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Ein Leben in Miniaturformat

Horst Seehofer macht aus seinem Hobby kein Geheimnis. Gerne und oft erzählt er von seiner Modellbaueisenbahn im heimischen Keller. Hier entspannt er sich - und verarbeitet dort mit eigenen Händen Stationen seines Lebensweges.

Von Rudolf Erhard | 12.05.2011
    "Bedient euch, fragt nicht lang."

    Ja, ich war dort, in Schamhaupten im Seehoferschen Ferienhaus, da, wo die Eisenbahn steht und Seehofer ganz privat ist:

    "Wenn ich abschalte, dann schalte ich ab."

    Die Terrasse im Altmühltal als Kraftquelle zur Entschleunigung des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs:

    "Wenn ich hier bin, schalte ich von einer Sekunde auf die nächste total ab. Da bin ich wirklich ich selbst. Hierher laden wir dann Freunde ein und dann wird nicht über Politik und Ähnliches gesprochen, sondern einfach über`s Leben."

    Doch die wahre Erholung liegt für Horst Seehofer im Keller seines Ferienhauses. Dort ist die legendäre Modelleisenbahn aufgebaut, 26 Quadratmeter, 70 Zuggarnituren, ein Gewirr von Gleisen, Brücken und Bauten und der Ministerpräsident kriecht vor mir unter den Tisch:

    "So, jetzt schaun wir mal, wo wir sind. Hinter Ihnen geht jetzt die Schranke zu, einem Laien erscheint der Zug jetzt als langsam. Das ist aber genau gemessen. Ich habe einen Messwagen, der genau die Geschwindigkeit messen kann, der fährt so, wie ein Güterzug im Original."

    Von einer Minute auf die andere ist der oft so zynisch-sarkastische Seehofer nicht mehr wiederzuerkennen, er taucht im wahrsten Sinn des Wortes in eine andere Welt ab:

    "Da ist eine Station meines Lebens, das wird dann, wenn die Landschaft fertig ist, ein Krankenhaus: Gesundheitsminister, siebeneinhalb Jahre. Da vorne steht ein Fachwerkbauernhaus, das ist meine Station als Landwirtschaftsminister."

    Alles, was irgendwann in seinem Leben wichtig war, politisch oder privat, ist per Modellbau eingebettet im Seehoferschen Eisenbahnland.

    "Sehr schwierig mit geschwungenen Gleisen. Alles ICE-Dampflok usw., Güterzug – und dann fährt man durch die Landschaft und da drüben ist Schwarzburg, und Schwarzburg heißt CSU."

    Sehr symbolträchtig alles. Nur erkennbare Personen fehlen, mit Ausnahme von Angela Merkel:

    "Das muss ich über den Computer machen. Also, ein großes Plakat von ihr verkleinern und dann wird es eine Angela Merkel als Lokführerin geben. Natürlich kriegt sie den schönsten, den schnellsten und stärksten Zug, das ist der ICE."

    Es wurde dann aber, so die neueste Durchsage, doch eine Güterzuglok. Im schnittigen ICE-Führerstand brachte Seehofer die Kanzlerin nicht unter, rein platzmäßig. Zeit zum Eisenbahnbasteln bleibt dem in Bayern über Gebühr geforderten Seehofer aber zu wenig. Obwohl es ihm gut tun würde öfters mal in seinem Eisenbahnkeller abzutauchen:

    "Eine eigene Welt. Wenn ich hierher gehe, zu arbeiten beginne, vergesse ich auch den größten Ärger. Vor allem die Medien. Da höre ich keine Nachrichten, schau kein Fernsehen. Wenn`s einmal einen Kurzschluss gibt und ich möchte den abstellen, kann es auch mal bis zum Sonnenaufgang dauern."

    Alles selber machen, alles steuern und vernetzen, der politische Einzelgänger Seehofer spiegelt sich wider im Eisenbahnbastler.

    "Das ist das Kontrastprogramm zur Politik, mit dem Holz umzugehen, zu programmieren, mit der Elektronik, mit der Elektrik umzugehen, das wach zu halten. Ich brauche keine fremde Hilfe, ich lese das dann in Büchern."

    Computergesteuert die Eisenbahn und rustikal die Politik gestalten, beides Mal steckt ein Seehoferscher Plan dahinter:

    "Und das Schönste an der Politik ist, wenn ihr die Strategie immer erst in ihrer Wirkung und Planung erkennt, wenn die Wirkung schon eingetreten ist. Schauen Sie, wenn Sie die Anlage jetzt anschauen, müssen Sie ja wenn Sie beginnen, das Gesamtwerk schon kennen. Mit all den elektronischen Programmiernotwendigkeiten, das müssen Sie ja alles voraus denken. Also ist der Vergleich mit der Politik insofern ganz gut, dass Sie das Gesamtwerk, das Sie errichten wollen, kennen müssen."

    In der Politik arbeitet Seehofer am Aufpäppeln der CSU. Ein Werkstück größer als seine Modelleisenbahn. Aber auch deren Vollendung braucht noch Zeit:

    "Darin liegen fast fünfzehn Jahre. Weihnachten, Ostern, Pfingsten. Also wenn ich 65 bin, ist es vollständig."

    Dann knipst er im Keller die Schalter aus. Die Eisenbahn bleibt wieder einmal länger ohne Strom, nicht aber Horst Seehofer.

    "Das ist wahr. Und zwar unter Hochspannung. Nicht in dem Sinne, dass ich jetzt nervös bin, oder getrieben, sondern das machen wir auch mit großer Gelassenheit, aber auch großer Konsequenz."