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"Ein berechtigter Zugang"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will Suchmaschinenbetreiber, die Texte von Presseverlagen in ihren Suchergebnissen verwenden, zur Kasse bitten. Eine bloße Verlinkung sei dabei jedoch keine geldwerte Handlung.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Karin Fischer | 15.06.2010
    Karin Fischer: Im Zentrum des Urheberrechts stehen der kreative Mensch und sein Werk, sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und versprach gleichzeitig mit Blick auf die Besitzstandswahrer, keine Schonräume für Geschäftsmodelle schaffen zu wollen, Zitat, "deren Zeit abgelaufen ist". Mit ihrer Berliner Rede zum Urheberrecht gestern Abend in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wollte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Debatte eröffnen, wie der notwendige Schutz des geistigen Eigentums im Netz besser funktionieren könnte. Zum großen Thema Raubkopien hat sie zunächst klargestellt, dass es Netzsperren wie in Frankreich nicht geben wird, dort ist es möglich, nach drei Verstößen den Internetanschluss des Users zu kappen. Stattdessen will sie die Provider stärker in die Pflicht nehmen. Ich habe die Bundesjustizministerin zuerst gefragt, wie das gehen soll.

    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Also, zunächst einmal ist es wirklich wichtig, deutlich zu machen, dass die Sperrung des Zugangs zum Netz ein ganz massiver Eingriff nicht nur für denjenigen ist, der illegal was runterlädt, sondern vielleicht für die gesamten Familien, die den einen Anschluss mitbenutzen. Deshalb gehen wir diesen Weg nicht, den eben Frankreich sich vorgenommen hat. Die Provider stärker in Verantwortung zu nehmen ist natürlich ein Versuch, deutlich zu machen, da sie ja viel näher dran sind auch an dem, was sie selbst anbieten, aber eines ... Das ist auch schwierig, die stärker in die Verantwortung zu nehmen, da braucht man gar nicht drum herum zu reden, deshalb überlegen wir ja, ob es hier deutlichere Hinweise geben kann für die jeweiligen Nutzer, damit sie informiert sind darüber, ob hier illegal etwas heruntergeladen wird oder nicht und ihr Verhalten ändern können. Ich denke, das ist ganz anders zu versuchen, die Verantwortung auch hier der User zu stärken, als mit so dirigistischen Maßnahmen vorzugehen.

    Fischer: Das Argument gegen solche Stoppschilder ist natürlich auch schon auf dem Markt, also die Telekom, die meinen Anschluss bereitstellt, hört ja auch nicht meine Telefongespräche mit, Provider müssten aber genau das tun, ihre Kundschaft im Netz nämlich permanent belauschen beziehungsweise beobachten. Das wird erstens teuer und zweitens sehr wahrscheinlich auf nicht viel Gegenliebe stoßen.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich ist alles mit auch immer Auswirkungen, Risiken verbunden, deshalb war das ja eine Überlegung, die mal hier angestellt wurde. Und ich denke, es ist ganz entscheidend, mit gerade auch den Providern hier zu sprechen und zu überlegen, was kann man gemeinsam tun, ohne dass es zu einer Überwachung und pausenlosen Abgleichung dessen kommt, was ein User im Netz unternimmt, denn eine Rundumüberwachung, das wird es überhaupt nicht geben, das darf es nicht geben, und wenn das technisch nur in einer Weise zu realisieren wäre, dass das eintritt, dann ist das eben keine Alternative.

    Fischer: Sie haben sich, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, weiter gegen eine Kulturflatrate ausgesprochen, künstlerische Inhalte im Netz sollen dem Markt unterliegen, es soll keine Internet-GEZ geben. Das ist ein populäres Schlagwort, das Ihnen sicher viele Sympathien einbringt, aber ist nicht die Geräteabgabe strukturell gesehen fast das Gleiche?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Also, ich denke, es ist schon etwas anderes, wie wir klassisch im Urheberrecht auf bestimmte Geräte, die genau eine ganz bestimmte Funktion haben, nämlich das Kopieren, das Vervielfältigen, multifunktional sind, eben hier auch versuchen, einen Betrag zu erheben, der dann eben ganz bestimmte Vorgänge erfasst. Ich denke, wenn wir das alles wegnehmen und machen eine allgemeine Kultur-Flatrate – mit natürlich auch riesigen Problemen des Erhebens, da darf man auch sich nichts vormachen, und noch größeren Problemen des gerechten Verteilens –, dann, glaube ich, kommen wir wirklich zu sehr weg von der Einzelbetrachtung auch dessen, was es an Vorgängen gibt, die das Urheberrecht berühren, und deshalb sehe ich eben nur offene Fragen mit der Kultur-Flatrate und keine Antworten.

    Fischer: Ein sehr kompliziertes Thema ist das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, auch das soll im sogenannten Dritten Korb des Urheberrechts verankert sein. Was genau verbirgt sich dahinter?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Dahinter verbirgt sich, dass ja Presseartikel, Informationen nicht ihren Neuigkeitswert mehr so verlieren wie das früher der Fall war, weil sie ja viel länger auch im Netz sind. Also, die Tageszeitung von gestern oder die Tagesschau von gestern hat mit einmal ein ganz anderes Bedürfnis auch geweckt, auch künftig zugreifbar zu sein. Und ich denke, dass wir auch angesichts der teilweisen Verwendung von Presseartikeln durch Suchmaschinen, durch andere sehen müssen: Wie können wir den Presseverlagen bei der Verwendung ihrer Produkte, für die sie wirtschaftlich ja auch mit vollem Risiko stehen, auch daran einen Anteil geben? Also, wie können sie an diesem wirtschaftlichen Produkt auch eben mit verdienen, zu recht? Da wollen wir aber natürlich zum Beispiel nicht Verlinken jetzt auch zu einer geldwerten Handlung machen, das soll ausgenommen sein. Es wird darum gehen in erster Linie, was die Suchmaschinen beizubringen haben, die ja mit vielen Pressetexten in ihren Angeboten arbeiten und wie weit sie dort entsprechend auch das in einem gewissen Umfang mit einem gewissen Entgelt dann auch bezahlen müssen. Das, meine ich, ist ein berechtigter Zugang.

    Fischer: Sie haben mit dieser Rede einen großen Schritt für die Urheber getan und wenig über die Freiheit im Netz geredet. Das irritiert nun doch viele.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich habe sehr viel über die Freiheit im Netz geredet, indem ich ja genau die Bandbreite aufgezeigt habe zwischen Urheberrecht, das natürlich auch nach wie vor Grundlage von Kreativität und geistiger Arbeit ist, aber auch den Besonderheiten mit der Entwicklung des Netzes, habe deshalb auch klar gemacht, es gibt nichts, was auf Vorrat an Daten von Nutzern gespeichert wird, also, eine Vorratsdatenspeicherung übertragen auf das Verhalten von Usern im Netz. Ich denke, ich habe da deutlich gemacht: Manche Wünsche, gerade auch derjenigen, die Inhaber von Schutzrechten oder Verwertungsrechten sind, gehen mit mir nicht in Erfüllung, weil ich die Freiheit des Netzes so schätze.

    Fischer: Das war Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum Schutz von Autor und Urheberrechten in der digitalen Welt.