Dienstag, 16. April 2024

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"Ein Außenminister muss eine besonders starke Persönlichkeit sein"

Der Publizist Walther Stützle bemängelt, dass Guido Westerwelle im Außenamt kaum politische Akzente gesetzt habe. Die Europapolitik habe er der Kanzlerin überlassen. Ebenso sei es Aufgabe der deutschen Diplomatie darauf hinzuweisen, dass die NATO für ihre derzeitigen Militäraktionen in Libyen kein UN-Mandat habe.

Walther Stützle im Gespräch mit Jasper Barenberg | 30.08.2011
    Jasper Barenberg: Mitgehört hat auf der anderen Leitung der Publizist Walther Stützle, unter anderem tätig für die Stiftung Wissenschaft und Politik als Fachmann für Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Einen schönen guten Morgen, Herr Stützle.

    Walther Stützle: Guten Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Welchen Reim machen Sie sich auf die vehemente Verteidigung, die wir gerade aus dem Mund von Jürgen Koppelin, dem FDP-Politiker, gehört haben?

    Stützle: Nun, das ist verständlich, wenn Sie einen Parteifreund fragen, dass er, wenn er nicht alle guten Sitten vergessen hat, seinen Parteifreund und früheren Vorsitzenden verteidigt. Aber das ist, glaube ich, in Wahrheit nicht das Thema. Das Thema ist: Wie steht es um die Außenpolitik der Bundesrepublik und welche Rolle spielt dabei ein Außenminister?

    Und dabei muss man wirklich sagen, anknüpfend an das vorherige Gespräch: Es stimmt ja, der Außenminister und die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin, haben in der Sache Libyen richtig entschieden. Sie haben Deutschland nicht militärisch mit hineingezogen. Allerdings haben sie versäumt, dieses politisch und diplomatisch handwerklich sauber und nützlich umzusetzen, und das ist die eigentliche Katastrophe, wenn man von einer Katastrophe sprechen will. Das ist der eigentliche politische Unfall, nicht der Kern der Entscheidung, sondern die Umsetzung der Entscheidung. Und man sollte mal die Frage stellen, warum es auch öffentlich Frankreich und Großbritannien so völlig kritiklos gelungen ist, einen Krieg vom Zaun zu brechen gegen Libyen, mit Hilfe des NATO-Generalsekretärs, der mittlerweile auch rechtlich höchst fragwürdig ist, denn für das, was die NATO jetzt veranstaltet, die Bombardements und die systematische Suche nach Gaddafi und seiner Familie, hat die NATO kein Mandat der Vereinten Nationen.

    Und es wäre Aufgabe der deutschen Außenpolitik, mit stiller und beharrlicher Diplomatie – und dafür hat sie alle hoch qualifizierten Mitarbeiter und Instrumente – in den entsprechenden internationalen Gremien dafür zu sorgen, dass dieser Politik Einhalt geboten wird und da das Gewicht der Bundesrepublik eingebracht wird.

    Barenberg: Kritisiert – und das habe ich im Gespräch mit Herrn Koppelin ja auch gerade angesprochen – wird ja die rechthaberische Attitüde, wenn ich es mal so auf den Punkt bringen darf, die der Außenminister an den Tag gelegt hat jetzt im Nachgang zu den Ereignissen und im Rückblick auf die Entscheidung der Bundesregierung. Ist das für Sie stichhaltig, oder weit hergeholt, wie es Herr Koppelin gerade gesagt hat?

    Stützle: Ein Außenminister muss eine besonders starke Persönlichkeit sein. Er muss offen sein für die Beratung. Er muss offen sein für politische Ziele, möglichst seine eigenen Ziele, die er öffentlich nennt, und muss die beharrlich verfolgen. Hans-Dietrich Genscher, Willy Brandt, um mal zwei große Namen zu nennen, könnten da ein Vorbild sein. Und das ist natürlich für einen Außenminister in dieser schwierigen Zeit eine außerordentlich starke Herausforderung, und der kann man eigentlich nur gerecht werden, wenn man seinen eigenen Kurs sehr deutlich macht.

    Es fällt ja auf, dass der Bundesaußenminister in der Europapolitik ziemlich abwesend ist, und da gäbe es ja genügend Spielraum und genügend Notwendigkeit, seine eigenen Akzente zu setzen. Das ist schwierig in einer Koalitionsregierung, zumal wenn die Bundeskanzlerin sich dieses Feld gern selber zu eigen macht, aber es wäre notwendig, eine geführte und gescheite Diskussion über die Europapolitik zu führen. Dieses Feld hat der Außenminister leider bisher nicht besetzt. Da müsste eigentlich die Kritik ansetzen.

    Das Interessante an der Debatte über den Außenminister, an der gegenwärtigen Debatte über den Außenminister ist ja, dass die Kritiker, die ihn kritisieren, selber gar kein Konzept anbieten, sondern in Sachen Libyen jetzt der Verherrlichung des Krieges das Wort reden und in Sachen Europa selber nicht wissen, was sie wollen. Da wäre aber das Feld konzeptionell zu besetzen, und da könnte man Kritik üben, in der Tat.

    Barenberg: Die Einschätzung von Walther Stützle, dem Publizisten und Fachmann für Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der ehemalige Chef des Friedensforschungsinstitutes SIPRI. Herr Stützle, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Stützle: Danke Ihnen, Herr Barenberg.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.