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Ein Assistent für mehr Privatsphäre

Forscher des Darmstädter Fraunhofer-Instituts ermitteln, ob und wie das Software-Design von Facebook die Nutzer zu laschem Privatsphärenschutz animiert. Ihre Erkenntnisse: Der Weg zu einem guten Schutz persönlicher Angaben ist meist lang, kleinteilig und ermüdend. Eine externe Software könnte Abhilfe schaffen.

Von Peter Welchering | 17.08.2013
    "Wir müssen uns definitiv viel genauer anschauen, wie die Nutzer diese Netzwerke verwenden, welche Nutzungsszenarien es gibt, was die Technik damit zu tun hat. Das ist mir ein ganz wichtiger Punkt. Es gibt viele Forschungen auch gerade aus dem US-amerikanischen Raum, auch sehrgute Forschung, die sich damit beschäftigt: Was nutzt es zum Beispiel, negative Erfahrungen mit sozialen Netzwerken zu haben? Da ist immer die Frage, okay, es entstehen jetzt Probleme, Leute fühlen sich beleidigt, weil sie irgendetwas gelesen haben in einem sozialen Netzwerk, oder es wurde irgendein Inhalt geteilt, wo dann nachher Nachteile für die Person entstanden sind. Das sind interessante Beobachtungen, aber die Frage ist immer: Was hat die Technik damit zu tun?"

    Manfred Kloiber: Die Frage stellt Andreas Poller vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt. Ein wirkungsvoller Schutz der Privatsphäre in sozialen Netzwerken ist für ihn nur dann möglich, wenn die Anwender von der Software auch unterstützt werden. Aber dafür muss man die Bedürfnisse der Nutzer von sozialen Netzwerken kennen. Wie sehen da die Fakten aus, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Die unterschieden sich leider in der Vergangenheit immer ein wenig. Denn die hingen immer davon ab, mit welcher Untersuchungsmethode sie erhoben wurden. Und deshalb hat man sich auch in Darmstadt für eine Kombination von Nutzerbefragung und Analysesoftware entschieden. Und mit der Analysesoftware dokumentieren die Facebook-Teilnehmer einfach ihre eigenen Aktivitäten. Das Problem dabei: Die Teilnehmer dürfen sich natürlich nicht überwacht fühlen. Und deshalb läuft die Analysesoftware auch auf dem eigenen Rechner der Teilnehmer, kann also jederzeit von ihnen abgeschaltet werden. Sie läuft nicht auf einem Server, sodass sie volle Oberhoheit über diese Software haben. Und die Teilnehmer entscheiden, welche Daten sie denn an die Forscher weiterleiten. Und das Ziel soll eben sein: Ein Design, das dann entwickelt wird, das den Nutzungsgewohnheiten der Teilnehmer in den sozialen Netzwerken weitgehend Berücksichtigung schenkt, sodass dann eben auch die Teilnehmergewohnheiten und die technische Machbarkeit des Designs von sozialen Netzwerken gleichermaßen an der Entwicklung neuer Plattformen beteiligt werden können.

    Kloiber: Privatsphäre ist auch eine Sache der Software. Doch hier gelten nach wie vor die Gesetze des Dual Use: Eine Software kann einerseits Daten und die Privatsphäre schützen. Und andererseits kann sie auch durchaus zu schlimmen Verletzungen der Privatsphäre führen. Deshalb ermitteln die Forscher am Darmstädter Fraunhofer-Institut, wie zum Beispiel Facebook-Nutzer mit ihren Privatsphäre-Einstellungen umgehen.


    Beginn Beitrag:



    Nicht erst seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass Geheimdienste soziale Netzwerke intensiv auswerten. Auch Unternehmen machen das. Umso wichtiger ist es für den Anwender, ganz genau festlegen zu können, wer welche Daten, Nachrichten und Informationen von ihm erfahren darf. Doch die herkömmlichen Privatsphäre-Einstellungen von sozialen Netzwerken helfen da nicht unbedingt weiter. Das hat Andreas Poller in seinen Analysen herausgefunden:

    "Bei Facebook sind die Privatsphäreeinstellungen zurzeit so, dass sie sich relativ stark darauf fokussieren, dass, wenn sie aktiv Inhalte dort reinstellen zum Beispiel, im Newsfeed eine Nachricht hinterlassen, dass sie dann relativ genau einstellen können, wer das sehen soll. Das Problem ist noch an der ganzen Geschichte, dass eine feinere Konfiguration, dass Sie sagen, Tante Erna soll das sehen, aber Freund XY eben nicht, dass das relativ aufwendig ist."

    Und weil das so kompliziert ist, bleiben die Privatsphäre-Einstellungen dann völlig unzureichend.

    "Dort müssen Sie sich durch relativ viele Einstellungen durcharbeiten, müssen Gruppen bilden und so weiter. Und wir wissen zum Beispiel aus der Wissenschaft, dass dieses Konzept, dass Leute vorher bestimmte Gruppen bilden und sagen, das ist jetzt eine Gruppe Bekannte, das ist jetzt eine Gruppe Arbeitskollegen, und das dann im Prinzip bestimmten Einträgen, die sie teilen wollen, dann zuzuordnen, dass das in der Praxis wenig funktioniert. Die Leute sind in der Lage, Gruppen an und für sich zu bilden, also sie sind intellektuell-kognitiv dazu in der Lage, aber können die dann meist nicht anwenden, weil es dann häufig Sonderfälle gibt und irgend so etwas."

    Eben diese Sonderfälle sollen Softwaremodule leichter umsetzen können. Dazu müssen aber Programmdesigns entwickelt werden, die die Nutzungsgewohnheiten der Anwender genauer abbilden. Andreas Poller:

    "Was relativ interessant ist für Netzwerkbetreiber ist, dass zum Beispiel wir festgestellt haben, dass Timeline-Postings, also Einträge auf dem Timeline-Newsfeed bei Facebook, hauptsächlich dafür genutzt werden, um mit entfernteren Bekannten zu kommunizieren. Also wenn Sie mit engeren Bekannten kommunizieren wollen, dann nehmen Sie meist andere Funktionen, Chats, teilweise auch nicht zwingend im sozialen Netzwerk, sondern Applikationen wie Whatsapp, und dass diese anderen Sachen, die sie in die Timeline hängen, möglicherweise eher für entferntere Bekannte interessant ist."

    Also muss eine Software her, die erkennen kann, wie die Beziehungsverhältnisse zwischen den Anwendern eines sozialen Netzwerkes genau aussehen. Das setzt auch die relativ komplexe Definition von engeren Bekannten und weiter entfernten Bekannten voraus. Hier müssen Kriterien aus dem Nutzungsverhalten jedes einzelnen Anwenders entwickelt werden.

    "Da kann die Software erkennen, was sind enge Bekannte, was sind weiter entfernte Bekannte, und kann dann wiederum bei bestimmten Funktionen Hilfe anbieten, um dann zu sagen, diesen Inhalt, zwei Gruppen, nämlich entfernte Bekannte und engere Bekannte, die haben wir jetzt erkannt in der Software, und jetzt kannst Du sozusagen leichter entscheiden, mit wem du was teilen wirst. Das wäre zum Beispiel eine Variante."

    Assistenzsysteme sollen den Nutzern konkrete Vorschläge machen, wie sie ihre Privatsphäre und ihre Informationen besser schützen.

    "Wir haben in unseren Studien erlebt, dass Leute, wenn sie ein Posting haben auf der Timeline bei Facebook, dass sie dann anfangen mit 2 bis 3 Personen das zu kommentieren, und zwar wechselseitig und in relativ kurzen Zeitabständen. Es ist so, dass das dann teilweise in eine Art Chat ausartet. Dieser Chat offenbart natürlich für alle, die diesen Post sehen können, private Informationen, weil dann auf einmal zwei Leute miteinander reden, weil das aus der Situation entstanden ist, einfach eben diese Funktion von Facebook nutzen."

    Das Assistenzsystem schlägt dann vor, in die Chat-Funktion zu wechseln. Weil dort die privaten Informationen, die zwei Anwender offenbar miteinander austauschen, besser geschützt wären. Wichtig ist, dass solche Assistenzfunktionen ständig verändert werden, da sich das Nutzungsverhalten der Anwender mit der Zeit auch verändert. Und hier haben schon kleine Nuancen einer Verhaltensänderung große Wirkung.