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"Ein einziger Abwasserkanal"

Der längste Fluss der Iberischen Halbinsel ist so verschmutzt, dass die meisten Fischer ihre Boote verkaufen müssen. Doch die industrielle Nutzung des Tejo wird nur noch halbherzig kontrolliert - die Krisenländer Länder Portugal und Spanien wollen sich nicht mit der Industrie anlegen.

Tilo Wagner | 11.10.2013
    João Pinto wirft sein kleines Motorboot an und fährt in die Mitte des Tejos. Mit 31 Jahren ist er hier einer der jüngste Fischer, einer von wenig verbliebenen. João zieht einen Käfig mit sieben kleinen Flusskrebsen aus dem Wasser. Gesamter Marktwert: nicht einmal 50 Cent. Bevor der Winter wieder Regen bringt und den aufgestauten Fluss mit frischem Wasser versorgt, müssen die Fischer vom Tejo ihren Beruf ruhen lassen:

    "Die wahren Herren sitzen an der spanischen Stauschleuse in Alcântara, direkt an der Grenze. Die haben die Macht über den Fluss und über unser Schicksal. Die lassen nur so viel Wasser durch, wie es ihnen gerade passt. Eigentlich gibt es ein Abkommen. Und darin ist geregelt, wie viel Kubikmeter pro Sekunde entwässert werden müssen. Das Ergebnis sieht man ja hier. Es bewegt sich gar nichts. Das darf eigentlich nicht sein. Aber Portugal ist halt ein kleines Land, und die Spanier machen mit uns, was sie wollen."

    Der Streit ums Wasser hat auf der iberischen Halbinsel Tradition. Der längste Fluss der iberischen Halbinsel entspringt östlich der spanischen Hauptstadt Madrid und fließt auf über 1000 Kilometern nach Westen, bis er vor den Toren Lissabons in den Atlantik mündet. José Moura von der portugiesischen Umweltorganisation "ProTejo" nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er den Zustand des Flusses beschreiben soll:

    "Der Tejo ist ein einziger Abwasserkanal. Und den Leuten ist das vollkommen egal. Über ein Drittel des Wassers wird in Spanien sofort abgezapft und für die intensive Landwirtschaft und die Bewässerung von Golfplätzen verwendet. Ein weiterer Teil wird in den Rio Segura nach Ostspanien umgeleitet. Dafür fließen die Abwässer von Madrid und die ganzen Chemikalien aus der Landwirtschaft in den Fluss. Wenn der Tejo aus Spanien nach Portugal kommt, dann ist er schon total verdreckt."

    Die Zuschüsse für Umweltschutz wurden gekappt
    Die Verschmutzung geht auf der portugiesischen Seite gleich weiter. Direkt hinter der Grenze, in der Nähe der Provinzhauptstadt Castelo Branco, leiten zwei Papierfabriken ihr mit Zellstoffen verschmutztes Abwasser ein.
    Auch ein spanisches Atomkraftwerk entledigt sich so rund 150 Kilometer östlich der Grenze regelmäßig seines radioaktiven Kühlwassers An die verheerenden Folgen erinnert sich Fischer João Pinto ganz genau:

    "Wenn das AKW Wasser ablässt, stirbt hier alles ab, und zwar wirklich alles. Letztes Jahr passierte das, und hier am Ufer war dann alles voller toter und halbtoter Fische. Und wieder einmal hat niemand protestiert."

    Die Zwischenfälle in dem 40 Jahre alten Atomkraftwerk haben in jüngster Zeit zugenommen. Der Umweltschützer José Moura warnt davor, die Laufzeiten immer weiter zu verlängern:

    "Das Atomkraftwerk in Almaraz sollte eigentlich schon längst vom Netz genommen werden. Aber wegen der Wirtschaftskrise in Spanien lassen sie es wohl einfach weiter laufen. Das Atomkraftwerk ist veraltet und muss stillgelegt werden. Wollen die wirklich solange warten, bis etwas Schlimmes passiert? Und nur weil die Region hier dünner besiedelt ist, scheint das keinen zu interessieren. Das kann doch nicht sein."

    José Moura will in den nächsten Monaten verstärkt gegen die Verschmutzung des Tejo protestieren. Doch erspürt den Gegenwind, der in der Finanz- und Wirtschaftskrise den Umweltschützern auf der iberischen Halbinsel entgegen schlägt. ADENEX, eine der wichtigsten spanischen Partnerorganisationen, die sich für einen saubereren Tejo einsetzt, kämpft ums finanzielle Überleben: Denn die staatlichen Zuschüsse für die Umweltschützer wurden drastisch gekürzt.