Freitag, 19. April 2024

Archiv


"Ein früherer Ausstieg kostet Geld"

Einen genauen Termin für den Atomausstieg festzulegen, halte er für "zu unseriös", sagt Thomas Bareiß, Koordinator der Energiepolitik der CDU/CSU. Noch gäbe es riesige Probleme bei den erneuerbaren Energien. Man brauche daher einen sinnvollen Umstieg, der auch höhere Strompreise bedeuten könne.

Thomas Bareiß im Gespräch mit Jörg Armbrüster | 10.05.2011
    Jörg Armbrüster: Knapp zwei Monate bleiben der Bundesregierung noch, bis Anfang Juli will sie nötige Gesetze zum Atomausstieg durch Bundestag und Bundesrat bringen. Insgesamt müssen sieben Gesetze verabschiedet werden. Weil Schwarz-Gelb im Bundesrat keine Mehrheit hat, ist die Regierung auf die Stimmen der Opposition angewiesen, gestern hat Angela Merkel deshalb alle Partei- und Fraktionschefs ins Kanzleramt gebeten und den Zeitplan mit ihnen besprochen. Diese Treffen blieben allerdings ohne konkretes Ergebnis. Mein Kollege Gerd Breker hat gestern Abend mit Thomas Bareiß gesprochen. Er ist der Koordinator für Energiepolitik der Unionsfraktion im Bundestag. Erste Frage an ihn: In welchem Jahr können wir auf die Atomkraft in Deutschland verzichten?

    Thomas Bareiß: Ja, derzeit hat die Kernenergie noch 25 Prozent unserer Stromversorgung, das heißt eine ordentliche Menge. Die müssen wir ersetzen, relativ schnell, durch Erneuerbare auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite durch neue Gas- und Kohlekraftwerke. Und je nachdem, wie schnell wir die aufwachsen lassen können, können wir früher aussteigen. Das ist also eine Frage, wie schnell werden wir den Ersatz sicherstellen.

    Gerd Breker: Ihr Mittelstandssprecher Michael Fuchs meint heute in der "Passauer Neuen Presse", das Enddatum für einen verantwortbaren Ausstieg der Kernenergie dürfte zwischen 2020 und 2023 liegen – liegt er da so verkehrt?

    Bareiß: Ganz offen gestanden halte ich nichts von Zahlenspielen. Ich glaube, wir müssen gerade in dieser Energiefrage Vertrauen schaffen. Vertrauen können wir nur auf Basis von sinnvollen und auch nachvollziehbaren Grundlagen machen, und die sehe ich derzeit noch nicht. Wir müssen wirklich schauen, wie schnell können wir die Erneuerbaren aufbauen – da haben wir noch riesige Probleme vor uns, die müssen wir lösen, das Thema Speichertechnologie, das Thema Netzausbau müssen wir anpacken. Und wenn wir das die nächsten Wochen wirklich auch dann im Detail durchgesprochen haben, können wir auch eine Jahreszahl liefern. Ich glaube, jetzt eine Jahreszahl zu nennen, halte ich für zu unseriös.

    Breker: Durch die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke hätte der Staat ja eine Menge Geld eingenommen, wie will er das ersetzen?

    Bareiß: Ja, das war ja unsere eigentlich in sich stimmige Idee, dass wir sagen, durch eine Verlängerung der Laufzeit bekommen wir Geld für den Umstieg. Nun, wenn wir natürlich früher aussteigen wollen, fehlt uns das Geld, und das müssen wir einerseits über den Haushalt oder aber auch durch den Verbraucher entsprechend dann reinholen. Das heißt, der Strom wird teurer in den nächsten Jahren, und das wird sicherlich die Wirtschaft als aber auch den normalen Privatverbraucher stärker belasten. Deshalb wollen wir diesen Umstieg ja auch so sinnvoll wie möglich gestalten, um die Verbraucher so wenig wie möglich zu belasten.

    Breker: Nicht nur der Bundesfinanzminister verliert Geld, auch die Energieunternehmen verlieren Geld, wenn die Laufzeitverlängerung nicht kommt. Wer zahlt denn, wenn ein Energieunternehmen klagt? Auch der Steuerzahler?

    Bareiß: Ja gut, da muss man sehen, was natürlich dabei rauskommt bei einer Klage, und was gegen was geklagt wird, das ist alles noch relativ unsicher. Klar ist natürlich, ein früherer Ausstieg kostet Geld, das muss sich jeder bewusst sein. Und jetzt nach den schrecklichen Ereignissen in Fukushima scheint es ja einen gesellschaftlichen Konsens zu geben, dass man früher aussteigen will, und da darf sich dann niemand mehr rausreden. Dann müssen wir auch sagen, dann müssen wir mehr für Strom zahlen, und alle werden da sicherlich ihren Beitrag leisten müssen, auch die Unternehmen, auch die Konzerne müssen investieren und müssen da entsprechend auch ihren Beitrag leisten.

    Breker: Sie haben die Unternehmen, Sie haben die Konzerne angesprochen, auch unsere Wirtschaft wird einen höheren Strompreis zahlen müssen, Herr Bareiß, ist das ein Wettbewerbsnachteil, den die exportorientierte deutsche Wirtschaft da in Zukunft haben wird?

    Bareiß: Ja, wir dürfen da die Schraube nicht überdrehen, weil wenn wir zu hohe Energiepreise in Deutschland haben, heißt das natürlich automatisch, dass Unternehmen auch zwangsweise auswandern müssen, und das wird natürlich dann Arbeitsplätze kosten. Deshalb noch einmal: Wir brauchen einen sinnvollen Umstieg, wir dürfen auch die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen. Die Kernenergie ist weiterhin auch in den nächsten Jahren ein wichtiger Bestandteil unserer Energieversorgung, und deshalb müssen wir schon auch sehen, dass wir sicherlich auch noch im Jahr 2020 Kernenergie haben werden in Deutschland. Wir müssen schnell umsteigen, das ist gar keine Frage, aber es muss wirtschaftlich sinnvoll sein. Wir brauchen auch weiterhin auch eine sichere Energieversorgung.

    Breker: Herr Bareiß, können Sie uns erklären, warum die Bundesregierung den Konsens mit der Opposition sucht, den sie mit der Laufzeitverlängerung ja aufgekündigt hat?

    Bareiß: Ich glaube, dass jetzt erst mal die wirkliche Chance besteht, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens in der Energiepolitik zu erreichen, auch in der Frage von Endlager Gorleben. Auch das ist bisher ja immer sehr kritisiert worden, und ich glaube, auch da müssen wir einen Konsens finden mit den Ländern, mit den Aktivisten vor Ort. Wir brauchen den, um auch in den nächsten Jahren eine Investitionssicherheit für die Unternehmen zu bieten. Die Unternehmen wollen, wenn sie die nächsten Jahre Milliarden in die Hand nehmen und investieren, sicher sein, dass die Investition auch langfristig gesichert ist, und deshalb brauchen wir – auch über vielleicht mögliche Regierungswechsel in den nächsten Jahren – auch eine gewisse konstante Energiepolitik. Deshalb ist der Konsens wichtig, und deshalb muss sich auch dann Rot-Grün bewegen in den entscheidenden Fragen, wenn es ums Thema Speicher, wenn es ums Thema Netzausbau geht oder auch Windräder, die aufgestellt werden müssen und vor Ort vielleicht auch entsprechende Widerstände erzeugen.

    Armbrüster: Soweit Thomas Bareiß, der Koordinator für Energiepolitik der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag.