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Ehe für alle

Ganz Deutschland diskutiert über die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Im Bundesrat hat ein rot-grünes Bündnis einen Antrag für die "Ehe für alle" eingebracht. Aber auch abseits der Politik engagieren sich Menschen für die gleichen Rechte bei der Eheschließung.

Von Ludger Fittkau | 21.03.2013
    Eine Atmosphäre wie in einem schicken Café: helle Sitzgruppen vor weinrot und beige gestrichenen Wänden mit asiatischen Schriftzeichen. Eine Theke reicht hinüber bis zur Bühne. Das ist die "Bar jeder Sicht", das liebevoll eingerichtete Kommunikationszentrum für Lesben und Schwule in der Mainzer Innenstadt. Die selbstverwaltete "Bar jeder Sicht" gibt es nun schon seit zehn Jahren, betrieben wird sie von Freiwilligen wie Joachim Schulte:

    "Alle Menschen, die hier arbeiten, arbeiten ehrenamtlich. Wir haben sechs Tage in der Woche geöffnet und bieten am Abend von 18 Uhr bis Open End Veranstaltungen an. Man kann natürlich etwas essen, trinken, sich treffen hier, das ist einfach ein Ort der Begegnung."

    Joachim Schulte engagiert sich auch politisch - im "Queernet Rheinland-Pfalz", einem Zusammenschluss schwuler und lesbischer Interessenverbände im Land. Schulte ist glücklich über die aktuelle Bundesratsinitiative der rot-grünen Landesregierung zur Einführung der Homo-Ehe. Er lobt aber auch die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner für ihre Haltung zum Thema. Sie wirbt in der Union für eine steuerrechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen vor allem beim Ehegattensplitting:

    "Frau Klöckner hat unglaublich viel bewegt innerhalb der CDU. Sie ist sehr offen auch auf uns zugegangen, sie hat das Gespräch gesucht, hat den Austausch gesucht, tut das auch nach wie vor und dafür sind wir ihr erst mal sehr dankbar. Es gibt durchaus andere Stimmen in der CDU, hat Jahrzehnte andere Stimmen in der CDU gegeben, die jeglichen Kontakt, jegliches Gespräch verweigert haben."

    Vor allem ältere CDU-Mitglieder in den ländlichen Räumen an Rhein und Mosel tun sich noch schwer mit dem Gedanken an die Homo-Ehe. Zu spüren ist das heute bei einer Besuchergruppe im Mainzer Landtag, der nur wenige hundert Meter entfernt liegt von der "Bar jeder Sicht". Zu den Besuchern, die aus Dörfern und Kleinstädten des Umlandes angereist sind, gehört Maria Schmidtchen aus dem pfälzischen Hassloch, eine ehemalige Landtagsabgeordnete der Union:

    "Also wissen sie, da habe ich meine eigene Meinung und da haben viele ihre eigene Meinung. Man kann nichts dagegen haben, wenn jemand eine andere Art hat zu leben, aber Familie sollte Familie bleiben."

    Und auch Werner Ott, CDU-Ortsbürgermeister des Dorfes Badenheim in Rheinhessen und ehemaliger Lehrer, ist skeptisch beim Thema Homo-Ehe:

    "Ich bin nicht dafür, sagen wir mal so. Ich denke, dass ist eine nicht-natürliche Lebensgemeinschaft. Und wie wird das werden, wenn solche Kinder mal später in die Schule gehen, die werden nach der Mutter gefragt. Kinder sagen, ich habe zwei Väter. Und es gibt ja nichts Grausameres untereinander als Kinder."

    "Queernet" - Aktivist Joachim Schulte sieht das anders. Er ist selbst von Beruf Lehrer. Und er ist überzeugt: Wenn Eltern und Erzieher mit den Kindern schon im Kindergarten offen über gleichgeschlechtliche Elternpaare sprechen, dann gibt es auch später in der Schule kein Problem:

    "Kinder haben kein Interesse daran, zu diskriminieren. Kinder sind grundsätzlich offen und suchen das Andere und sind interessiert am Anderen. Und von daher gibt es keinen Grund, dieses als Argument zu nehmen und zu sagen, wir brauchen nicht die rechtliche Gleichstellung. Im Gegenteil. Es ist das Argument dafür, daran zu arbeiten, dass jede und jeder in diesem Land, und das geht weit über das Homosexuelle und die Regenbogenfamilien hinaus, dass jeder und jede in diesem Land die Möglichkeit zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hat."

    So sieht das auch die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt von den Grünen. Sie wird morgen im Bundesrat gemeinsam mit Hamburg den Gesetzentwurf zu einer "Ehe für alle" einbringen. Damit soll eine vollständige rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe erreicht werden. Dies sei jedoch nur ein Teil des Aktionsplans für das "Regenbogenland" Rheinland-Pfalz, versichert Irene Alt:

    "Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen, wo wir die Rechte der gleichgeschlechtlichen Menschen, auch der Transsexuellen, der Bisexuellen, der intersexuellen Menschen stärken wollen. Da haben wir einen Maßnahmeplan mit 120 Maßnahmen auf den Weg gebracht, wir haben eine Zielvereinbarung mit "Queernet" unterschrieben. Also für uns ist das ein folgerichtiger Schritt, dass wir diesen Gesetzentwurf auf den Weg bringen."

    Joachim Schulte: "Rheinland-Pfalz hat seit der rot-grünen Koalition einen enormen Fortschritt gemacht. Das ist nicht zuletzt Ministerin Irene Alt zu verdanken, die sich persönlich sehr dafür eingesetzt hat, dass dieses Thema auch nach oben kommt, dass wir auf der Agenda stehen und hier die rechtliche Gleichstellung und auch die gesellschaftliche Akzeptanz befördert wird."

    Neuerdings gibt es außerdem in den Städten Mainz und Wiesbaden schwule SPD-Oberbürgermeister. Für die Ehrenamtlichen des Mainzer Kommunikationszentrums "Bar jeder Sicht" ist das ein wichtiges Signal: Sie hoffen, dass ihr Projekt und das politische Netzwerk "Queernet Rheinland-Pfalz" langfristig abgesichert werden. Denn noch gibt es für beides keine öffentliche Förderung, moniert Queernet-Sprecher Joachim Schulte:

    "Es geht nicht nur um die gleichen Rechte, es geht auch um die gleichen Ressourcen. Wir brauchen, um diese Akzeptanzarbeit, um diese Antidiskriminierungsarbeit zu machen, eine Unterstützung, wie sie in jedem anderen gesellschaftlichen Bereich vollkommen selbstverständlich ist."

    Schulte meint Antirassismusprojekte oder etwa die Behindertenarbeit. Doch auch ohne öffentliche Mittel geht es in den Ballungsräumen des Landes sichtbar voran mit der konkreten Utopie vom "Regenbogenland Rheinland-Pfalz". Die Gesetzesinitiative "Ehe für Alle" soll das morgen auch im Bundesrat zum Ausdruck bringen.

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