Mittwoch, 24. April 2024

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Ein Jahr nach der documenta 14 in Athen
Was vom Anspruch übrig blieb

Die documenta 14 in Kassel und Athen war schon vor der Eröffnung ein Politikum. Die Befürworter erhofften sich einen größeren Wirkungskreis durch die zwei Standorte, Kritiker sprachen von hochsubventioniertem Krisentourismus. Vor einem Jahr begann die internationale Kunstschau in Athen. Was bleibt?

Von Alkyone Karamanolis | 08.04.2018
    Ein Transparent wirbt am am Rathaus in Athen für die documenta 14. Die internationale Kunstausstellung war vom 08.04. bis 16.07.17 in Athen und vom 10.06. bis zum 17.09.17 in Kassel zu sehen.
    Ein Transparent wirbt am Rathaus in Athen für die documenta 14, 2017. (picture alliance / dpa / Angelos Tzortzinis)
    Eine Performance in einer leergeräumten Wohnung. Die Vorstellung findet im Wohnzimmer statt, das Publikum drängt sich im Flur. Die Gruppe Nova Melancholia ist bekannt für schräge Inszenierungen an ausgefallenen Orten. Der Eintritt ist frei, doch bei der Reservierung wurde man dringlich gebeten, Bescheid zu geben, falls man doch nicht käme, denn der Platz ist knapp.
    Wegen der Krise hat die Kunst die Museen verlassen
    Die Krise hat die öffentlichen Institutionen geschwächt. Und so hat die Kunst in den vergangenen Jahren die Museen verlassen. Es gibt Ausstellungen in verkommenen Athener Einkaufspassagen mit 60er-Jahre-Flair, es gibt Filmfestivals in leerstehenden Gebäuden und Performances auf Dachterrassen. Die von Brachen durchzogene Stadt bietet sich dafür an, und die documenta hat diese Tendenz noch verstärkt. Den Kunstpublizisten Kiriakos Spirou hat das dazu veranlasst, die Athener Kunstszene neu zu kartographieren. "und. Athens" heißt sein Projekt, zu dem ein Kunstportal und ein alternativer Stadtplan gehören. Dabei steht "und." für undokumentiert.
    "Am aktivsten sind die selbstorganisierten Initiativen: unabhängige Kunsträume und Projekte im kleinen Maßstab. Sie sind meist durch eigene Mittel finanziert und sehr oft ephemer. Manche existieren sechs Monate, andere ein oder zwei Jahre. Dann wechseln sie die Form."

    Das a-dash ist ein solcher selbstorganisierter Kunstraum. Catriona Gallagher gehört zu den Gründerinnen - und zur wachsenden Gemeinde ausländischer KünstlerInnen in Athen. Aus Edinborough kommend, hat sie ihre Entscheidung, sich in Europas Hauptstadt der Krise niederzulassen, nicht bereut. Die vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten sind nur ein Grund dafür.
    "Als ich ankam, habe ich gleich gespürt, dass hier unheimlich viel in Bewegung ist. Eine Art brodelnde Energie, die mich sehr angezogen hat. Die Künstler vor Ort waren so inspiriert und voller Tatendrang, trotz aller Schwierigkeiten. Damals kannte ich nur eine weitere ausländische Künstlerin in Athen. Heute leben hier unzählige Kreative von überall her."
    Die Athener Kunstszene ist internationaler geworden
    Dass sich die Athener Kunstszene nach außen geöffnet hat, ist eine der großen Veränderungen, die die documenta bewirkt hat. Was außerdem bleiben wird, sind die Renovierungen, die im Rahmen der documenta durchgeführt wurden, darunter zwei großartige Orte, nämlich der modernistische Pavillon von Dimitris Pikionis am Filopappou-Hügel gegenüber der Akropolis und das verfallende Tsarouchis-Museum vor den Toren der Stadt.
    Darüber hinaus hat die documenta für die Athener Kunstschaffenden wie ein Spiegel gewirkt, um Ansätze und Kunstpraktiken neu zu hinterfragen, sagt Poka-Yio, Direktor der Athener Biennale. Die Biennale war einer der Gründe, die Adam Szymczyk dazu veranlassten, die d14 teilweise nach Athen zu verlegen, und sie war zunächst ihr Hauptpartner vor Ort. Man bezog Büros im gleichen Haus, doch nach einiger Zeit trennten sich ihre Wege. Dabei wäre es für die von Geldnöten geplagte Athener Biennale das einfachste gewesen, im Fahrwasser der documenta mit zu schwimmen. Doch es habe von Seiten der documenta kein Interesse an einem Dialog auf Augenhöhe gegeben, erklärt Poka-Yio die Unmöglichkeit der Zusammenarbeit aus seiner Sicht. Seine documenta-Bilanz im Rückblick fällt dennoch positiv aus. Es sei gut und wichtig gewesen, dass die d14 in Athen stattgefunden habe - mit einem Wermutstropfen allerdings:
    Die documenta als "verpasste Chance"
    "Als Künstler sprechend möchte ich sagen, dass wir eine riesige narrative Chance verpasst haben. Nämlich die Krise mit unseren Begriffen zu erzählen. Ich spreche nicht von griechischen oder nationalistischen Begriffen, sondern davon, das Narrativ der Krise und den Wertekonflikt innerhalb Europas mit den Mitteln der Kunst auszuleuchten, sie zu erforschen, zu dekodieren. Was haben wir also von Athen gelernt? Was von Griechenland? Was haben wir gelernt, was unsere europäischen Mitbürger? So wie es aussieht, gar nichts. Athen war für die documenta nur die Staffage."