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Ein Jahr Kulturgutschutzgesetz
Ausnahmeregelungen verhindern die Wirksamkeit

Von Enteignungen war die Rede, als vor einem Jahr das neue Kulturgutschutzgesetz verabschiedet wurde. Damit sollte der Verkauf deutscher Kulturgüter und vor allem der illegale Antiken-Handel verhindert werden. Die Bilanz ist bisher ernüchternd.

Von Christiane Habermalz | 19.07.2017
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    Ausgrabungsstätte des antiken Mondtempels im Jemen. Der Krieg bedroht auch die zahlreiche Kulturschätze des Landes. (picture-alliance/ dpa / Yahya Arhab)
    "Was Frau Grütters erreichen will, ist, dass der Staat auf all die Kunstgegenstände, Kulturgüter, darunter fallen Antiquitäten, darunter fallen Schriften, darunter fallen natürlich auch Bilder, Zugriff nehmen kann, indem sie diese Arbeiten dem Kulturgutschutzgesetz, scheußliches Wort, unterstellt."
    Der Berliner Kunstsammler und Anwalt Peter Raue vor knapp anderthalb Jahren. Der Ton war rau damals in der öffentlichen Debatte. Kaum ein kulturpolitisches Gesetz hatte im Vorfeld für mehr Proteststürme gesorgt als das neue Kulturgutschutzgesetz, das vor einem Jahr in Kraft trat. Mit der Novelle wollte Kulturstaatsministerin Monika Grütters einerseits der Einfuhr und dem illegalen Handel mit geraubten Antiken aus aller Welt einen Riegel vorschieben. Andererseits wollte sie den Ausverkauf deutscher Kulturgüter ins Ausland durch private Eigentümer verhindern, jedenfalls dann, wenn es sich um "national wertvolles Kulturgut" handelt.
    Kunsthandel sprach von drohender Enteignung
    Der Kunsthandel sprach von drohender Enteignung, Georg Baselitz ließ seine Leihgaben aus den Museen abhängen, aus Furcht vor einem Zugriff des Staates. Grütters hingegen versicherte, es gehe nur um wenige herausragende Kunstwerke, die für Deutschland oder seine Regionen identitätsstiftend seien.
    "Beispielsweise sprechen wir von der Himmelsscheibe von Nebra, die hier in Deutschland gefunden wurde. Oder wir reden über den Schreibtisch von Friedrich dem Großen. Oder wir reden über ein Autograf von Johann Sebastian Bach oder die Handschrift von Goethe. Das sind die Stücke, die in der Tat, so glauben wir, für Deutschland so wichtig sind, dass sie auch hier erkennbar und für jeden zugänglich sein und bleiben sollten."
    Der Kunsthandel aber war in Aufruhr und warnte davor, dass Sammler waggonweise ihre Kunst ins Ausland in Sicherheit bringen würden. Nach der neuen Regelung müssen für alle Kulturgüter ab einer bestimmten Alters- und Wertgrenze, die ins EU-Ausland ausgeführt werden sollen – bei Gemälden sind das 70 Jahre und ein Wert von 300.000 Euro – eine staatliche Ausfuhrgenehmigung beantragt werden. In den Bundesländern entscheidet ein den Kultusbehörden angegliederter Sachverständigenrat dann über eine mögliche Eintragung in die Liste national wertvoller Kunstwerke.
    Die Fassade des Auktionshauses Lempertz mit Namensschriftzug in Köln (aufgenommen 2010)
    Das Auktionshauses Lempertz in Köln (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    In dem Fall darf der Besitzer das Kulturgut nur noch innerhalb Deutschlands verkaufen. In der Regel versucht dann die Kulturstiftung der Länder, unterstützt durch private Stiftungsgelder und den Bund, das Kunstwerk zu einem fairen Marktpreis für ein öffentliches Museum zu erwerben. Doch international lassen sich weit höhere Preise aufrufen, kritisierte Peter Raue.
    "Dieser Gedanke, man kommt billig auf diese Weise an die Kunstwerke, so steht es ausdrücklich in der Gesetzesbegründung drin, die sagt ja nichts anderes als: Es ist eine Enteignung."
    Weitere Kritik: Der Bürokratieaufwand durch die neuen Krontroll- und Ausfuhrbestimmungen für Kunstwerke werde den Kunsthandel in den Ruin treiben – und die Behörden heillos überfordern. Nach langen Debatten, endlosen Krisenrunden und diversen Änderungen nahm das Gesetz Anfang Juli 2016 im Bundesrat dennoch die letzte Hürde, am 6. August trat es in Kraft. Für Monikas Grütters ein Anlass zum Feiern:
    "Ich freue mich, dass das Kulturgutschutzgesetz jetzt beschlossen ist, auch vom Bundesrat. Man sieht, dass es weder eine parteipolitische noch eine Bund-Länder-Konfliktlinie gab, sondern dass wir alle unsere Verantwortung ernst nehmen für ein Menschheitskulturerbe, dass wir dem illegalen Handel auch endlich vernünftige Einfuhrregelungen entgegensetzen. Und dass wir auch eine Verantwortung zeigen für unser eigenes nationales kulturelles Erbe."
    Tun wir das? Nehmen wir unsere Verantwortung für unser eigenes kulturelles Erbe, aber auch gegenüber anderen Herkunftsländern, allen voran den kriegsgebeutelten Ländern Irak und Syrien, jetzt ernst?
    Plünderung archäologischer Stätten hat System
    Seit Jahren müssen diese Länder miterleben, wie ihre archäologischen Stätten und ihr Kulturerbe systematisch durch Raubgräber zerstört und geplündert werden. Dass Terrorgruppen wie der Islamische Staat damit ihre Kriegskassen füllen, ist längst bewiesen. Vieles davon tauchte wenig später als vorgebliche Kunst aus alten deutschen Privatsammlungen in deutschen Auktionshäusern und auf Antikenmessen auf.
    Mit dem neuen Gesetz wurde erstmals ein generelles Einfuhrverbot für Antiken ohne offizielle Ausfuhrgenehmigung des Herkunftslandes erlassen, wie schon lange von Archäologen und internationalen Experten gefordert. Doch nach einem Jahr ist die Euphorie weitgehend verflogen. Michael Müller-Karpe, Archäologe am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz, kommt zu dem Urteil, dass sich durch die neue Regelung nicht nur nichts verbessert hat:
    "Ich würde sagen, sogar noch weiter verschlechtert. Man bewertet offenbar nach wie vor die Bedeutung des Handels mit archäologischen Funden ungeklärter Herkunft höher als den Schutz des Kulturgutes."
    In Bezug auf den Schutz der deutschen Kulturgüter vor Abwanderung stellt sich eine andere Frage: Sind die Befürchtungen von Kunsthändlern und Sammlern eingetroffen? Hat der Staat die neuen Kontrollbefugnisse genutzt, um in großem Maßstab in privaten Kunstbesitz einzugreifen?
    Auf den ersten Blick hat sich die Aufregung weitgehend gelegt. Ohnehin ist die zeitgenössische Kunst, und die macht den größten Teil des Handels von Galerien aus, vom Gesetz nicht betroffen. Der deutsche Kunst- und Auktionsmarkt, vor allem der hochpreisige Markt, lebt noch, und das offenbar nicht schlecht.
    "Lempertz vermeldet 2017 sensationelle Ergebnisse, mehrere Weltrekorde. Bei Grisebach heißt es, sie hätten in der Frühjahrsauktion starke Ergebnisse mit einem Umsatz von 17,7 Millionen in vier Tagen gemacht. Also entweder schummeln sie mit den Zahlen oder sie schummeln mit der Bewertung."
    Keine Antragsflug
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters sitzt in ihrem Büro im Bundeskanzleramt. Sie blättert in den Rückmeldungen, die sie nach knapp einem Jahr aus den Bundesländern erhalten hat. Aus den Museen würden keine Probleme mit Leihgebern gemeldet, referiert sie, und auch die prognostizierte Antragsflut inklusive Überlastung der Behörden sei ausgeblieben.
    "Es war mit fast 10.000 Ausfuhrgenehmigungen immer gerechnet worden vom Kunsthandel, 10.000 bis 30.000, teilweise gingen die Schätzungen über 130.000 Ausfuhranträge pro Jahr. Tatsächlich haben wir 688 ermittelt in einem Jahr, bundesweit, wir haben alle gefragt. Es hat nur einen einzigen Fall von einer Eintragung eines national wertvollen Kulturgutes gegeben im vergangenen Jahr. Und das auf Bitten des Besitzers selber."
    "Gucken Sie sich um, Sie sehen hier keine Aktenberge, auch bei meiner Mitarbeiterin nicht, wir sind hier nicht zusammengebrochen."
    Die Verwaltungsjuristin Liane Rybczyk ist in der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa zuständig für den Kulturgutschutz. Ihr Schreibtisch in der Berliner Brunnenstraße ist aufgeräumt. Ganze 68 Ausfuhranträge in den Binnenmarkt wurden im vergangenen Jahr gestellt. Die Ängste des Kunsthandels, er müsste Tage und Wochen auf die Bearbeitung der Ausfuhranträge warten, seien unbegründet gewesen, sagt Rybczyk. Ein Verwaltungsakt – die Kunstspeditionen übernehmen die Beantragung als Service meist gleich mit.
    "Wenn jetzt alles richtig und vollständig ausgefüllt ist, wenn alle Unterlagen da sind, macht das meine Mitarbeiterin in zehn bis 15 Minuten. Teilweise sitzen die Boten hier vor der Tür und warten darauf, dass sie es mitnehmen können."
    Doch sind die gestellten Ausfuhranträge möglicherweise nur deswegen so wenige, weil die Sammler ihre Bilder vor dem befürchteten staatlichen Zugriff zurückhalten – oder tatsächlich noch vor Verabschiedung des Gesetzes in großem Umfang ins Ausland in Sicherheit gebracht haben?
    Monika Grütters: "Das halte ich für Spekulation, dazu kann ich nichts beisteuern, ich beteilige mich an diesen Spekulationen nicht."
    "Nein, das ist kein Gerücht. Das ist wirklich kein Gerücht, das ist wirklich so passiert, und das hat auch dem deutschen Auktionsstandort sicherlich geschadet."
    Kunsthändler sprechen von Verunsicherung
    Sagt hingegen Robert Ketterer. Er ist der Inhaber des größten deutschen Auktionshauses, Ketterer Kunst in München. Die Debatte um das Gesetz habe viele Sammler verunsichert. Als Folge fehle jetzt spürbar die Ware auf dem hochpreisigen Markt. Allerdings räumt er auch ein:
    "Es ist die Verunsicherung auch so, dass viele denken, sie können ihre Objekte nicht mehr ins Ausland bringen. Und das ist totaler Quatsch. Das Gesetz gibt es seit einem Jahr jetzt. Und wir haben nach wie vor keinerlei Probleme gehabt, irgendwelche Objekte, auch hochpreisige Objekte, ins Ausland zu bringen. Also daran hat sich an der Behandlung der Kunstwerke vonseiten des Gesetzgebers nichts verändert. Also diese Angst ist komplett unbegründet gewesen."
    Weitaus mehr Kopfzerbrechen als die Ausfuhrgenehmigungen bereiten dem Handel die erhöhten Sorgfaltspflichten, die ihm das Gesetz auferlegt. Danach muss, wer Kulturgut gewerblich in Verkehr bringt, prüfen, ob das Kulturgut vielleicht gestohlen oder unrechtmäßig ein- oder ausgeführt oder ausgegraben wurde. Außerdem muss die Provenienz geprüft werden. Allerdings: Recherchiert werden muss nur "nach Maßgabe des wirtschaftlich zumutbaren Aufwands". Um das rechtmäßige Eigentum am Kulturgut zu belegen, genügt eine schriftliche oder elektronische Erklärung des Einlieferers oder Verkäufers, dass dieser berechtigt ist, über das Kulturgut zu verfügen.
    Für die Galeristen Rudolf Zwirner und Michael Haas sind diese Auflagen dennoch völlig praxisfern.
    "Der deutsche Kunsthandel als solcher kann hier im höherpreisigen Segment nicht mehr funktionieren, das geht nicht mehr."
    Klagt Rudolf Zwirner. Viele Galeristen seien in ihrer Existenz bedroht. Zwirner nennt ein Beispiel:
    "Herr Haas aus Berlin möchte bei Sotheby's in New York einen Picasso kaufen aus den 20er-Jahren und fragt hier im Senat bei der Dienststelle an, kann er das hier einführen. Dann sagen die, ja, dann müssen Sie aber nicht nur die Provenienzen bis ins Atelier zurück nachweisen können, aber auch, ist die Arbeit in den 20er-Jahren legal aus Frankreich ausgeführt. Das geht aber gar nicht. Da ist ein großer Weltkrieg dazwischen, man kann das gar nicht zurückverfolgen. Aber dann ist das unmöglich, mit anderen Worten, er kann dieses Bild nicht mehr kaufen."
    "Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass man vorher keinen so großen Wert darauf gelegt hat."
    Hält Grütters dagegen.
    "Und Sorgfaltspflichten. Naja, ich denke immer, eine solche Branche, die mit derart sensibler Ware umgeht, wo es ja nicht nur um einen Marktpreis, sondern auch um einen ideellen Wert geht, Herkunftsfragen beispielsweise gesichert werden müssen, Echtheitszertifikate logischerweise gefragt sind, da müsste ja schon aus einem eigenen Interesse, was ihr Ansehen angeht, Sorgfaltspflichten wichtig nehmen."
    Antikenhandel wurde lange geduldet
    Im Antikenhandel hat man es mit den Sorgfaltspflichten nie sehr genau genommen – und die Politik hat dies lange geduldet. Beschämende 37 Jahre brauchte die Bundesrepublik, um eine UN-Konvention von 1970 gegen illegalen Handel mit Kulturgut umzusetzen. Als dann 2007 endlich ein deutsches Kulturgüterrückgabegesetz erlassen wurde, war dieses so gut wie unwirksam, weil es auf dem sogenannten Listenprinzip basierte. Danach hatten Herkunftsländer nur ein Recht auf Rückgabe von Objekten, die vorab von diesen auf eine Liste geschützter Kulturgüter gesetzt worden waren. Doch was aus Raubgrabungen kam, konnte auch auf keiner Liste stehen.
    Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, war damals als Expertin am Gesetzgebungsprozess beteiligt gewesen. Im ersten Entwurf sei es noch wirksam gewesen, sagt sie.
    "Und es ist ziemlich klar, dass dann auf Druck des Kunsthandels und Handels das Gesetz so verwässert wurde. Und auf Grund dieses 2007er- Gesetzes ist auch tatsächlich kein einziges Objekt zurückgegeben worden."
    Mit der Novelle von 2016 wurde das unbrauchbare Listenprinzip endlich durch ein klares Einfuhrverbot für Kulturgüter ersetzt, die keine offizielle Ausfuhrgenehmigung des Herkunftslandes mitführen. In Paragraf 28 des Kulturgutschutzgesetz heißt es:
    "Die Einfuhr von Kulturgut ist verboten, wenn es von einem Mitgliedsstaat oder Vertragsstaat als nationales Kulturgut eingestuft oder definiert worden ist und unter Verstoß gegen dessen Rechtsvorschriften zum Schutz nationalen Kulturgutes aus dessen Hoheitsgebiet verbracht worden ist."
    Ruinen der zerstörten Antikenstadt Palmyra in Syrien.
    Ruinen der zerstörten Antikenstadt Palmyra in Syrien: Der Is verkauft geraubte Kulturgüter. (dpa / picture alliance / Mikhail Voskresenskiy)
    Gesetz gilt nicht für Antikgüter, die vor dem 6. August 2016 eingeführt wurden
    Damit werden erstmals durch das deutsche Gesetz die Bestimmungen der Herkunftsländer zum Schutz ihres eigenen nationalen Erbes ernst genommen. Doch ausgenommen vom Einfuhrverbot sind alle Kulturgüter, die sich vor dem 6. August 2016, also dem Tag des Inkrafttretens des Kulturgutschutzgesetzes, "rechtmäßig" in Deutschland befunden haben. Was bei hier gehandelten Antiken ohne Herkunftsnachweise unter "rechtmäßig" zu verstehen ist, regelt Paragraf 32 Kulturgutschutzgesetz: Danach sind das alle Objekte, die sich bereits vor 2007 in Deutschland befunden haben, beziehungsweise die nach 2007 aufgrund des ab dann geltenden Listenprinzips nicht zurückgegeben werden konnte – egal, ob sie gegen die Gesetze der Herkunftsländer außer Landes gebracht wurden.
    Für den Archäologen Müller-Karpe ist das nichts anderes als das Reinwaschen von Raubgut.
    "Man hat im Grunde den gesamten Bestand an Raubgrabungsfunden, der derzeit im Handel, aber auch im Privatbesitz ist, ausgenommen vom gesetzlichen Schutz."
    Kaum Nachweise verlangt
    Als Nachweis, dass sich ein Objekt schon vor dem jeweiligen Stichtag in Deutschland befunden hat, genügt die Erwähnung in einem Auktionskatalog, ein einfacher Kaufbeleg, ein handgeschriebener Brief der verstorbenen Oma, dass das Stück aus altem Familienbesitz stammt; oder auch eine eidesstattliche Erklärung. Eine Steilvorlage für Kriminelle, um auch frisch ausgegrabene Antiken aus Raubgrabungen amtlich quasi legalisieren zu lassen.
    "Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht zum Kulturgutschutz in Deutschland von 2013 selbst geschrieben, dass der Handel mit geplündertem Kulturgut international an dritter Stelle der illegalen Erwerbsquellen steht. Also nur übertroffen noch vom Rauschgift- und Waffenhandel. Dass für einen solchen illegalen Handel eine eidesstattliche Erklärung eine ernsthafte Hürde darstellen sollte, ist eigentlich kaum vorstellbar."
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    Antike Büsten im Skulpturendepot der Antikensammlung des Archäologischen Zentrums in Berlin (picture alliance / dpa)
    Sagt der Archäologe Michael Müller-Karpe. Zwar gibt es jetzt die Möglichkeit, die Einfuhr an der Grenze, an den Flughäfen zu stoppen, wenn keine gültigen Ausfuhrpapiere vorgewiesen werden können. Doch Kontrollen und Sicherstellungen finden kaum statt – es fehlt an geschultem Personal bei Zoll und Polizei. Kriminalhauptkommissar Eckhard Laufer vom Hessischen Landeskriminalamt in Wiesbaden, einer der wichtigsten Polizeiexperten auf dem Gebiet der Kulturgutkriminalität, bestätigt:
    "Nach den ersten Erfahrungen, die vorliegen, haben wir schon eine Verbesserung hinsichtlich der Einfuhrbestimmungen. Problematisch ist nach wie vor, ich rede hier explizit von archäologischen Objekten, die sich bereits in Deutschland befinden und dann in Verkehr gebracht werden, hier haben wir einen Status Quo, der sich fortsetzt. Insofern, dass wir vorher schon immer wieder Dokumente oder Nachweise vorgelegt bekommen haben, die bei einer genauen Prüfung nicht widerspiegeln, dass sie aus dem Herkunftsland tatsächlich legal ausgeführt worden sind."
    Legale Antiken eher unwahrscheinlich
    Dabei kann es kaum legale Antiken auf dem Markt geben, da Länder wie Ägypten, Syrien, Irak oder die Türkei alle seit Jahrzehnten strenge Ausfuhrverbote für ihre antiken Kulturschätze erlassen haben. Und wenn doch, dann sind die Objekte im Herkunftsland registriert, Fundort und Ausfuhr dokumentiert.
    Warum hat man den Handel nicht einfach an die Auflage geknüpft, dass nur mit Objekten gehandelt werden darf, deren legale Herkunft zweifelsfrei nachgewiesen ist? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil es zweifellos binnen Kurzem mangels Ware keinen Antikenhandel in Deutschland mehr geben würde.
    "Ich glaube, es ist die Illusion, zu meinen, man könne die Belange des Kulturgüterschutzes in Einklang bringen mit einem Handel mit archäologischen Funden ungeklärter Herkunft. Das gleicht der Quadratur des Kreises."
    Sagt Müller-Karpe. Das Kulturgutschutzgesetz von Monika Grütters, das diesen illegalen Handel endlich austrocknen wollte, hat durch zahllose Stichtags- und Ausnahmeregelungen seine eigenen Ziele verwässert. Indem es über den vermeintlich legalen Antikenhandel in Deutschland seine schützende Hand hält, gibt es weiter Anreize für Plünderungen und Raubgrabungen in aller Welt. Manche Änderungen, wie die Möglichkeit der eidesstattlichen Erklärung, sind erst im letzten Moment über einzelne Bundesländer, in dem Fall das Land Hessen, ins Spiel gekommen. Der Kunsthandel hat auf allen Ebenen erfolgreich Lobbyarbeit betrieben.
    Besitz und Lagerung von geplündertem Kulturgut ist nicht strafbar
    Das gleiche gilt für andere Passagen, die der Polizei heute das Leben schwer machen – etwa die Merkwürdigkeit, dass zwar der Handel mit geplündertem Kulturgut jetzt strafbar ist, nicht aber der Besitz und die Lagerhaltung. Oder dass antike Münzen nicht als archäologische Kulturgüter eingestuft werden und als Massenware frei gehandelt werden können. Grütters verweist darauf, dass Gesetze, die Personen belasten, keine rückwirkende Wirkung entfalten dürfen.
    "Wir können nur die Einhaltung unserer jetzt immerhin geltenden Regeln einfordern. Und alles was davor in den Markt gekommen ist, und offensichtlich mit Beleg, darf weiterhin hier gehandelt werden. Ich glaube nur, dass inzwischen die Stimmung in der Gesellschaft so hoch anders ist als noch vor zehn Jahren, dass irgendwann dieser Markt nicht mehr funktionieren wird. "
    Doch danach sieht es nicht aus. Dass selbst öffentliche Stellen es mit den Sorgfaltspflichten nicht sehr genau nehmen, zeigt ein jüngerer Fall aus Hessen.
    In der Wohnung eines verstorbenen Hartz-IV-Empfängers wurde eine kostbare Sammlung von altägyptischen Statuetten und anderen antiken Figuren gefunden. Der Mann hatte offenbar schon zwei Jahre tot in seiner Wohnung gelegen. Weil er keine Erben hatte, fiel der Nachlass an das Land Hessen, der ihn über das Frankfurter Auktionshaus Königstein umgehend versteigern ließ. Herkunftsbezeichnung im Katalog: ägyptisch-mesopotamische Privatsammlung. Erlös für die Landeskasse, abzüglich der Provision: 200.000 Euro.
    Auf die Nachfrage, auf welcher rechtlichen Grundlage die Antiken versteigert wurden, bezog sich das zuständige hessische Ministerium für Kultur und Wissenschaft explizit auf das neue Kulturgutschutzgesetz. In der schriftlichen Antwort des Ministeriums heißt es:
    "Paragraf 32 Kulturgutschutzgesetz regelt, unter welchen Umständen die Einfuhr von Kulturgut nach Deutschland als unrechtmäßig anzusehen ist. Die Regelung gilt für alle Einfuhren ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 6. August 2016. Im vorliegenden Falle sprechen die Fundumstände jedoch eindeutig dafür, dass sich die Objekte bereits lange Zeit vor diesem Datum in der Wohnung des Verstorbenen befanden. Somit ist nicht von einer unrechtmäßigen Einfuhr im Sinne des Kulturgutschutzgesetzes auszugehen."
    Der bittere Schluss: Wäre man in der Wohnung des Hartz-IV-Empfängers auf eine Sammlung von nagelneuen Flachbildschirmen gestoßen, hätte dies wohl zu einer Sicherstellung und polizeilichen Ermittlung geführt, ob es sich um Diebesgut handelt. Bei Antiken aber reicht als Legalitätsnachweis, dass der Besitzer seit zwei Jahren tot ist.