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Ehe für alle
"Auch eine berufspolitische Frage"

Bis heute würden Homosexuelle beruflich diskriminiert, sagte der frühere FDP-Abgeordnete Michael Kauch im Dlf. Wenn man beispielsweise gegenüber dem Arbeitgeber angebe, dass man eine Lebenspartnerschaft führe, komme das einem "Zwangs-Outing" gleich. Doch es gebe auch positive Entwicklungen.

Michael Kauch im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 27.06.2017
    Michael KAUCH, Ex-FDP-MdB, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion; lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft; aufgenommen während einer Diskussion zur Gleichstellung Homosexueller im Rathaus Schöneberg am 11.06.2012.
    Michael Kauch, früherer FDP-Politiker, lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft; aufgenommen während einer Diskussion zur Gleichstellung Homosexueller im Rathaus Schöneberg. (imago / Wolf P. Prange)
    Sina Fröhndrich: Dürfen Homosexuelle heiraten? Jahrelang gab es dafür keine Mehrheit im Bundestag – und jetzt könnte es plötzlich ganz schnell gehen. Auslöser sind diese Worte von Kanzlerin Angela Merkel: "Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke." Die Kanzlerin hat innerhalb der Union den Fraktionszwang aufgehoben. Die SPD ist schon eilig dabei, dass die Ehe für alle noch diese Woche vom Bundestag verabschiedet wird. Das wirkt sich nicht nur auf das Adoptionsrecht aus, sondern auch auf Arbeitnehmer. Im Völklinger Kreis sind schwule Manager organisiert – Vorstand ist der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kauch. Ihn habe ich gefragt: Was bringt die Ehe für alle einem schwulen Manager?
    Michael Kauch: Wir haben heute die Situation, dass mit der Lebenspartnerschaft eigentlich ein Zwangs-Outing im Job verbunden ist.
    Fröhndrich: Warum?
    Kauch: Wir haben einen Familienstand, der abweichend ist von der Ehe. Das heißt, wenn ich meinen Familienstand dem Arbeitgeber korrekt mitteile, dann ist klar: Dieser Mensch ist schwul oder bisexuell oder lesbisch, und das kann in manchen Situationen zu Nachteilen führen – jetzt nicht nur bei diskriminierenden Vorgesetzten; vor allem kann es aber dazu führen, dass in Arbeitsverhältnissen bei kirchlichen Arbeitgebern beziehungsweise bei Sozialeinrichtungen, die der Kirche gehören, es echte berufliche Nachteile geben kann, bis theoretisch hin auch zum Verlust des Arbeitsplatzes. Und solange das so ist, kann man nicht jedem schwulen Mitarbeiter oder jeder lesbischen Mitarbeiterin empfehlen, die sexuelle Orientierung auch am Arbeitsplatz offen preiszugeben. Die Lebenspartnerschaft führt dazu, dass das zwangsweise passiert.
    Fröhndrich: Das heißt, wenn dann der Stempel "Ehe" draufstehen würde, wäre das eine Erleichterung, weil niemand vielleicht auf die Idee kommen würde zu fragen, mit Männlein oder Weiblein?
    Kauch: Richtig. Man ist verheiratet, und mit wem man verheiratet ist, wird dann im Zweifel ja nicht gefragt werden, und das ist ganz klar für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, seien sie jetzt in einer Führungsposition oder nicht, dann von erheblicher Bedeutung. Ich weiß zum Beispiel von einigen, die sagen, ich lasse mich nicht verpartnern, weil damit würde das meinem Arbeitgeber, der nicht offen und wertschätzend mit der sexuellen Orientierung seiner Mitarbeiter umgeht, publik.
    "Es ist auch eine berufspolitische Frage"
    Ein anderes Thema: Wenn Sie ins Ausland gehen wollen, zum Beispiel als Führungskraft, bekommen Sie interessanterweise dort Probleme, wo die Ehe schon für alle geöffnet ist. Wenn Sie beispielsweise in die USA ziehen wollen und eine Arbeit aufnehmen, dann können Sie das als schwule Führungskraft möglicherweise sehr leicht tun, weil Sie eine Arbeitserlaubnis bekommen. Das Problem taucht dann auf, wenn Sie Ihren Partner mitnehmen wollen, was, ich sage mal, für einen längeren Arbeitsaufenthalt ja eine zwingende Voraussetzung ist. Da ist es nämlich so, dass in den Ländern, wo die Ehe für alle besteht, die Lebenspartnerschaft, die es dann dort nicht gibt, nicht anerkannt wird als Nachzugsgrund für den Partner.
    Fröhndrich: Und welche praktische Folge wäre dann beispielsweise eine Arbeitserlaubnis oder eine Aufenthaltsgenehmigung, oder wie wirkt sich das im Moment praktisch aus?
    Kauch: Das wirkt sich praktisch so aus, dass zum Beispiel ein Freund von mir neben der deutschen Lebenspartnerschaft in den USA noch eine Ehe geschlossen hat, was offiziell nicht zulässig ist, aber der einzige Weg ist, dann dort auch eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Das sind natürlich Dinge in einer Grauzone, die man so nicht haben will. Die Alternative ist, auf das Jobangebot zu verzichten. Deswegen ist die Ehe für alle, die ja eigentlich immer nur im Kontext zum Beispiel von der Gleichstellung beim Adoptionsrecht diskutiert wird, durchaus für uns auch eine berufspolitische Frage, weil sowohl Mitarbeiter in kirchlichen Arbeitsverhältnissen, aber auch international tätige Führungskräfte dadurch benachteiligt werden.
    Positive Entwicklungen bei den Unternehmen
    Fröhndrich: Wie ist es denn finanziell bei dem Familiennachzug? Werden Lebenspartner denn beispielsweise vom Arbeitgeber, wenn wir mal auf den schauen, genauso finanziert? Wird da beispielsweise ermöglicht, eine gewisse Größe der Wohnung zu finanzieren? Ist das schwieriger?
    Kauch: Das sind Punkte, die jetzt eigentlich nicht mehr so vorgetragen werden als Problem. Da hat sich in der deutschen Wirtschaft viel getan. Das waren Themen, als die Lebenspartnerschaft eingeführt wurde. Das hat sich eigentlich in den allermeisten Unternehmen positiv entwickelt. Wir haben da aber jetzt auch keine repräsentative Übersicht.
    Fröhndrich: Jetzt macht die SPD Druck. Glauben Sie, dass es noch in dieser Woche eine Abstimmung über die Ehe für alle im Bundestag geben wird?
    Kauch: Das ist eine Sache, die das Parlament intern klären muss. Da stehen wir als Verband zunächst einmal außen und beobachten das genau wie Sie mit Interesse. Wir würden uns das natürlich wünschen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.