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Ein Jahr nach dem Abgasskandal
Warum deutsche VW-Kunden unzufrieden sind

Rund ein Jahr nachdem die US-Umweltbehörde die Manipulation von 11 Millionen Dieselfahrzeugen bekannt gemacht hatte, sind besonders in Deutschland viele VW-Kunden unzufrieden. Klagen auf Rückkauf oder Schadensersatz vor Gericht liefen bisher ins Leere. Dabei fuhr knapp ein Viertel der Autos, die vom VW-Abgasskandal betroffen waren, auf deutschen Straßen.

Von Hilde Weeg | 14.09.2016
    Ein Auspuff eines Autos mit einem VW-Logo im Hintergrund.
    Viele deutsche VW-Kunden beklagen sich über lange Abwicklungszeiten und fordern eine Garantie für das Verhalten ihres Fahrzeugs nach dem Umbau. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    VW will nach aktuellem Stand bis zum Jahresende noch die letzte Freigabe für den Umbau vom Kraftfahrtbundesamt erreichen, für alle betroffenen Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189. Die Motoren sind nicht nur in VW-, sondern auch Skoda, Seat und Audiomodelle verbaut worden. Die letzte Freigabe soll bis Anfang Oktober für die 1,6 Liter Motoren erfolgen, für die ein Zusatzteil erforderlich ist.
    Der eigentliche Umbau erfolgt dann individuell in den Werkstätten und wird bis ins nächste Jahr dauern. VW hat fest zugesagt, dass alle Autos danach die für sie geltenden EU-Abgasnormen einhalten und sich weder Verbrauch noch Leistung verschlechtern. Erste Prüfungen nach Umbau zeigen, dass es bisher nur geringfügige Abweichungen zum Stand vor Umbau gibt.
    Dennoch sind viele Autobesitzer unzufrieden. Etwa damit, dass sich die Abwicklung hinzieht und sie keine Garantie für das Verhalten des Fahrzeugs nach Umbau bekommen:
    "Es gibt ein freundlich lauwarmes Versprechen, aber das ist eben nicht rechtsverbindlich", so Klaus Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. VW erklärt dazu, dass die betroffenen Modelle schon bis zu acht Jahre auf der Straße sind - und neu auftretende Probleme deshalb kaum eindeutig einem Umbau zuzuordnen seien.
    VW behandelt Kunden in den USA deutlich kulanter
    Ein weiterer Kritikpunkt: VW behandelt Kunden in den USA deutlich kulanter. Zum einen, weil in den USA strengere Abgasnormen gelten. Aber auch, weil Verbraucher dort mehr Rechte haben. Die Unterschiede zeigen sich unter anderem in den ersten Urteilen deutscher Gerichte, die in erster Instanz Forderungen nach Schadensersatz oder Rückkauf gegen VW oder VW-Händler abgelehnt haben. Allein 70 Verfahren sind am Landgericht Braunschweig anhängig, bisher hier ohne Urteil. Gerichtssprecherin Maike Block-Cavallaro:
    "Bei den meisten Klagen geht es um Rückgängigmachung des Kaufvertrages – und da gibt es zwei Varianten: Die eine Variante ist es, die Käufer sagen, sie seien arglistig getäuscht worden – und weil die Autos seien mangelhaft gewesen wegen der Software."
    Die Entscheidungen in erster Instanz seien aber ohnehin nicht das letzte Wort, so Müller, man müsse Geduld haben. Es sei zudem nicht notwendig, dass sich jeder Halter nun durch einen Anwalt vertreten lasse oder Forderungen an eine der großen Kanzleien abtrete, die nach amerikanischem Vorbild Druck auf VW ausüben wollen, um sich außergerichtlich zu einigen:
    "Darum würden wir jetzt nicht jedem raten, individuell vor Gericht zu ziehen, sondern genau zu beobachten. Die letztendliche Entscheidung wird vor dem Bundesgerichtshof fallen, da hat man auch schon positive Überraschungen erlebt, aber es gibt eben keine Garantie."
    Verbraucherschützer fordern eine Änderung der Zulassungsverfahren
    Wer derzeit aber ein vom Betrug betroffenes Fahrzeug beim Händler kaufen wolle, der solle sehr wohl nach einer Garantie fragen. Mittlerweile haben abgesehen von VW auch andere Hersteller auf mehr oder weniger freiwilliger Basis erklärt, ihre Softwaresteuerung neu programmieren zu wollen.
    Denn das hat der Skandal offenbart: Durch eine Komplizenschaft von Politik, Behörden und fast der gesamten Automobilindustrie war es möglich, über Jahre hinweg Autos auf die Straße zu bringen, die die Luft stärker verschmutzen, als behauptet - und damit die Gesundheit von Millionen Menschen unnötig gefährden. Müller richtet daher klare Forderungen an das Bundesverkehrsministerium, die Zulassungsverfahren zu ändern:
    "Dass es die Vorschläge der EU-Kommission aufgreift, dass die Prüfung auf der Straße erfolgt und nicht unter Laborbedingungen und das zweite ist: zur Wahrheit und Klarheit auf dem Automarkt gehört eben nicht eine gute Hardware, sondern auch eine offen zu legende Programmierung, zumindest gegenüber den Aufsichtsbehörden."
    Auch auf EU-Ebene werden die Verbraucherschützer aktiv. Ende September soll VW vor der EU-Kommission in Brüssel Auskunft geben.