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Ein Gläubiger, der wissen wollte

Von ihm stammt der Ausspruch: "Mein Herz ist in Afrika". Der schottische Missionar und Forscher David Livingstone erkundete im 19. Jahrhundert unter großen Entbehrungen das südliche Afrika. Er lernte die Eingeborenendialekte, entdeckte und kartierte unbekannte Seen, Flüsse und Landstriche.

Von Patric Seibel | 19.03.2013
    "Es stiegen fünf Säulen auf, deren Spitzen sich mit den Wolken zu vermischen schienen. Unten waren sie weiß, höher wurden sie dunkel, sodass sie fast wie Rauch aussahen."

    Gebannt und überwältigt steht David Livingstone am 16. November 1855 als erster Europäer an den mächtigen Wasserfällen des Sambesiflusses. An der Grenze der heutigen Staaten Sambia und Simbabwe stürzen die brodelnden Wassermassen einhundert Meter in die Tiefe.

    "Wenn man rechts von der Insel hinunterblickt, sieht man nichts als eine dichte weiße Wolke, auf welcher sich zwei glänzende Regenbogen zeigten. Aus dieser Wolke erhob sich eine große Dunstsäule, 200 bis 300 Fuß hoch, welche dicker wurde und die Farbe von dunklem Rauch annahm und in einem dichten Regen herunterfiel, der uns bald bis auf die Haut durchnässte."

    David Livingstone tauft die Wasserfälle zu Ehren der britischen Königin "Victoria Falls". 15 Jahre ist der schottische Missionar nun bereits in Afrika und längst vom Prediger zum Entdecker geworden. Sein Buch "Missionsreisen und Forschungen im südlichen Afrika" wird in England ein Bestseller.

    David Livingstone kommt am 19. März 1813 in der schottischen Ortschaft Blantyre zur Welt. Weil die Familie arm ist, arbeitet er schon als Zehnjähriger in einer Spinnerei. Mit unbeirrbarem Willen absolviert er die Abendschule und studiert anschließend Medizin und Theologie. Mit 27 geht er für die "London Missionary Society" nach Südafrika. Aber die Arbeit in den beschaulichen Missionsstationen der Kapkolonie füllt den Rastlosen nicht aus; ihn lockt das Innere Afrikas. Er lernt die Eingeborenendialekte, reist nach Norden, entdeckt und kartiert unbekannte Seen, Flüsse und Landstriche.

    "Ungeheure Herden Antilopen, welche wenig oder gar kein Wasser benötigen, schweifen über diese pfadlosen Ebenen hin."

    Livingstone respektiert die Ureinwohner, studiert ihre Sitten und Gebräuche. Mit Geschick und Freundlichkeit, einer fast kindlichen Naivität, aber auch extremer Zielstrebigkeit kommt er auf seinen Expeditionen überall durch. Schockiert ist er vom Sklavenhandel:

    "Einer der Pombeiros führte acht gutaussehende Weiber an einer Kette, die er in Matiamos Land verkaufen wollte. Sie schämten sich immer, wenn ich ihnen nahe kam, und mochten ihre unglückliche und entwürdigende Lage bitter fühlen."

    Für David Livingstone wird es zu seiner wahren Mission, den Sklavenhandel zurückzudrängen. Dieser verschwinde von selbst, so glaubt er, wenn erst der Warenhandel blühe. Er ist getrieben von dem Vorhaben, Handelsrouten zu erschließen. Fieber, Hunger und Durst, Hitze, Kälte und Regen peinigen ihn und seine Begleiter.

    "Das Fieber hatte eine Art chronischer Diarrhöe erzeugt, die mich so sehr plagte, dass ich nicht zehn Minuten auf dem Ochsen bleiben konnte, und als wir am 31. Mai nach der Stadt Loanda hinunterstiegen, war ich außerordentlich mutlos."

    Seine größte Reise dauert von Juni 1852 bis Mai 1856 und macht ihn weltberühmt. Er schafft es, den ganzen Kontinent zu durchqueren, von Loanda an der Westküste im heutigen Angola bis nach Quelimane am indischen Ozean im heutigen Mozambique. Als der 43-Jährige zurück nach England kommt, wird er umjubelt. Sogar die Königin empfängt ihn. Doch Livingstone zieht es zurück nach Afrika. Mit den Jahren verliert er den Kontakt nach außen. Schließlich gilt er als verschollen. Nach einer abenteuerlichen Suche findet ihn der amerikanische Zeitungsreporter Henry Morton Stanley am 10. November 1871 in Ujiji am Tanganjikasee:

    "Er trägt eine Mütze mit Goldkordel und eine Jacke aus rotem Wolltuch. Mein Herz schlägt, als wollte es zerspringen. Aber ich lasse mir nichts anmerken. Ich hätte Livingstone gern umarmt. Aber er war Engländer. Ich wusste nicht, wie er es aufnehmen würde. So lüfteten wir unsere Kopfbedeckungen und ich sagte: Dr. Livingstone, wie ich vermute. Und er erwiderte: Ja."

    Die Episode macht weltweit Schlagzeilen. Aber Livingstones Kräfte sind verbraucht. Auf seiner letzten Reise, auf der Suche nach den Quellen des Nils, stirbt er, gerade 60-jährig am 1. Mai 1873. Seine Begleiter vom Stamm der Makololo begraben sein Herz unter einem Baum. Den einbalsamierten Leichnam tragen sie auf einem neunmonatigen Fußmarsch bis zur Küste. David Livingstone wird in Westminster Abbey in London beigesetzt.