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Ein kleiner Gallier feiert Geburtstag

Noch immer nehmen Asterix und Obelix es mit ganzen Legionen von Römern auf. Alterserscheinungen sind den beiden Comic-Helden also nicht anzumerken, auch wenn sie heute ihren 50 Geburtstag feiern.

Von Hartmut Goege | 29.10.2009
    "Wir schreiben das Jahr 50 vor Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? - Nein!"

    Seit Jahrzehnten ist das die Einführung in alle Abenteuer um Asterix und seinen großen einfältigen Freund Obelix, Wildschweinliebhaber und Hinkelsteinlieferant. Als die beiden Gallier am 29. Oktober 1959 in der französischen Jugendzeitschrift "Pilote" auf knapp zwei Seiten ihr Debüt feiern, startet eine der weltweit populärsten Comicserien. Bis heute wurden über 300 Millionen Exemplare an Kinder wie an Erwachsene verkauft. Selbst Wissenschaftler haben sich mit den beiden Helden auseinandergesetzt. Für den Althistoriker Kai Brodersen etwa bieten die Geschichten mehr als nur Unterhaltung:

    "Ich vermute, dass dahinter auch der Erfolg dieser Comics liegt. Man kann ihn als unterhaltend lesen, man kann es aber auch als intelligente gutgemachte Illustration antiker Wirklichkeit nutzen."

    Dazu kommt eine ausgewogene Mischung von satirischem Humor, grobem Klamauk und liebenswürdigen Parodien etwa auf nationale Klischees: Die Schweizer besitzen antike Bankschließfächer; die Briten verzichten nicht auf ihre tägliche Tasse heißes Fünf-Uhr-Wasser, und erst Asterix ist es, der die Teeblätter dazu einführt. Grundidee aller Abenteuer ist der Kampf David gegen Goliath, der erfolgreiche Widerstand gegen die römische Besatzung unter Caesar, dank der Hilfe eines geheimen Zaubertranks.
    Mit Asterix hatten der Zeichner Albert Uderzo und der Texter Rene Goscinny einen Antihelden geschaffen, der sich bewusst von den muskelbepackten heroischen Comicfiguren jener Zeit unterschied. Asterix misst gerade mal 1,20 Meter; ein drolliger Knirps mit Riesennase, Flügelhelm und viel Grips. Schon früh hatten die gallischen Helden auch den Weg auf die Leinwand gefunden.

    "Wir müssen das Hauptquartier der römischen Legion finden. Da schau eine Patrouille. Wir halten sie auf. Obelix warte!"

    Viele Liebhaber schwören aber nur auf die gedruckten Abenteuer, zumal der erste Animationsfilm 1967 mit der handwerklichen Qualität amerikanischer Disney-Produktionen kaum konkurrieren konnte. Albert Uderzo stand jedoch auch nur ein vergleichsweise bescheidener Produktionsapparat zur Verfügung:

    "Andere Zeichner unterhalten große Studios mit Mitarbeitern und bringen selbst nur Teile der Comics zu Papier. Ich zeichne nicht nur die Haupt- und Nebenfiguren, sondern auch alle Hintergründe. Und ich habe natürlich einen Koloristen, der die Farben anlegt. Diesen Luxus leiste ich mir seit langer Zeit, da ich mit einem kleinen Webfehler zur Welt gekommen bin. Ich bin nämlich farbenblind. Ich kann nur hoffen, dass mein Kolorist es nicht auch ist."

    Seit dem Tode Goscinnys 1977 vermissen seine Fans allerdings in den neueren Geschichten dessen genialen Humor. Dass der Zeichner Uderzo seitdem auch die Texte selbst verfasst, wird von einigen kritisiert. Doch der Erfolg gab ihm recht. Trotzdem weiß Uderzo, dass er nicht das Talent seines Freundes geerbt hat:

    "Zunächst einmal bin ich auf mich alleine gestellt, wenn ich einen Text schreibe und entsprechend einsam fühle ich mich auch. Der Zweifel am eigenen Können stellt sich immer wieder ein. Meine Frau und meine Tochter sind dann die Ersten, die den Text zu lesen bekommen. Und ich hoffe, dass sie mir nicht aus Höflichkeit zustimmen, sondern ihren kritischen Geist zurate ziehen."

    In den Abenteuern, die um 5o vor Christus spielen, lassen sich eine Fülle von Anachronismen entdecken, die mal unbewusst, mal mit einem Augenzwinkern daherkommen. So darf im Stadtbild von Rom das Kolosseum nicht fehlen, obwohl es nachweislich erst 130 Jahre später gebaut wurde. Die genaue Schilderung der antiken Welt lässt aber in jedem Fall auf eine profunde Kenntnis schließen. Althistoriker Kai Brodersen:

    "Das geht so weit, dass man im Fall des Bandes, der in Olympia spielt, seinerzeit den Verdacht hatte, dass Uderzo Zugang zu noch nicht publizierten Grabungsergebnissen hatte, weil er ein Gebäude gezeichnet hat, das noch gar nicht ausgegraben war, das sich aber später dort befunden hat."

    Wenn es nach Albert Uderzo geht, ist nach 32 Abenteuern für Asterix noch längst nicht Schluss:

    "Er hat richtig Glück, der alte Junge, sein Jahrgang ist und bleibt 50 vor Christus. Wie oft hat man mir schon die Frage gestellt, wie alt Asterix denn eigentlich sei und ich sage immer, so um die 30. Ich wäre wirklich glücklich, wenn er noch eine ganze Weile 30 bleiben könnte."

    Wenn es da nicht das eigene Älterwerden gäbe. Uderzo ist über 80 und neue Bände erscheinen bisher nur alle vier Jahre.

    "Ein Wildschwein, beim Teutates."