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Eierstock auf Eis

Medizin. - Muss sich eine Frau nach einer Krebsdiagnose einer Strahlen- oder Chemotherapie unterziehen, können auch ihre Eierstöcke Schaden leiden, im schlimmsten Fall kann sie unfruchtbar werden. Besonders für junge Patientinnen ist das ein großes Problem. Üblicherweise wird heute versucht, Eizellen zu entnehmen und einzufrieren. Eine Alternative könnte die Konservierung eines Teils des Eierstocks sein. Auf dem 30. Deutschen Krebskongress in Berlin wurden die ersten Erfolge dieser Methode vorgestellt.

Von Marieke Degen | 24.02.2012
    Ein ganz normales Familienfoto. Vater und Mutter strahlen in die Kamera, das Baby sitzt auf dem Schoß. Das Baby ist im Oktober auf die Welt gekommen, und das war alles andere als selbstverständlich. Seine Mutter hatte Krebs. Vor ein paar Jahren war sie am Hodgkin-Lymphom erkrankt, die Chemotherapie hat ihre Eierstöcke zerstört. Doch die die Patientin hatte vorgesorgt. Sie hatte sich vor der Chemotherapie einen halben Eierstock entnehmen und einfrieren lassen.

    "Und die Patientin ist dann an uns herangetreten, und hat gesagt, sie ist gesund, fünf Jahre nach der Erkrankung oder diesem Rezidiv."

    Andreas Müller leitet die Kinderwunschabteilung an der Universitätsfrauenklinik in Erlangen.

    "Keine Metastasen, sie ist rezidivfrei und hat jetzt Kinderwunsch und hat einen Partner und möchte dieses Gewebe wieder zurücktransplantiert haben."

    Die Ärzte haben das Eierstockgewebe wieder in den Körper der Patientin eingepflanzt. Kurz darauf hatte sie ihre erste Menstruation, aber schwanger wurde sie erst einmal nicht. Die Ärzte mussten ein bisschen mit Hormonen nachhelfen, damit es zum Eisprung kam. Müller:

    "Aber die Schwangerschaft ist dann ganz natürlich zustande gekommen, die Patientin hatte ganz normalen Geschlechtsverkehr mit ihrem Partner und ist dann auf natürlichem Wege schwanger geworden."

    Es ist das erste Mal, dass in Deutschland ein Kind nach solch einer Eierstocktransplantation geboren worden ist. Das Kind von einer zweiten Patientin ist unterwegs. Weltweit hat es bislang 18 Geburten nach einer Eierstocktransplantation gegeben. Die Methode scheint also zu funktionieren. Trotzdem bleiben manche Experten erstmal skeptisch. Darunter der Reproduktionsmediziner Klaus Diedrich aus Lübeck.

    "Es ist nach wie vor in einem experimentellen Stadium, würde ich sagen. Meine persönliche Meinung ist, dass es günstiger ist, Eizellen zu gewinnen vor der Chemotherapie und diese dann einzufrieren. aber grundsätzlich sollte man alles tun, was irgendwie die Fertilität der Frau erhalten kann."

    Einzelne Eizellen einfrieren, das ist heute Standard. Wenn die Frau wieder gesund ist und ein Kind haben möchte, dann kann sie sich künstlich befruchten lassen. Das funktioniert auch ganz gut. Doch die Entnahme der Eizellen hat ihre Tücken. Die Frauen müssen dafür zwei Wochen lang mit Hormonen behandelt werden. Erst danach kann die Chemotherapie beginnen. Außerdem ist noch nicht ganz klar, ob sich die Hormone auf den Krebs auswirken. Das Eierstockgewebe kann man sofort entnehmen, ohne Hormone, und, so Müller,


    "wir haben hunderte bis tausende von primordialen Follikeln, also ganz frühen Formen von Eizellen, die eingefroren sind, und nicht nur acht, neun oder zehn befruchtete oder auch unbefruchtete Eizellen, sondern wir haben eine viel größere Reserve."

    Gerade bei jungen Mädchen könne man so die Fruchtbarkeit erhalten, sagt Andreas Müller.

    "Man muss ganz klar sagen, präpubertäre, pubertäre Mädchen, also sehr sehr junge Patientinnen, bei denen hat man keine Chance, Eizellen zu gewinnen und einzufrieren, da geht nur Ovarialgewebe. Es gibt Bestrebungen, erste Versuche bei Patientinnen im Kindesalter, drei, vier Jahre, Ovarialgewebe zu entnehmen."

    In Erlangen und Lübeck zum Beispiel können die Patientinnen heute schon Eizellen und Eierstockgewebe einfrieren lassen. Trotzdem: Die Eierstocktransplantation hat auch ihre Schattenseiten. Denn das Eierstockgewebe einer Krebspatientin kann ebenfalls Tumorzellen enthalten.

    "Das ist das Risiko dieser Methode, dass man die Tumorerkrankung, die vor Jahren erfolgreich therapiert worden ist, dass man die wieder neu aufkommen lässt in der Patientin, wenn man Gewebe transplantiert, wo Tumorzellen drin sind. Das muss man natürlich vermeiden."

    Bei einem Hodgkin-Lymphom ist das Eierstockgewebe frei von Krebszellen. Das könne man problemlos wieder zurücktransplantieren, sagt Andreas Müller. Das gleiche gilt für Brustkrebs – vorausgesetzt, er hat noch nicht gestreut.

    "Bei Leukämien, der häufigsten Erkrankung im Kindesalter, muss man ganz klar sagen, das Gewebe kann man nicht retransplantieren, also zurückgeben in die Patientin, weil bei Leukämieerkrankungen immer Tumorzellen im Eierstock sind, bei Non-Hodgkin-Lymphomen, also andere Lymphome außer Hodgkinerkrankung, da ist es auch unsicher. Also da muss man vorsichtig sein, aufpassen, bei welcher Tumorerkrankung, und da gibt es einige, dass man dort das Gewebe nicht zurücktransplantieren darf."

    Solchen Patientinnen können im Moment nur auf die herkömmliche Methode setzen und einzelne Eizellen einfrieren lassen. Die können später bei einer künstlichen Befruchtung gefahrlos zurück in die Gebärmutter gesetzt werden.