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"Ein großer Sieg für die Ägypter"

Die Öffentlichkeit in Ägypten fordere, dass dem ehemaligen Präsidenten Mubarak der Prozess gemacht werde, sagt der Politologe Amr Hamzawy. Ein solches Verfahren könne ein großer "Demokratisierungsschritt" für das Land sein - vorausgesetzt die Rechtsstaatlichkeit bleibe gewahrt.

Amr Hamzawy im Gespräch mit Silvia Engels | 13.04.2011
    Silvia Engels: Gut zwei Monate nach seinem Rücktritt ist der ehemalige ägyptische Präsident Mubarak in Untersuchungshaft genommen worden. Auch seine Söhne sind festgesetzt worden. Es geht um die Veruntreuung von Geldern und Machtmissbrauch, und am Telefon haben wir vor wenigen Minuten gesprochen mit dem Politikwissenschaftler Amr Hamzawy. Er ist Mitglied im Rat der Weisen. Der Rat versucht, Brücken zwischen Reformkräften und dem regierenden Militärrat zu bauen. Daneben engagiert er sich für die Neugründung einer Partei, und an ihn ging die Frage, wie er die Festsetzung Mubaraks sieht.

    Amr Hamzawy: Das ist ein großer Schritt nach vorne, ein großer Schritt nach vorne politisch, ein großer Schritt nach vorne im Hinblick auf die Öffentlichkeit, die sehr besorgt war über das zur Rechenschaftziehen des damaligen Präsidenten und seiner Söhne. Ich hoffe, dass es auch ein großer Schritt sein wird in Richtung Rechtsstaatlichkeit. Ich hoffe, dass alles, was dem Präsidenten und seinen Söhnen als Prozess gemacht wird, dass das unter den Vorzeichen der Rechtsstaatlichkeit vollzogen wird und dass wir somit Ägypten auch auf dem Weg zu einem weiteren Demokratisierungsschritt verhelfen, mit der Etablierung der Rechtsstaatlichkeit.

    Engels: Nun ist ja Präsident Mubarak vor mittlerweile zwei Monaten schon zurückgetreten. Ist denn die Festsetzung gerade jetzt eine symbolische Maßnahme, um der ja nun seit Neuestem wachsenden Unzufriedenheit vieler Menschen mit dem Reformprozess zu begegnen?

    Hamzawy: Sicherlich ist es ein Schritt, der auf der Basis des zunehmenden öffentlichen Drucks zustande gekommen ist, vor allem seit dem letzten Freitag. Es ist aber nicht zu spät. Es handelt sich um zwei Monate, wie Sie es eingangs gesagt haben, und nicht um mehrere Jahre. Zum ersten Mal in Ägypten, in unserer politischen Entwicklung im gesamten arabischen Raum, wird ein ehemaliger Staatschef zur Rechenschaft gezogen. Da muss man dann auch die Bedeutsamkeit dieses Schrittes wahrnehmen und das dann auch zelebrieren, weil es wirklich ein großer Sieg für die Ägypter ist. Zwei Monate ist keine allzu lange Zeit. Man ist bemüht, weiterhin das unter den Vorzeichen der Rechtsstaatlichkeit zu machen, ohne Ausnahmegesetze, ohne Ausnahmeschritte, und das ist auch gut so.

    Engels: Sie haben es angedeutet: Vergangenen Freitag gab es wieder Auseinandersetzungen auf dem Tahrir-Platz, da gab es auch wieder Tote. Wie gefährdet ist der Reformprozess, wenn sich jetzt nicht schleunigst auch etwas für die Menschen in Richtung Demokratie tut?

    Hamzawy: Wir haben einen klaren Zeitplan, wir haben einen klaren politischen Kalender in Ägypten, wir werden im September Parlamentswahlen haben, gefolgt von Präsidentschaftswahlen, gefolgt von einer neuen Verfassung, die ja im September 2012 verabschiedet werden soll. Wir haben diesen klaren Zeitplan und dieser Plan, man mag ja darüber streiten, aber der ist klar und deutlich. Es wird schon etwas getan für die Demokratie in Ägypten, für die Gestaltung, demokratische Gestaltung der ägyptischen Politik. Ich war mit den Verfassungsänderungen und mit diesem Zeitplan unzufrieden, aber die Mehrheit der Bürger hat das in dem freien Referendum angenommen und das muss man respektieren. Es wird schon etwas getan. Die Auseinandersetzungen, die Sie erwähnt haben, waren sicherlich bedrückend. Ich hoffe, dass sie nicht mehr zustande kommen. Ich verstehe aber auch sehr gut, dass die Armee um die Disziplin innerhalb der Armee besorgt ist und dass die Armee auch als die fähigste staatliche Institution im Moment die interne Disziplin bewahren will.

    Engels: Herr Hamzawy, Sie sind selbst sowohl in Ihrem Engagement für die Neugründung einer Partei, als auch im Rat der Weisen, der ja Kontakt zum Militärrat hält, sehr eng am Reformprozess. Wie stark sind die Beharrungskräfte des alten Regimes nach Ihrer Erfahrung dieser Wochen?

    Hamzawy: Sie sind noch da, und das ist nicht nur nach den Erfahrungen dieser Woche, sondern auch eben seit dem 11. Februar, seit dem Zurücktreten des damaligen Präsidenten. Sie sind noch da und sie werden für eine ganze Weile da sein, aber das kennen Sie ja aus Osteuropa, aus Südamerika. Die Reformprozesse verlaufen nie geradlinig, verlaufen nie anders als graduell, und da muss man auch hier in Ägypten lernen, etwas ruhiger damit umzugehen, ruhigen Gemüts damit umzugehen. Das brauchen wir und das brauchen wir, um die Regelmäßigkeit der Demokratie und der demokratischen Gestaltung einzuführen.

    Engels: Amr Hamzawy, ägyptischer Politikwissenschaftler und zurzeit sowohl im Rat der Weisen, als auch rund um die Neugründung einer Partei im Reformprozess in Ägypten engagiert. Vielen Dank für das Gespräch.

    Hamzawy: Herzlichen Dank.