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Ehe für alle
"Das entfernt sich vom christlichen Eheverständnis"

Der CSU-Politiker Markus Blume hält die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare für "Gleichmacherei". Dies gehe vielen zu weit und entferne sich vom christlichen Eheverständnis, wonach die Ehe auf Mann und Frau angelegt sei, sagte Blume im Dlf. Die CSU befürworte aber die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften.

Markus Blume im Gespräch mit Sandra Schulz | 29.06.2017
    Markus Blume ist seit 2008 CSU-Abgeordneter im Bayerischen Landtag.
    Markus Blume ist stellvertretender Generalsekretär der CSU. (dpa / M.C.Hurek)
    Sandra Schulz: Lange hat die Union, haben CDU und CSU die Ehe für alle ja kategorisch ausgeschlossen. Diese Linie hat Kanzlerin Angela Merkel ja am Montag verlassen. Und was das für die Schwesterpartei, für die CSU heißt, darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Markus Blume, stellvertretender CSU-Generalsekretär und Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission. Schönen guten Morgen.
    Markus Blume: Ich grüße Sie. Guten Morgen.
    Schulz: Da würde ich gerne einsteigen mit einem Zitat aus Ihrem Grundsatzprogramm. Da heißt es: "Die Ehe von Mann und Frau steht zurecht unter dem besonderen Schutz des Staates. Wir wenden uns gegen jegliche Relativierungsversuche." Diesen Grundsatz hat Angela Merkel jetzt ja ganz deutlich relativiert, indem sie gesagt hat, wie man zur Ehe für alle steht, das ist eine Gewissensentscheidung. Wie sauer sind Sie auf die Kanzlerin?
    Blume: Wir liegen da nicht auseinander. Sie hat ja nicht die Ehe für alle relativiert, sondern sie hat deutlich gemacht, dass sie sich eine Abstimmung im Bundestag wünscht, eine Verständigung miteinander, wo man auch das respektiert, was jeden Einzelnen bei dieser ganz grundlegenden Frage bewegt. Es ist in der Tat eine grundlegende Frage in unserem Land, was die Gesellschaftsordnung betrifft, aber es ist auch für jeden Einzelnen, der da abstimmt, natürlich eine höchst persönliche Entscheidung, wo viele verschiedene Aspekte einfließen. Das war ihr Punkt. Und ich sehe da zunächst mal keinen Widerspruch dagegen, zu sagen, man hat ein klares Leitbild von Ehe und Familie.
    "Wir haben bei dem Thema nicht die große Konfliktlinie im Land"
    Schulz: Aber das als Gewissensentscheidung zu sehen, das war doch neu. Deswegen waren ja bisher diese Abstimmungen oder das, was jetzt in Gang gekommen ist, vor dieser Einlassung der Kanzlerin nicht möglich.
    Blume: Ich interpretiere das auch als Versuch, es aus der parteipolitischen Verkantung rauszuholen und zu sagen: Das ist kein Thema für einen Wahlkampf, das ist auch kein Thema für parteipolitische Schlachten, sondern das ist etwas, worüber man auch dem Thema angemessen in Würde sich miteinander verständigt. Und jetzt sind wir doch mal ganz ehrlich: Wir haben hier bei diesem Thema nicht die große Konfliktlinie oder die große Kampflinie in unserem Land. Denn Sie treffen doch kaum jemand, der sich dagegen wendet, dass gleichgeschlechtliche Paare, auch was die Rechte angeht, gleichgestellt werden sollen.
    Schulz: Das war bisher keine Linie von CDU und CSU.
    Blume: Sie haben gerade unser Grundsatzprogramm zitiert. In dem Absatz, den Sie zitiert haben, der schließt damit, dass wir sagen, auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften werden Werte gelebt, die ganz grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Und: Jegliche Form von Diskriminierung gegenüber diesen Partnerschaften lehnen wir entschieden ab. Das heißt noch mal: Mit Gleichstellung, was die Rechte angeht, hat keiner ein Problem. Aber mit gleich machen verstehe ich, dass viele sagen, das geht mir eine Spur zu weit, und wenn wir darüber reden, dann aber bitte in einer dieser Größe des Themas dann auch angemessenen Art und Weise und nicht in dieser unwürdigen Art und Weise, die jetzt von Rot-Rot-Grün im Bundestag auf den Weg gebracht wurde.
    Schulz: Herr Blume, das müssen Sie jetzt aber erklären. Ich finde, das klingt ganz widersprüchlich. War es bisher so, dass die CSU die Ehe für alle abgelehnt hat oder nicht?
    Blume: Selbstverständlich, und weil wir sagen, dass die Ehe per Definition auf Partnerschaft von Mann und Frau ausgerichtet ist.
    Schulz: Und wie passt es dann zu dem, was Sie mir gerade sagen, dass Sie sich gegen jegliche Form der Diskriminierung wenden? Denn bisher war ja das Adoptionsrecht eingeschränkt. Wie passt das zusammen?
    Blume: Schauen Sie, ich glaube, es gibt ein großes Missverständnis hier. Es wird davon geredet, auch in den Umfragen, sind Sie für oder gegen die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Und da denkt jeder daran, sollen die dieselben Rechte haben oder weniger Rechte.
    "Mit Gleichstellung haben wir als CSU kein Problem"
    Schulz: Zum Beispiel zur Adoption?
    Blume: Beispielsweise. Und ganz generell wird jeder sagen: Wo füreinander Verantwortung übernommen wird – und das hat natürlich auch mit konservativen Werten zu tun -, wo füreinander Verantwortung übernommen wird auf Lebenszeit, das soll auch unter dem besonderen Schutz stehen und das soll auch mit besonderen Rechten und besonderen Pflichten ausgestattet sein. Deswegen haben wir damit überhaupt kein Problem. Noch mal: Mit Gleichstellung haben wir als CSU, hatten wir als CSU auch kein Problem, wenn Sie sich das aktuelle Grundsatzprogramm ansehen. Aber mit der Frage der Gleichmacherei, dass jetzt sozusagen die Ehe geöffnet werden soll, da gibt es bei vielen bei uns einfach den Umstand, dass sie sagen, das geht mir zu weit. Das entfernt sich im Übrigen auch von dem christlichen Eheverständnis, was ja untrennbar auf die Ehe von Mann und Frau angelegt ist.
    Schulz: Gleichbehandlung ja, aber Diskriminierung auch. So verstehe ich Sie jetzt. Herr Blume, wir müssen inhaltlich den Schritt weiter machen. Wir müssen auf die Kanzlerin schauen und darauf, was sie ja wirklich angestoßen hat seit Anfang der Woche. Sie sind mitten im Wahlkampf. Sie haben in Bayern einen Wahlkampf 2018 vor sich. Wie werden Sie es im Wahlkampf erklären, dass diese Dynamik, die jetzt dazu führt, was Sie ja unbedingt verhindern wollten, nämlich dass die Ehe für alle kommt, wie wollen Sie das erklären, dass dieser Impuls von Ihrer Schwesterpartei ausgegangen ist?
    Blume: Schauen Sie, wir haben eine ganz klare Grundposition. Von der werden wir auch gar nicht abrücken und sehen da auch gar keine Notwendigkeit dazu. Ich habe immer die Schwierigkeit, dass man das hier in den Kontrast setzt. Wir stehen zum Leitbild von Ehe und Familie, ohne die Vielfalt der Lebenswirklichkeit auszugrenzen. Das ist eine wunderbare, eine freiheitliche Position und die wird uns auch weiter leiten. Ich sehe auch für das, was uns 2018 erwartet, Landtagswahlkampf in Bayern, da überhaupt keine Schwierigkeiten. Das ist das, was das Lebensgefühl der Menschen trifft, und daran werden wir festhalten.
    Schulz: Aber es ist doch wirklich ein ganz verrückter Vorgang. Wenn wir daran denken, welch harsche Kritik die Kanzlerin zu hören bekommen hat aus der CSU in der Flüchtlingsdiskussion. Da hat Horst Seehofer gesprochen von der Herrschaft des Unrechts. Wir haben diese Situation auf dem Parteitag gesehen, da gab es eine Kanzlerin-Beschimpfung sozusagen in Anwesenheit. Und jetzt räumt die Kanzlerin en passant – das ist ja überhaupt noch nicht klar, ob das Strategie war oder ein Lapsus oder ein Teillapsus – eine ganz zentrale Position der CSU ab, und dafür gibt es überhaupt keine Kritik aus Bayern?
    Blume: Ja, weil Sie hier etwas verwechseln. Die Ehe für alle ist ja kein Projekt der Union. Es ist ein Projekt von Rot-Rot-Grün und wir haben uns mit der Frage auseinanderzusetzen auch aus Verantwortung für das Land: Wie gehen wir damit um, wenn auf der einen Seite alle etablierten Parteien sagen, Koalition in Zukunft gibt es nur noch, wenn ihr bei dem Thema mitmacht, und im Übrigen, jetzt bringen wir es per Zufallsmehrheit in der letzten Woche dieser Legislatur noch auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Dazu muss ich mich ja verhalten und dazu muss ich dann auch respektieren, dass ich auf der einen Seite eine klare Grundposition habe, aber auf der anderen Seite natürlich auch in Rechnung stelle, dass diese höchst persönliche Entscheidung von jedem Bundestagsabgeordneten dann auch persönlich getroffen werden muss. Es wird Ihnen nicht gelingen, jetzt hier eine Differenz zwischen CDU und CSU festzumachen.
    Schulz: Okay. Jetzt halte ich an der Stelle aber noch mal fest am Donnerstagmorgen: Sie sehen überhaupt keinen Anlass zur Kritik an Angela Merkel CSU-seitig?
    Blume: Nein, weil ehrlich gesagt in dieser Frage der Stein von der anderen Seite geworfen wurde. Die Art des Verfahrens, das war nicht das, was wir wollten. Wir wollten eine vernünftige Diskussion darüber und wir glauben, dass der neue Deutsche Bundestag dafür der richtige Ort gewesen wäre. Dass das jetzt durchgepaukt werden soll auf der Zielkurve dieses Deutschen Bundestages mit einer rot-rot-grünen Mehrheit, das hat dieses Thema in dieser Art und Weise nicht verdient.
    "Das ist ein Testlauf für Rot-Rot-Grün"
    Schulz: Was meint Horst Seehofer, der CSU-Chef, jetzt mit dieser Formulierung, normalerweise ist das der Koalitionsbruch? Was will er uns damit sagen?
    Blume: Ich glaube, er will uns damit sagen, wenn das nicht jetzt in der letzten Sekunde dieser Legislatur passiert wäre, sondern irgendwann auf der Wegstrecke beispielsweise nach einem Jahr, dass man dann miteinander gesagt hätte, das ist keine Basis für eine Koalition, das ist in einer zentral verabredeten Grundsatzposition eine offene Aufkündigung, so geht man auch unter Koalitionspartnern nicht um, übrigens auch nicht in der Schlusskurve. Deswegen sagen wir noch mal ganz klar, das ist ein Testlauf für Rot-Rot-Grün, was hier passiert, und jeder, der sich mit diesem Gedanken auseinandersetzt, der sieht dann auch mal ganz konkret, wie hier handstreichartig das Land sich verändern würde.
    Schulz: Das verstehe ich, dass Sie vor Rot-Rot-Grün bei dieser Gelegenheit natürlich warnen wollen. Aber sagen Sie es uns noch mal. Der Fraktionschef Kauder, der spricht ja "nur" von einem Vertrauensbruch. Wenn das jetzt so eine immanente Verfehlung der SPD wäre, warum gehen Sie dann nicht raus aus der Koalition?
    Blume: Schauen Sie, am 24. September ist Bundestagswahl. Wir brauchen jetzt auch hier nicht die Dinge größer machen als sie sind. Man wird es vernünftig zu Ende bringen. Aber klar ist, dass auf dieser Grundlage ein Partner, der sich dann, auch wenn es in der letzten Kurve sozusagen ist, nicht an die Verabredungen hält, dass das kein verlässlicher Partner ist. Das muss auch jeder wissen, der hier Koalitionsspielchen sozusagen betreibt.
    Schulz: Aber dass die Ehe für alle dann mutmaßlich kein Hindernis mehr sein wird für eine Neuauflage der GroKo, darüber sind Sie dann schon auch froh, oder?
    Blume: Na ja, was natürlich richtig ist, wenn der Deutsche Bundestag das jetzt an diesem Freitag entscheiden sollte, dann ist das Thema zunächst mal entschieden, unabhängig von der Frage, was an gerichtlicher Überprüfung noch stattfinden möge. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken, die von verschiedenen Seiten geäußert werden, dann auch tatsächlich das Verfassungsgericht noch mal beschäftigen werden. Aber politisch ist natürlich, wenn der Deutsche Bundestag eine Sache entschieden hat, die Sache damit natürlich zunächst einmal vom Tisch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.