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Ehe für alle
"Warum muss das zwei Namen haben?"

Nach der Volksabstimmung in Irland wird auch in Deutschland wieder über die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern diskutiert. Denn homosexuelle Paare in Deutschland leben bereits seit Jahrzehnten den Alltag einer Ehe - jedoch ohne die gleichen Rechte - dafür aber immer noch mit Vorurteilen. Ein Beispiel aus Düsseldorf.

Von Murat Koyuncu | 27.05.2015
    Hochzeitstorte mit zwei Frauenfiguren
    Hochzeitstorte mit zwei Bräuten: "Die Verbohrtheit im Kopf muss aufgegeben werden," findet Dirk Jehle. (AFP / Gabriel Bouys)
    Dirk Jehle sitzt in einem Café in der Düsseldorfer Altstadt und blättert in einem Magazin. Sein Gesicht strahlt. Noch immer erfreut ihn die Meldung aus Irland. 62 Prozent des Landes haben letzte Woche für die sogenannte Homo-Ehe und somit für eine Verfassungsänderung abgestimmt. Ein Ergebnis, womit er und sein Lebensgefährte nicht gerechnet hatten.
    "Für uns war das ein besonderes Erlebnis, dass gerade ein erzkonservatives Land wie Irland mit 62 Prozent entschieden hat. Ich fand's noch mal faszinierend, dass sehr viele junge Leute aus dem Ausland nach Irland zur Wahl zurückgekommen sind. Das zeigt auch noch mal, dass die Gesellschaft eigentlich schon viel weiter ist, als manche Regierungen und Gesetzgebungen."
    Seit 23 Jahren lebt Dirk Jehle mit seinem Partner zusammen. Seit sechs Jahren sind sie zwar nicht verheiratet, befinden sich aber in einer sogenannten Lebenspartnerschaft.
    Jehle ist glücklich, in einem homosexuellen Menschen gegenüber relativ toleranten Staat zu leben, doch etwas stört ihn immer noch besonders:
    "Warum muss für Menschen, die zueinander stehen, warum muss das zwei verschiedene Namen haben? Das eine heißt Lebenspartnerschaft und das andere heißt Ehe. Das ist ja unsinnig. Das ist ja ein Versprechen auf gute und schlechte Tage, wie bei der Ehe auch."
    Obwohl die gesellschaftliche Akzeptanz homosexueller Lebensgemeinschaften in Deutschland immer besser werde, gäbe es weiterhin Schwierigkeiten und Missverständnisse.
    "Eine Benachteiligung, die sich über weite Teile des Lebens erstrecken kann"
    Zwar erlebe er im Alltag keine direkte Diskriminierung, aber hin und wieder würde er mit leichten Vorurteilen konfrontiert, so der 46-Jährige:
    "Also ein Beispiel: Wir haben eine Wohnung gemeinsam gesucht, haben sie auch gefunden, sind zum Vermieterpärchen gegangen, haben uns vorgestellt und dann wurden wir gefragt, ob die Frau noch irgendwann dazu kommt. Haben dann gesagt: Nein! Wir sind dann in die Wohnung, die hat uns gefallen und wir wollten sie haben. Denen habe ich dann auch an dem Tag, als wir den Vertrag unterschrieben haben, gesagt: Ich hätte nie gedacht, dass ich die Wohnung kriege. Und dann kam der Spruch: Menschen mit ihrem Lebensschlag, die putzen gerne und das ist für mich in Ordnung an der Stelle."
    Auch im beruflichen Alltag fühle er sich mit seiner Lebensform bei vielen seiner Kollegen nicht akzeptiert.
    "Wenn man sich mit Kollegen zusammensetzt und sich unterhält, dann redet der eine von seinem Kind und seiner Frau und andere halten sich komplett zurück. Da offen darüber zu reden, dass auch ich ein Leben neben dem Job habe, dass ich auch mit meinem Partner in den Urlaub fahre, das ist noch nicht ganz so normal. Es wird dann meistens stille, alles guckt sich an und dann sagt keiner mehr was. Oder wenn man sagt, das ist mein Mann, dann gibt es Ruhe, weil die Leute müssen sich erst mal neu sortieren, weil sie nicht damit gerechnet haben."
    Jan Stöver, der zu seinem Freundeskreis gehört und das Paar seit einigen Jahren kennt, verfolgt ebenfalls die aktuelle Debatte.
    Für ihn ist die ungleiche Behandlung von Schwulen und Lesben absolut unverständlich.
    "Ich glaube nicht, dass sie in irgendeiner Weise anders ist. Zwei Menschen leben zusammen, streiten zusammen, freuen sich zusammen, genießen irgendetwas zusammen, ich sehe da keinen Unterschied, ob man gleichgeschlechtlich oder nicht gleichgeschlechtlich ist."
    Vor allem die rechtlichen Benachteiligungen homosexueller Paare seien in unserer heutigen Gesellschaft inakzeptabel:
    "Ich glaube, dass jetzt, wenn einer der beiden im Krankenhaus landet, dass der andere Schwierigkeiten hat, entweder Entscheidungen zu treffen oder in besonderen Situationen überhaupt zu dem anderen zu kommen. Das ist natürlich eine Benachteiligung, die sich über weite Teile des Lebens erstrecken kann. Ich glaube, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, um auch diese Realität anzuerkennen und sie in Gesetzesform zu gießen."
    Adoptionsrecht: "Diese Kinder sind absolute Wunschkinder"
    Doch ein ganz besonderes Thema, was auch Dirk Jehle am Herzen liegt, ist das Adoptionsrecht für Schwule und Lesben.
    Zwar möchten er und sein Partner kein Kind, doch im Bekanntenkreis seien viele gleichgeschlechtliche Paare, die sich vergeblich nach einer Familie sehnen.
    "Diese Kinder sind absolute Wunschkinder. Und wenn ich Wunschkinder habe, kümmere ich mich um sie und pflege sie auch. Natürlich ist das Wohl des Kindes im Vordergrund - aber bei Wunschkindern? Was soll da bitte noch schwierig sein? Ich finde, wenn sich zwei Leute dazu entscheiden, Kinder groß zu ziehen, dann muss das auch klar sein. Es muss genauso klar sein, wie jedem Ehepaar. Beim Ehepaar wird das nämlich nicht gefragt."
    Es müsse noch vielmehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, als das, was bisher angeboten werde.
    Zwar bringe ihn manchmal das ständige Erklären und sich Rechtfertigen immer wieder an seine Grenzen, doch aufgeben möchte der 46-jährige Düsseldorfer nicht.
    "Ich finde es nur einfach ein Armutszeugnis, dass es immer noch nicht passiert. Ich bin da auch nicht wütend darüber, die Diskriminierung an und für sich ist ja auch nicht mit der Ehe verändert. Auch das muss man ja sagen. Es ist eine Idee, miteinander leben zu wollen. Es verändert noch nicht die Gesellschaft. Das bringt sie voran, aber es verändert sie nicht. Es sind noch viel mehr Schritte. Das ist noch schlimmer als alles andere. Aber es braucht seine Zeit."
    Heute berät das Bundeskabinett über die Angleichungen eingetragener Lebenspartnerschaften von Homosexuellen an die Ehe.
    Dass es Änderungen geben wird, daran glaubt Dirk Jehle zwar nicht, trotzdem hat er Hoffnung:
    "Ich finde, wir sind jetzt im Jahr 2015, Irland hat es vorgemacht, andere Länder auch und ich würde mir einfach wünschen, dass man diese Verbohrtheit im Kopf ein wenig aufgibt und sich einfach Menschen anguckt, die lesbisch und schwul leben, ihre Partner lieben, genau wie alle andere auch. Und dass man einfach aufhört, mit Bauchgefühlen zu argumentieren. Das wäre ein Statement von mir für diese Regierung."