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"Ein ganz großer Intellektueller"

William F. Buckley ist tot. Der Herausgeber der konservativen US-Zeitung "National Review" starb im Alter von 82 Jahren. Mit dem Tod Buckleys sei "der traditionelle Konservatismus Amerikas auch gestorben", urteilte der Publizist Friedrich Mielke.

Moderation: Michael Köhler | 28.02.2008
    Michael Köhler: Mit William F. Buckley ist ein politischer Denker der jüngeren amerikanischen Geschichte gestorben. Der 82-Jährige politische Buchautor, Kolumnist, und regelmäßiger, beliebter Talkshow-Fernsehgast war auch Herausgeber der konservativen "National Review". Friedrich Mielke, Publizist und Amerika -Kenner, was für ein Typus von Denker war Buckley?

    Friedrich Mielke: William Buckley ist ein gemäßigter, politischer, konservativer Denker, Intellektueller Amerikas, einer der Giganten der amerikanischen Geistigen und politischen Kultur, vergleichbar vielleicht mit Gore Vidal oder Norman Mailer, die auf der linken Seite stehen. Er hat die "National Review" gegründet und war dann auch Bürgermeisterkandidat, aber sich besonders publizistisch hervorgetan in Talkshows und auch in ungefähr 5700 Kolumnen, die zusammen ungefähr 45 Bücher füllen würden.

    Köhler: In welche Zeit gehört er, wenn Sie sagen, ein gemäßigter Konservativer. War er so ein stählerner Antikommunist, Freiheitsapostel, zu dem auch die Bejahung der Aufrüstung zählte? Betten Sie ihn doch mal in seine Zeit ein.

    Mielke: Ja, er gehört in den Kalten Krieg, er kommt aus der McCarthy-Ära ursprünglich, er gehört mit zur Goldwater-Truppe der 60er Jahre - also ein scharfer Denker, ein Rechter, ein gemäßigt Konservativer des Kalten Krieges. Er ist sozusagen der konservative Philosoph des Kalten Krieges und gehört damit zur Eisenhower-Zeit, aber auch zu den Kennedy- und Johnson-Jahren.

    Köhler: Was heißt in diesem Zusammenhang konservativ? Denn man muss sich klar machen, er war ja auch einer der wichtigen Kritiker der Bush-Administration. Das heißt, er hatte eine andere Auffassung von dem, was konservativ ist.

    Mielke: Sehr richtig. Mit dem Tod von William Buckley kann man sagen, dass der traditionelle Konservatismus Amerikas auch gestorben sei. Buckley kritisierte Bush sehr stark. Bush habe den Haushalt ruiniert, er habe einen Angriffskrieg geführt, den Bundesstaat gestärkt gegenüber den Einzelstaaten und auch die politische Macht an sich gerissen und dadurch den Kongress entmachtet. Für den gemäßigten Konservatismus des William Buckley bedeutet das Konservative die Begrenzung und Eindämmung politischer Macht, und genau das habe Bush nicht getan. Außerdem sei der Irak-Krieg ein Fehler gewesen. Es sei eine Hybris, dort die Demokratie weltweit verbreiten zu wollen. Und diese Vorstellung, der islamistische Terrorismus sei also mit der Bedrohung der Sowjetunion vergleichbar, auch das sei ein Fehler. Die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika sei nicht durch einige Islamisten gefährdet.

    Köhler: Wurde er gehört? Sie haben eingangs erwähnt, dass er sehr rege publiziert hat, auch gern gesehener Talkshow-Gast war. Wurde er gehört, hatte sein Wort Gewicht?

    Mielke: Ja doch, das hat einen enormen Einfluss. Man sagt, vor Reagan kam Goldwater, vor Goldwater kam Buckley sozusagen. Immerhin 1500 Fernseh-Talkshows, 5700 Kolumnen, 50 Bücher, die er veröffentlich hat, also ein ganz großer Intellektueller, der obendrein Stil und Form hatte. Er sprach mehrere Fremdsprachen, sprach auch mit so einem leichten Oststaaten-Akzent, also insofern ein gepflegter, geschliffener Feingeist kann man fast sagen, der doch einen großen Einfluss ausübte.

    Köhler: Oft sprechen wir etwas polemisch abwertend von den Neokons heutzutage. Mit denen hatte Buckley wenig im Sinn. Sie sagten vorhin mal so nebenbei, der klassische Konservatismus sei mit ihm auch gestorben. Was bedeutet das für die Nachfolge?

    Mielke: Völlig zu Recht. Die Neokonservativen, würde Buckley sagen, üben Verrat am Konservatismus, weil sie zentrale Macht wollen, weil sie das Weiße Haus so gestärkt haben, weil sie den Kongress entmachtet haben, damit auch das amerikanische Volk. Das widerspricht dem gemäßigten Konservatismus eines Buckley, und insofern ist diese gesamte Reagan-Ära mit der neokonservativen Arroganz, wenn ich so sagen darf, im Widerspruch zu Buckleys Denkerweise.