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"Ein Freund, ein guter Freund"

Werner Richard Heymann war nicht nur ein Pionier des frühen deutschen Tonfilms, sondern prägte mit seinen Kompositionen auch Dramaturgie und Klang der damaligen Ufa-Schlager. 1933 musste er als Jude Deutschland verlassen, doch als er 1951 aus Hollywood zurückkehrte, wurde seine Musik noch immer gespielt.

Von Stefan Frey | 30.05.2011
    "Diejenigen von Ihnen, die mich kennen, kennen mich nur dem Hören nach, den Namen weiß man ja nie. Aber ich habe so Sachen geschrieben wie zum Beispiel ..."

    ... "Das gibt's nur einmal", "Ein Freund, ein guter Freund" oder "Liebling, mein Herz lässt dich grüßen" - seine Filmschlager wurden zu deutschen Evergreens. Sein Name hingegen war schon zu Lebzeiten weitgehend vergessen: Werner Richard Heymann, erfolgreichster Komponist der kurzen Glanzzeit der Ufa vom Beginn des deutschen Tonfilms bis zum Beginn des Dritten Reichs. Geboren 1896 im ostpreußischen Königsberg als sechster Sohn einer reichen jüdischen Kaufmannsfamilie, fühlte er sich schon früh von Musik magisch angezogen.

    "Wie man in Berlin sagen würde: det fiel ihm uff ... Ich habe dann also von meinem sechsten Lebensjahr an Geigenstunden gehabt, habe schon mit zwölf Jahren im Sinfonieorchester gespielt, bei den Königsberger Philharmonikern, und als ich 16 Jahre alt war, schrieb ich mein erstes Orchesterwerk. Das wurde sogar auch schon aufgeführt mit dem Blüthner Orchester, den Berliner Philharmonikern."

    Nachdem der junge Tonsetzer 1918 eher zufällig dem "Rat geistiger Arbeiter" angehört hatte, schrieb er Musik für Dada-Abende, für Ernst Tollers Wandlung und vertonte für Trude Hesterbergs Wilde Bühne Kabaretttexte seines früheren Nachhilfelehrers Kurt Tucholsky. Zusammen mit dem gleichaltrigen Kollegen Friedrich Holländer wurde er von Max Reinhardt an dessen Berliner Bühnen engagiert, wo er mit dem "kleinen Haus am Michigansee" seinen ersten Erfolg feierte.

    Doch Konzertsaal, Theater und Kabarett waren für Werner Richard Heymann nur Zwischenstationen. Seine Stunde schlug 1925, als er bei der Ufa erst Kinodirigent wurde, dann Stummfilmkomponist - so etwa für Murnaus berühmte Faust-Verfilmung - und mit Einführung des Tonfilms 1929 musikalischer Leiter. Als Operettenkomponist Paul Abraham die Musik zu Liebeswalzer, dem zweiten Ufa-Tonfilm, nicht lieferte, kam Produzent Erich Pommer aufgeregt zu ihm:

    " 'Nun hören Sie mal zu, lieber Heymann, Sie sind mein musikalischer Leiter, was mach ich? ... Ich sage: 'Versuchen Sie's doch mit mir?' Darauf sagte er: 'Sie können doch keine populäre Musik schreiben, Sie sind doch ein ernster Komponist.' Und da habe ich ihm gesagt: 'Ich habe doch das "Kleine Haus am Michigansee" geschrieben' - das war in einer Bühnenmusik. Sagt er: 'Ach, das war ein Zufall!' Und dann brachte ich ihm am nächsten Tag den Liebeswalzer und einen Tag später das 'Süßeste Mädel der Welt' und plötzlich hat er's mir geglaubt."

    Das "Süßeste Mädel der Welt" wurde zum ersten seiner zahlreichen Filmschlager ein entscheidender Wendepunkt in Heymanns Biografie. Kinohits wie "Der Kongress tanzt" oder "Die drei von der Tankstelle" machten ihn zum prägenden Komponisten des frühen Tonfilms.

    Doch 1933 musste Heymann als Jude Deutschland verlassen. Über Paris emigrierte er nach Hollywood, wo er für Ernst Lubitsch die Musik zu späteren Klassikern wie "Ninotschka" und "To Be Or Not To Be" komponierte. Doch er wurde nur noch als Komponist für Hintergrundmusik beschäftigt und als solcher viermal für den Oscar nominiert. Warum er nie wieder Musikfilme machen durfte, gehört zu den Rätseln Hollywoods.

    Nach über 40 Filmmusiken kehrte Werner Richard Heymann 1951 nach Deutschland zurück und wurde - im Gegensatz zu vielen anderen Emigranten - enthusiastisch empfangen. Am meisten erstaunt war er selbst:

    "Es ist ein unbeschreibliches Wunder, wie populär ich immer noch bin. Dass sich meine Melodien 18 Jahre wie Volkslieder gehalten haben, obwohl sie 15 Jahre lang mehr oder weniger verboten waren, ist unbegreiflich ..."

    Am 30. Mai 1961 starb Werner Richard Heymann in München.