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Ein Komödiant unter Kommunismusverdacht

Spazierstock, Melone, ausgebeulte Hosen und viel zu große Schuhe waren die Markenzeichen des Komödianten Charlie Chaplin, der mit seinen Filmen Millionen Menschen weltweit zum Lachen brachte. Doch in seiner Wahlheimat, den Vereinigten Staaten, wurde ihm jahrzehntelang hinterherspioniert - unter dem Vorwand, er unterstütze Kommunisten.

Von Ralf Geißler | 18.09.2007
    Es ist noch früher Morgen im Hafen von New York, als Charlie Chaplin an Bord des Passagierdampfers Queen Elisabeth geht. Die Sonne schickt ihre ersten Strahlen auf die überwältigende Silhouette der Stadt. Als das Schiff ablegt, sieht Chaplin die Wolkenkratzer langsam im Morgendunst versinken. An diesem Septembertag 1952 erblickt der inzwischen 63-jährige Komödiant seine amerikanische Wahlheimat für viele Jahre zum letzten Mal.

    Während das Schiff Richtung London fährt, annullieren die US-Behörden Chaplins Wiedereinreise-Genehmigung. Die Entscheidung wird ihm am 18. September 1952 per Telegramm an Bord geschickt. Sollte er doch zurückkehren, müsste sich Chaplin einer ausführlichen Befragung unterziehen. Das FBI wirft der Schauspiel-Legende vor, Kommunist zu sein. Der Geheimdienst hat schon 2000 Seiten über ihn gesammelt. Seit 1922 steht Chaplin unter Beobachtung. Dabei war er ganz sicher kein Kommunist. Chaplins Sohn Michael beschrieb seinen Vater vor drei Jahren in einem Interview:

    "Er verabscheute alles Pompöse und Prätentiöse. Aber er wäre niemals Mitglied der Kommunistischen oder einer anderen Partei geworden. Seine Lebensphilosophie war die des Tramps. Also jemand, der von nirgendwo her kommt, nirgendwo hingehört, der aber sein Leben meistert und sich dabei seine Würde und eine Art romantischen Traum bewahrt."

    Chaplins weltoffene Lebenseinstellung kam den US-Behörden verdächtig vor. Vor allem seine Komödie über die industrielle Massenproduktion "Moderne Zeiten" diente ihnen als Beleg für seine kommunistische Grundhaltung. Konservative Amerikaner störten sich zudem an Chaplins Liebschaften mit jungen Frauen. Und sie verstanden nicht, warum der Schauspieler seine britische Staatsbürgerschaft nie aufgegeben hatte. Als in der Hochphase der Kommunistenverfolgungen Senator Joseph McCarthy hinter jeder Ecke einen sowjetischen Spion vermutete, war auch Chaplin gemeint.

    Wenige Tage nach dem Ablegen in New York erreicht Chaplin London. Dort präsentiert er unter großem Applaus seinen neuen Film "Rampenlicht". Chaplin beschließt, nicht wieder in die USA zurückzukehren und beauftragt seine Frau Oona, allen Besitz in Kalifornien zu verkaufen. Am Genfer See in der Schweiz erwirbt er ein neues Anwesen. Dort schreibt Chaplin das Drehbuch für die Tragikomödie "Ein König in New York" - eine Abrechnung mit Amerika und den Kommunistenjägern.

    Chaplin spielt in dem Film den emigrierten König Schadow, der sich in den USA mit dem Sohn einer kommunistischen Familie anfreundet. Der Streifen nimmt das Komitee für unamerikanisches Verhalten aufs Korn, vor dem 1947 auch Chaplin mehrfach aussagen musste. In alter Slapstick-Manier setzt Schadow die Hitzköpfe im Komitee mit einem Feuerwehrschlauch außer Gefecht.

    In den USA darf der Film nicht gezeigt werden. Auch sonst ist er kein großer Erfolg. Doch Chaplin hat das nicht gestört, sagt sein Sohn Michael:

    "Als er dann nach Europa kam, hatte er eine wunderschöne junge Frau. Und er war nicht mehr in diesem Hollywood-Milieu, wo der Druck, immer kreativ sein zu müssen, stark war. Er konnte jetzt mehr leben. Und er schätzte es. Er liebte das Mittelmeer, Italien, Frankreich. Wir waren in Marokko, auf Safari in Afrika. Er reiste nach Japan, wo ihn die Kultur faszinierte. Er wollte uns Kindern das alles zeigen. Und er nahm sich die Zeit dafür."

    Über die Jahre ändert sich in den USA das politische Klima. Chaplins Filme werden ab 1970 wieder aufgeführt. Auf dem "Walk of Fame" in Hollywood wird Chaplins Stern erneuert. 1972 kehrt der Komödiant noch einmal für wenige Tage in das Land seiner Erfolge zurück. Er erhält, im Alter von 83 Jahren den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. Die USA haben sich ausgesöhnt mit dem Komiker, der von sich immer sagte: Ich bin kein Kommunist, ich bin ein Friedenshetzer.