir bisher hatten.
    Fröhndrich: Dann schauen wir noch mal auf das gesamte Projekt Energiewende. Sigmar Gabriel hat das heute so formuliert: Damit wird die Energiewende planbar und sicher. Sehen Sie das auch so?
    Schweitzer: Ich glaube, zunächst mal ein Kompliment an Herrn Gabriel und auch an die Kanzlerin dafür, dass die Koalition jetzt das Thema der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes angegangen ist. Denn wenn das nicht passiert wäre, wäre das Problem gewesen, dass die Energiewende zwar richtig ist, wir sie aber kostenseitig als Standort Deutschland, und zwar sowohl als Verbraucher wie als Wirtschaft, nicht hätten finanzieren können. In der Systematik nach vorne würden wir uns wünschen, dass man noch schneller auf Marktmechanismen umstellt und aus planwirtschaftlichen Mechanismen rausgeht. Das heißt, die Direktvermarktung, das heißt, dass einer, wenn jemand erneuerbare Energien herstellt, auch direkt dafür verantwortlich ist, dass sein Produkt von einem Kunden gekauft wird und auch abgenommen wird, dass das noch stärker passieren würde. Daran werden wir arbeiten und wir begrüßen, dass zukünftig ab 2017 der Bedarf ausgeschrieben wird, der an erneuerbaren Energien gebraucht wird, und sich damit auch über den Markt die Preise bilden.
    Fröhndrich: Das sagt der Präsident des DIHK, Eric Schweitzer, zur Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Herr Schweitzer, vielen Dank für das Gespräch.
    Schweitzer: Vielen Dank, Frau Fröhndrich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.