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"Ein kantiger und auch sehr angriffslustiger Mensch"

Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sei ein wenig wie Gerhard Schröder. Vielleicht nicht so eine Spielernatur, aber ein genauso kantiger und angriffslustiger Mensch und er würde sich auch an der eigenen Partei reiben, sagte sein Biograf Daniel Goffart.

Daniel Goffart im Gespräch mit Friedbert Meurer | 28.09.2012
    Friedbert Meurer: Bis heute Morgen gab es drei SPD-Politiker, die berühmte Troika, die als Kanzlerkandidat gehandelt wurden: also Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Gebetsmühlenartig hatten alle aus der SPD-Spitze immer und immer wieder wiederholt, wir entscheiden uns noch nicht, wir warten die Landtagswahlen in Niedersachsen ab Anfang nächsten Jahres, oder wenigstens den kleinen Parteitag Ende November, hieß es zum Schluss. Aber der Druck ist offenbar zu groß geworden, so lange zu warten.
    Peer Steinbrück wird Kanzlerkandidat der SPD. Daniel Goffart ist der Hauptstadtbüro-Leiter des Magazins "Focus" und er hat just in dieser Woche ein Buch, eine Biografie über Peer Steinbrück vorgestellt. Guten Tag, Herr Goffart!

    Daniel Goffart: Guten Tag!

    Meurer: Lassen Sie uns vielleicht gerade kurz über gestern Abend reden. Wenn Frank-Walter Steinmeier gewollt hätte, der Fraktionsvorsitzende, wäre er es dann geworden?

    Goffart: Er wäre es geworden. Da habe ich die gleiche Einschätzung wie Frank Capellan. Aber es war absehbar, dass er diese Herausforderung scheuen würde. Es ist ja erwähnt worden: diese Rekordniederlage, die steckt ihm nach wie vor in den Kleidern. Und dann darf man ja nicht vergessen: Das Amt, was Frank-Walter Steinmeier vielleicht am liebsten anstreben würde, nämlich das Amt des Außenministers, das kann er ja vielleicht auch bekommen, wenn eine rot-grüne Regierung funktionieren würde, wenn vielleicht eine Ampelregierung funktionieren würde, wenn eine Große Koalition käme. Also in jeder denkbaren Konstellation hätte er die Option, das zu werden, was er eigentlich am liebsten will: Außenminister. Insofern braucht es aber dann nicht die Kanzlerkandidatur. Im Gegenteil! Wenn er das noch mal gemacht hätte und hätte vielleicht wieder ähnlich desaströs verloren, hätte er vielleicht den Anspruch auf andere Ämter verloren. Insofern: er musste das gar nicht machen, um weiterhin im Spiel zu bleiben.

    Meurer: Herr Goffart, was unterscheidet vom Typus her die beiden Stones, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier?

    Goffart: Na ja, Frank-Walter Steinmeier ist sicherlich der ruhigere, der sachliche, er hat auch ein ganz anderes Naturell als Peer Steinbrück, der ja doch ein sehr kantiger und auch sehr angriffslustiger Mensch ist. Er hat ja auch eine teilweise sehr aggressive Rhetorik, sein ganzer Habitus ist anders, seine ganze Mimik. Er ist sicherlich jemand, der geradeaus kämpft und der notfalls auch mal laut werden kann und der sehr zugespitzt agiert. Das sind alles Dinge, die man bei Frank-Walter Steinmeier nicht so vermutet. Der gilt nach wie vor so als ruhiger, sachlicherer Typ, und das ist vielleicht etwas, was sich mit so einer Frage der Kampagnenfähigkeit verbindet, denn im Wahlkampf, beim letzten Wahlkampf hat Sigmar Gabriel ja teilweise ohnmächtig zugeschaut, wie lahm dieser Wahlkampf doch lief, wie wenig Funken da gesprungen sind, und ich glaube, er hat da schon den Eindruck mitgenommen, dass der nächste Wahlkampf vielleicht mit einem anderen Kandidaten gelingen muss.

    Meurer: Ist Steinbrück ein Typ wie Gerhard Schröder?

    Goffart: Ein bisschen schon. Er ist vielleicht nicht so eine Spielernatur, wie Schröder das war, aber er hat sicherlich diese Lust am Angriff und dieses auch sehr kantige und auch die Bereitschaft, sich auch an der eigenen Partei zu reiben, das darf man ja auch nicht vergessen, auch mit Widersprüchen zu leben und auch auf Widersprüche auszugehen, zuzuspitzen. Das verbindet ihn sicherlich auch mit Gerhard Schröder.

    Meurer: Sie unterscheidet vielleicht, dass meines Wissens Gerhard Schröder, glaube ich, kein Schachspieler ist.

    Goffart: Das stimmt.

    Meurer: Peer Steinbrück ist das, da hat es auch zuletzt ein bisschen Wirbel gegeben um einen Brief, den er als Finanzminister geschrieben hat, an die Post zum Beispiel.

    Goffart: Post und Telekom.

    Meurer: Genau, um Spenden zu bekommen für ein Schachturnier. Zum Schachspielen gehört auch, dass man den zweiten, dritten, vierten und zehnten Zug vorneweg denkt. Denkt Steinbrück nicht daran, dass die SPD nach derzeitigem Stand wahrscheinlich die Wahl verlieren wird?

    Goffart: Na ja, das ist schon eine sehr berechtigte Frage. Erstens ist die SPD im Moment nicht in der allerbesten Form. Zweitens langt es nach keiner Umfrage bisher für Rot-Grün, das erklärte Koalitionsziel. Und drittens hat er ja explizit ausgeschlossen, dass er nicht mehr als Minister in eine Regierung Merkel eintritt. Insofern gibt es für ihn an sich nur eine Option: entweder wirklich auf Sieg spielen mit Rot-Grün, unabhängig von den im Moment noch sehr schlechten Umfragen, oder vielleicht eine weitere Option mit ins Auge zu ziehen, und das ist nun die Ampelkoalition. Es gab ja auch in dieser Woche entsprechende Äußerungen von Wolfgang Kubicki, von Dirk Niebel. Es gibt da andere FDP-Politiker, die sagen, wir reden nicht öffentlich darüber, aber immer daran denken, das als Option einfach im Hintergrund halten. Und er gilt ja, weil er auch eher zum rechten Flügel zählt und weil er sicherlich auch eine sehr wirtschaftsfreundliche Politik verfolgt innerhalb der SPD, als jemand, wenn überhaupt eine Ampel funktioniert, dann sicherlich eher mit ihm, und das könnte vielleicht die Option sein, die er dann letzten Endes im Auge hat, falls es mit dem eigentlichen Wahlziel Rot-Grün nicht funktioniert.

    Meurer: Ganz wichtig im Wahlkampf wird sein, dass die Troika zusammenhält, auch wenn sie dann vielleicht nicht mehr so heißt. Wie ist das Verhältnis zwischen Steinbrück und Parteichef Gabriel?

    Goffart: Das ist schwer zu sagen. Gabriel ist ein ganz anderer Typus, ist viel impulsiver als Peer Steinbrück, der ja doch in vielen Dingen sehr hanseatisch kühl ist. Aber wie gesagt, beiden gemeinsam ist diese Lust am Angriff, die Lust, Dinge zuzuspitzen und auch in einen wirklichen Kampf zu gehen und den auch zu suchen. Gabriel hat ja sehr wenig Rückkopplung gehabt mit den anderen Landesvorsitzenden der SPD zum Beispiel. Das ist auch eine sehr interne Entscheidung unter den dreien, und insofern: ihr Verhältnis kann gar nicht schlecht sein, sonst hätte das mit der Troika über Monate nicht funktioniert, sonst hätte er ihn am Ende jetzt auch nicht in diese Position gebracht, von der ja für die SPD und auch für ihn als SPD-Vorsitzenden viel abhängt.

    Meurer: Daniel Goffart, Autor einer Biografie über Peer Steinbrück, diese Woche erschienen. Er ist der Hauptstadtbüro-Leiter des Magazins "Focus". Danke, Herr Goffart, auf Wiederhören nach Berlin.

    Goffart: Auf Wiederhören, Herr Meurer.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.