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Ein CDU-Kämpfer für die Homo-Ehe

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die Homo-Ehe muss beim Ehegattensplitting mit der Ehe gleichgestellt werden. Schon vor dem Urteil war der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg, Thomas Strobl, für die Gleichbehandlung eingetreten. Damit macht er sich in der Partei nicht nur Freunde.

Von Barbara Roth | 13.06.2013
    Strobl sagt: "Wo gleiche Pflichten sind, muss es auch gleiche Rechte geben."
    Strobl sagt: "Wo gleiche Pflichten sind, muss es auch gleiche Rechte geben." (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    "Da, wo die Frauen etwa in der CDU anders denken als die Männer, denken die Frauen so, wie die Mehrheit in der Bevölkerung denkt."

    Karlsruhe, am vergangenen Samstag. Thomas Strobl schmeichelt den Damen im Saal. Es tagt die Frauenunion Nordbaden. Ihr Thema "Frauen im Fokus" – die baden-württembergische CDU soll weiblicher werden, denn Man(n) will mit Frau neue Wähler anlocken. Es spricht der Landesparteichef, dem es fast peinlich ist, dass nur 22 Prozent seiner Mitglieder weiblich sind. In keinem anderen CDU-Landesverband ist der Frauenanteil so niedrig.

    "Die Frauen in der CDU sind offensichtlich etwas näher dran an dem, was sich in der Gesellschaft an Trends entwickelt, wie Meinungen in der Gesellschaft sind als die Männer. Mit anderen Worten: Wer wissen will, wie die Baden-Württemberger ticken, der muss die Frauen in der CDU fragen."

    Thomas Strobl, 53, Jurist, Bundesvize seiner Partei, seit 1998 Bundestagsabgeordneter in Heilbronn mit hörbarem schwäbischem Zungenschlag, gibt am Rednerpult alles: Er rudert mit den Armen, wippt auf den Zehenspitzen. Wenn er mal ruhig steht, bildet er mit den Händen eine Raute – wie es seine Chefin Angela Merkel tut.

    "Es hat sich in der CDU Baden-Württemberg kolossal etwas geändert. Es gibt diese Sprüche nicht mehr, die es noch vor zwei Jahren gegeben hat, wo mir Fraktions- und Ortsvorsitzende sagten: Wir haben doch schon die Angela Merkel und die ist wohl eine Frau und das langt doch. Diese Sprüche gibt es nicht mehr in der CDU Baden-Württemberg."

    Die Machos in der Landes-CDU sind verstummt - verstummt mit der Abwahl von Ministerpräsident Stefan Mappus 2010. Die Christdemokraten haben nach 58 Jahren nicht nur die Macht an Grün-Rot abgegeben. Sondern geben vor, auch ihr Chauvi-Gehabe abgelegt zu haben. Und mehr noch: Aus dem eigentlich sehr konservativen Landesverband sind mittlerweile moderne Töne zu hören: Was Strobl zur steuerlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare sagt, wäre unter Mappus, auch unter Erwin Teufel undenkbar gewesen.

    "Ich glaube, dass die Karlsruher Recht haben, und werbe in der CDU schon lange dafür, dass wir uns nicht durch das Bundesverfassungsgericht zwingen lassen, die Politik so zu machen, sondern dass wir es aus einem eigenen Anspruch christdemokratischen und konservativen Denkens heraus begründen."

    Eine Forderung, mit der er bereits im vergangenen Jahr für Schlagzeilen sorgte. Doch nicht nur bei ihm zu Hause jaulten die Erzkonservativen auf. Und wischten einen entsprechenden Antrag auf dem Bundesparteitag in Hannover vom Tisch. Der Schwabe schaffte es trotzdem zum Vize der Bundesvorsitzenden – wie Ursula von der Leyen, die bei der Gleichstellung gleicher Meinung ist.

    "Wir machen ausnahmsweise ein Gruppenbild mit einem Herrn"

    Im beigen Anzug, hellblauem Hemd, fast weißem Haar und strahlendem Lächeln. Die Damen drängen sich mit ihm aufs Foto. Fragen Sie die Frauen, wie sie zur Homo-Ehe stehen? Dazu hat Strobl im Vorfeld der Veranstaltung geraten: Denn wie die würde die Mehrheit der Christdemokraten denken.

    "Wenn Menschen anders veranlagt sind, dann soll man sie nicht diskriminieren und benachteiligen, sondern das tolerieren."

    "Da müssen sich vielleicht auch die CDU-Männer ein bisschen weiterentwickeln. Alles Umdenken braucht seine Zeit."

    "In der Stadt ist das eine Selbstverständlichkeit. Ich hoffe, dass sich die CDU dort auch öffnet. Dass sie mehr Städter-Wähler bekommt. Deshalb fallen ja die ganzen Oberbürgermeister von Großstädten weg, weil die CDU zu konservativ ist."

    "Wir müssen es dann sowieso beenden, weil das Zeichen, das eine namentliche Abstimmung ist, das ist ja so laut. Da müssen wir aufhören, weil das stört sonst auch zu sehr."

    Berlin, Paul-Löwe-Haus. Strobls Büro. Drückt er seine Nase am bodentiefen Fenster platt, kann man die Reichstagskuppel sehen. Er ist auf dem Sprung rüber in den Bundestag. Sein Büro ist doppelt so groß wie die seiner Kollegen. Neben dem Schreibtisch hat noch eine Sitzgruppe Platz – die steht dem Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses für Besprechungen zu.

    "Es ist doch in Ordnung, wenn wir uns in einer solchen Frage auch schwertun. Wenn wir uns auch bekennen, dass wir uns schwertun. Und wenn wir gemeinsam auch öffentlich um den richtigen Kurs ringen."

    Dass die Karlsruher Richter am darauffolgenden Tag entscheiden werden, wusste Strobl zu diesem Zeitpunkt nicht. Er glaubt aber, dass in der Diskussion um die Gleichstellung auch eine große Chance für die CDU steckt – nämlich thematisch moderner zu werden:

    "Und die Frage ist doch die: Wie definieren wir Ehe und Familie im 21. Jahrhundert. Das kann nicht mehr, mit Verlaub, das Bild von 1960 sein. Es hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schon auch etwas verändert. Und das müssen wir aufnehmen - nach dem Motto, wo gleiche Pflichten sind, muss es auch gleiche Rechte geben. Und da spielt es für mich keine Rolle, ob das zwei Frauen, zwei Männer oder eine Frau und ein Mann sind."

    Dass er für seine Position zu Hause kräftig einstecken muss, gibt er gerne zu. Denn dass ausgerechnet ihr Vorsitzender so denkt, wollen viele Erzkonservative in seiner Baden-Württemberg-CDU nicht akzeptieren:

    "Dem Konservativen gefällt es, wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, wenn Menschen sich dauerhaft binden, wenn Menschen sagen, wir wollen in Verantwortung füreinander unser Leben gestalten. Und deswegen ist meine Auffassung, man kann nicht für die steuerliche Gleichsetzung von Partnerschaften sein, obwohl man ein Konservativer ist, sondern in Wahrheit, weil man ein Konservativer ist."

    Ganz ähnliche Argumente hört man mittlerweile auch von Wolfgang Schäuble – Strobls Schwiegervater. Ob der sich überzeugen ließ? Fakt ist jedenfalls: Seit sich der Bundesfinanzminister für die steuerliche Gleichstellung starkmacht, sind die schärfsten Kritiker still. Strobl zögert, Gespräche im Familienkreis sind eigentlich tabu. Später wird er so viel verraten: Am Esstisch sei stundenlang intensiv diskutiert und auch gestritten worden.

    "Zuweilen wird es schon so sein, dass er über das, was ich sage, nachdenkt. Das ringt mir im übrigen Respekt ab, wenn Menschen Haltungen, die sie über Jahrzehnte vertreten haben kritisch hinterfragen und überprüfen. Und ich habe mich dann gefreut, dass mit Wolfgang Schäuble und Volker Kauder wirklich zwei gestandene CDU-Repräsentanten in der Christlich Demokratischen Union geleistet haben."

    Morgen wird das Gesetz zur steuerlichen Gleichbehandlung in den Bundestag eingebracht. Den Entwurf der schwarz-gelben Koalition schrieb Thomas Strobels Schwiegervater - der Finanzminister höchstpersönlich.