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Ein Jahr Minsker Abkommen
Stellungskampf im Donezbecken

Vor einem Jahr ging in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ein Verhandlungsmarathon zu Ende: Ein Abkommen, das als Minsk 2 bezeichnet wird, sollte dem ostukrainischen Donezbecken endlich Frieden bringen. Doch nicht einmal die grundlegenden Punkte werden eingehalten.

Von Florian Kellermann | 13.02.2016
    Ein Mann steht in den Ruinen seines Hauses, das während Kämpfen in der Nähe des Flughafens von Donezk zerstört wurde.
    Ein Mann steht in den Ruinen seines Hauses, das während Kämpfen in der Nähe des Flughafens von Donezk zerstört wurde. (dpa/ picture-alliance/ Alexander Ermochenko)
    Wenn Alexander Hug derzeit in Kiew vor die Presse tritt, ist seine Miene noch ernster als sonst. Der Vertreter der OSZE-Mission im Donezbecken überbringt seit Wochen meist nur schlechte Nachrichten. So auch bei seiner jüngsten Stellungnahme:
    "In den östlichen Randbezirken von Horliwka hat unsere Mission etwa 100 Artillerie-Explosionen in nur einem Tag notiert. Wir haben zuletzt sogar die Verwendung von Mehrfach-Raketenwerfern festgestellt. Gerade habe ich die Fotos von einer unserer Beobachtungs-Drohnen bekommen. Es zeigt, dass ein Mehrfach-Raketenwerfer unter Bäumen versteckt ist, in der sogenannten Luhansker Volksrepublik im Gebiet Luhansk."
    Verharren im Stellungskampf
    Mit anderen Worten: Nicht einmal die grundlegenden Punkte des Minsker Abkommens werden eingehalten: die Waffenruhe und der Abzug von schwerem militärischen Gerät von der Frontlinie.
    Der Konflikt in der Ostukraine hat sich zwar in einen Stellungskampf gewandelt, bei dem wesentlich weniger Menschen sterben als noch vor einem Jahr. Aber von einem Erfolg des Minsker Abkommens will trotzdem im Moment kaum jemand sprechen.
    Zumal das Grundproblem des Abkommens mit jedem Monat deutlicher wurde: Beide Seiten können es unterschiedlich auslegen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gibt sich zwar weiterhin zuversichtlich:
    "Lasst uns nicht über ein drittes Minsker Abkommen spekulieren, das brauchen wir nicht. Es genügt, wenn wir eine neue Roadmap vereinbaren. Neue Daten, bis zu denen sich die Seiten verpflichten, alle Punkte des Minsker Abkommens umzusetzen, ohne Ausnahme."
    Aber gerade bei der Reihenfolge scheiden sich die Geister. Die Ukraine will, dass die Separatisten und Russland zuerst die Kontrolle über die russisch-ukrainische Grenze aufgeben, ebenso das Gewaltmonopol in Donezk und Luhansk. Die Gegenseite fordert, dass die Ukraine zuerst eine neue Verfassung beschließt und den Separatistengebieten weitgehende Autonomie einräumt. Gegenseitige Zugeständnisse sind bei dieser Ausgangslage kaum möglich.
    Keine Mehrheit im Parlament
    Hinzu kommt, dass beide Seiten sich eigentlich gar nicht an das halten wollen, was sie unterschrieben haben. Das ukrainische Parlament verabschiedete zwar im vergangenen Jahr in erster Lesung eine Verfassungsänderung, eine Dezentralisierung, wie sie das Minsker Abkommen verlangt. Diese hätte aber schon bis Jahresende mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt werden müssen. Eine solche Mehrheit ist bis im Parlament nicht in Sicht.
    Auch das Oberhaupt der sogenannten Volksrepublik Donezk Alexandr Sachartschenko hält nicht mehr viel vom Text des Abkommens, wenn er sagt:
    "Wo steht, dass wir wieder zur Ukraine gehören sollen? Von einem Sonderstatus war die Rede, darunter verstehen wir eine Art Unabhängigkeit".
    Der Friedensprozess steckt demnach in einer Sackgasse. Die Chancen stehen nicht gut, dass die Außenminister von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine ihm heute wesentlich neue Impulse verleihen können.