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Ehrliche Malocher im Dienste des Rock 'n' Roll

Sie war Zeit ihrer Karriere ein Geheimtipp, trotz prominenter Bewunderer und einer Grammy-Nominierung: die schwedische Band The Soundtrack Of Our Lives. Seit mehr als 15 Jahren ist das Sextett aus Göteborg aktiv und ist damit eine der dienstältesten Bands aus Schweden.

Von Veit König | 23.06.2012
    "Es geht darum, überwältigt zu werden. Wir wollen, dass die Leute dieses Gefühl haben. Wenn jemand zu einem Soundtrack-Of-Our-Lives-Konzert geht, soll er total glücklich sein, wenn er wieder geht. Wir tun unser Bestes, damit das passiert, für uns und für alle anderen im Raum."

    Der bärtige und schwergewichtige Sänger Ebbot Lundberg weiß genau, was er mit seiner Band The Soundtrack Of Our Lives erreichen will. Und er weiß auch, wie er es erreichen kann. Kein Wunder - Lundberg hat eben die nötige Erfahrung. Seit etwa 30 Jahren ist er als Sänger aktiv. 1986 gründet er in Göteborg mit Freunden die Band Union Carbide Productions.

    Eine Verbindung von 60er-Jahre Rock und Punk – zu einer Zeit, als der schwedische Popmusikexport vor allem aus Roxette besteht, stehen Union Carbide Productions mit dieser Mischung ziemlich alleine da. Und sind damit so etwas wie Pioniere der alternativen Rockmusik in Schweden. Bands wie The Hives oder The Hellacopters dürfen sich bedanken.

    "Es war eine seltsame Zeit, der Tiefpunkt von allem. Alle Musiker, die du früher gehört hattest, wie Lou Reed oder David Bowie, haben nur noch Scheiß-Alben gemacht. Also mussten wir unsere eigene Band gründen. Wir waren mit dem, was wir gemacht haben, ziemlich allein. Wir haben uns auch nicht als Rockband gesehen, mehr als eine Art Ping-Pong-Team."

    Dieses Ping-Pong-Team erntet große Anerkennung in Schweden und im Ausland – kommerziell erfolgreich sind Union Carbide Productions allerdings nie. 1993 wird die Band aufgelöst. Doch bereits zwei Jahre später gründet Lundberg mit den beiden Gitarristen Björn Olson und Ian Persson die Nachfolgeband The Soundtrack Of Our Lives.

    Der Einfluss von Punk ist weitestgehend verschwunden. Die Musik der neuen Band konzentriert sich voll und ganz auf den klassischen Rock der 60er- und 70er-Jahre – es darf auch gerne mal ein bisschen progressiv oder psychedelisch zugehen. Und auch neue Ziele sind für The Soundtrack Of Our Lives schnell gefunden:

    "Ich habe die David Letterman Show gesehen und dort hat die Band Deep Blue Something gespielt. Es war wirklich schlecht. Ich habe gedacht: Wir sollten die Welt verbessern und bei Letterman spielen. Das war unser Ziel. Und nach fünf Jahren haben wir das auch geschafft."

    Die ersten beiden Alben sind zwar in Schweden sehr erfolgreich, werden im Ausland aber kaum wahrgenommen. Das ändert sich 2002 mit dem dritten Album "Behind the Music": Das Album wird für einen Grammy in der Kategorie "Bestes alternatives Album" nominiert. Ein kommerzieller Schub für die Band, der allerdings auch seine Kehrseite hat.

    "Vieles hat sich verändert, auch die Menschen um uns herum. Vor allem die, die uns vorher sehr schlecht behandelt haben, haben uns plötzlich sehr gut behandelt. Dafür wolltest du sie einfach nur umbringen. Es war interessant, diese Seite kennen zu lernen. Aber für mich persönlich war es etwas zu viel, weil es den Fokus von der Musik genommen hat. Plötzlich ging es um Ruhm, und deswegen machen wir das nicht. Wir haben danach auch zu viel getourt und so was. Wir waren nach diesem ganzen Hype sehr erschöpft."

    Das unermüdliche Touren ist zwar anstrengend, festigt aber auch die sehr loyale Fangemeinde. Denn die Konzerte der Band sind ein besonderes Erlebnis, das nicht selten an einen überlangen und ziemlich wilden Gottesdienst erinnert. Wer die Band einmal live gesehen hat, der kommt wieder - ganz bestimmt

    "Es ist sehr organisch, wie ein Jazzkonzert. Wir planen nicht besonders viel. Jeden Abend gibt es eine andere Setliste. Ich plane auch nicht, was ich zwischen den Stücken sage. Wenn ich überhaupt etwas sage. Wenn jemand ausflippen will, auch jemand aus der Band, dann ist das okay. Alles kann passieren, es ist nicht vorhersehbar."

    Es ist diese Authentizität, die den Reiz von The Soundtrack Of Our Lives ausmacht. Hier ist eine Band, die Rockmusik noch als harte Arbeit begreift. Keine von den Göttern geküssten Künstler, die über den Dingen schweben. Sondern ehrliche Malocher im Dienste des Rock 'n' Roll, die sich einem angenehm altmodischen Arbeitsethos verpflichtet fühlen:

    "Du weißt ja nie, was passieren wird. Aber eines sollte dir klar sein: Sieh zu, dass du niemals Scheißtexte oder Scheißmusik schreibst. Denn das wirst du bereuen. Ich würde nicht sagen, dass alles, was wir gemacht haben, 100 Prozent großartig ist. Aber zumindest 95 Prozent."

    Bescheidenheit geht anders. Aber irgendwie nimmt man der Band diese charmante Großkotzigkeit nicht übel. Denn im schnelllebigen und manchmal etwas unübersichtlichen Musikzirkus sind The Soundtrack Of Our Lives vor allem eins: zuverlässig. Eine zuverlässige Institution.

    "Es gibt da ein Zitat, das wir irgendwo gelesen haben: The Soundtrack Of Our Lives ist die beste Post-Space-Rock-Band in der Geschichte des Trommelfells. Das finde ich ganz gut. Aber sonst - geh zum Konzert und bilde dir deine eigene Meinung. Für mich ist es einfach Magie!"