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Ein ehemaliger Otpor-Aktivist berichtet

Sinisa Sikman gehört zu denen, die die 2000 das diktatorische Milosevic-Regime stürzten. Er ist Trainer im Zentrum für gewaltlosen Widerstand in Belgrad. Sikman schult Menschen, die einen Diktator loswerden wollen. Das ist ihm selbst schon mal gelungen in Serbien mit Otpor, was übersetzt Widerstand heißt.

Eine Sendung von Thomas Franke | 24.09.2005
    Ein Eichhörnchen tobt durch den Haselnussbaum. Blumen blühen, die Äste eines jungen Birnenbaums biegen sich in der Spätsommersonne unter der Last der Früchte. Nicht weit von hier hat der ehemalige Präsident Jugoslawiens, Slobodan Milosevic, bis zu seiner Verhaftung am 1. April 2001 gewohnt. Es ist ruhig in dem Belgrader Villenviertel. Von Gärten habe er keine Ahnung, sagt Sinisa Sikman. Sikman hat Mittagspause und schaut dem Eichhörnchen zu. Er gehört zu denen, die 2000 das diktatorische Milosevic-Regime stürzten. Er ist Trainer im Zentrum für gewaltlosen Widerstand in Belgrad.

    "Für jeden Job brauchst du spezielle Fähigkeiten, auch als Trainer. Zunächst mal musst du einen Zugang zu den Menschen finden. Außerdem musst du freundlich sein, und du brauchst Erfahrung, du musst wissen, worüber du redest. Und natürlich erfordert es auch eine gewisse Denkweise, du musst aufgeschlossen sein. Wir lernen jeden Tag neue Trainingstechniken und entwickeln sie weiter."

    Sikman schult Menschen, die einen Diktator loswerden wollen. Das ist ihm selbst schon mal gelungen in Serbien mit Otpor, was übersetzt Widerstand heisst. Der Diktator steht inzwischen vor dem internationalen Gerichtshof in Deen Haag und Otpor existiert nicht mehr. 2003 versuchte Sikman mit ein paar Mitstreitern, die Bewegung als Partei zu etablieren. Demoskopen bescheinigten ihnen, das Vertrauen von mehr als 60 Prozent der Bevölkerung. Aber, das Ergebnis bei der Parlamentswahl war desaströs. Otpor bekam nicht einmal 2 Prozent der Wählerstimmen.

    "Wenn eine Organisation stirbt, dann gibt es viele Möglichkeiten, etwas Neues zu machen. Otpor kam ja auch nicht aus dem Nichts. Es gab ja schon vorher Studentenorganisationen. Das Ende von Otpor war für mich persönlich nur das Ende eines Lebensabschnitts."

    Vor kurzem ist der 33-jährige Bergbauingenieur Vater geworden. Den Demokratieexport betreibt er nebenbei. Das Zentrum für gewaltlosen Widerstand hat kein Büro. Sie haben nicht mal eine eigene Internetseite. Und wer die Aktivisten als Trainer einladen will, der muss das Seminar selbst vorbereiten, sagt Sikman.

    "Zunächst überprüfen wir deren Ziele und ihren Ansatz. Erst wenn wir damit zufrieden sind, trainieren wir sie. Wir haben jetzt eine Einladung von jemandem, der gesagt hat, er gehöre zum Kabinett eines Präsidenten. Ich sag' nicht in welchem Land. Und der Präsident möchte der gewaltfreien Revolution in seinem Land vorbeugen. Wir haben das abgesagt. Wir haben ihm gesagt, dass wir Revolutionen exportieren und ihn nicht davor beschützen können, wenn so etwas in seinem Land passiert. Und natürlich arbeiten wir nicht für einen Diktator. Das wäre verrückt. Vielleicht würden wir dann mehr Geld kriegen, aber das wäre verrückt."

    Sikman schaut zu Boden. Sie seien stark gewesen, hätten Energie gehabt, sagt er, aber nie Macht.

    "Ich will nicht in die Öffentlichkeit und die Medien. Ich gebe das Interview nur, um zu zeigen, was wir machen, dass wir nicht die Exporteure der Revolution sind. Wir kommen nicht mit dem Zauberstab in ein Land und machen "paff" und der Diktator ist weg, das müssen die Leute selber machen. Ich fühl' mich nicht wohl, wenn ich mit Journalisten spreche. Aber ich habe Routine, und ich weiß, dass es nötig ist. Das kam mit dem Job. "