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Ein Literaturnobelpreisträger mahnt

Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa ist – trotz seiner 75 Jahre – noch immer ein streitbarer Mann. Mit Spannung wurde dementsprechend seine Rede anlässlich der Eröffnung der Internationalen Buchmesse in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires erwartet.

Von Victoria Eglau | 22.04.2011
    Enthusiastischer Beifall für Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa – gestern Abend bei der Buchmesse von Buenos Aires. Vor überwiegend geladenem Publikum hielt der Schriftsteller seinen Vortrag über "die Freiheit und die Bücher". Natürlich kam er auch auf die Kontroverse im Vorfeld seines Auftritts zu sprechen:
    "Ich danke den Organisatoren dieser Messe, dass sie dem Druck einiger Schriftsteller-Kollegen und Gegner meiner politischen Ideen, mich auszuladen, standgehalten haben. Und ich danke auch der Präsidentin Christina Kirchner, die den Versuch unterbunden hat, meinen Auftritt zur Eröffnung zu verhindern. Hoffentlich wird ihr Eintreten für die Meinungsfreiheit alle ihre Parteigänger erreichen, und auch ihre eigene Politik leiten."
    Gestern Abend verteidigte der Nobelpreisträger seine Kritik am Gastgeber-Land, verzichtete aber auf seine zuvor harschen Angriffe – etwa gegen Präsidentin Kirchner, die er 2009 in einem Zeitungsinterview als "totale Katastrophe" bezeichnet hatte.

    "Ich habe eine bestimmte Politik in Argentinien kritisiert, die mir falsch erscheint. Wie ich auch die Politik in meiner Heimat Peru und anderswo kritisiert habe. Denn ich bin ein freier Mann, und die Freiheit, Missstände zu kritisieren, kann man auf der ganzen Welt ausüben."

    Wie bereits in der Vergangenheit sprach Vargas Llosa, ein bekennender Liberaler, vom Niedergang des Landes, dessen Kultur er immer bewundert habe.

    "Argentinien war ein Land der ersten Welt, als drei Viertel Europas noch zur dritten Welt gehörten. Argentinien war einmal ein enorm reiches Land, und bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts demokratisch. Was ist geschehen? Warum hielt die Armut Einzug in Argentinien? Warum die politische Gewalt? Warum befindet sich das Land fast immer in der Krise? Weil es politische Irrtümer gegeben hat. Dieses Land hat großartige Chancen nicht genutzt. Das muss man sagen, das muss man kritisieren und untersuchen, damit nicht an den Irrtümern festgehalten wird."
    Seine Kritik sei nicht feindselig, sondern solidarisch, betonte Vargas Llosa, dessen Worte immer wieder mit Applaus bedacht wurden. Nicht geladene Gäste hatten stundenlang angestanden, um den Schriftsteller und einstigen peruanischen Präsidentschaftskandidaten zu hören, viele mussten mit der Übertragung auf einer Großleinwand vorliebnehmen. Bei manchen war auch Missfallen über Vargas Llosas offen geäußerte Kritik zu hören – ein Besucher:
    "Logischerweise kann eine Buchmesse einladen, wen sie will, und jeder Schriftsteller hat das Recht zu reden. Was vielen Argentiniern nicht gefallen hat, waren Vargas Llosas in der Vergangenheit sehr beleidigende Worte über unser Land. Es ist unangebracht, dass eine öffentliche Person, die zudem selbst als Politiker nicht sehr erfolgreich war, sich diese Art von Beleidigungen gegenüber anderen Ländern und ihren Präsidenten erlaubt."

    Die Stiftung "Das Buch", Veranstalter der Buchmesse, konnte sich über einen skandalfreien Auftritt des Romanciers freuen. Die von manchen befürchteten Proteste fanden nicht statt. Die neue Direktorin der Buchmesse, Gabriela Adamo, möchte künftig mehr Nobelpreisträger nach Buenos Aires locken, und die Buchmesse international bekannter machen.
    "Die argentinische Literatur (im besonderen) und die lateinamerikanische Literatur (im allgemeinen) sind von hoher Qualität; auch Verlage, Übersetzer, Illustratoren und Buchhändler leisten hervorragende Arbeit. Und ich glaube, das wird von außen manchmal nicht wahrgenommen."
    Als große Herausforderung sieht Adamo den Spagat zwischen dem professionellen Anspruch der Buchmesse als Treffpunkt von Verlagen und Buchhandel und ihrer Funktion als Besuchermagnet.

    "Die Buchmesse von Buenos Aires zeichnet vor allem ihr riesiges Publikum aus. Die Messe dauert drei Wochen und findet auf einer Fläche von 45-tausend Quadratmetern statt, ist also wirklich groß. Und jedes Jahr kommen rund eine Million Besucher. Dieser Massenandrang, und die Leidenschaft fürs Lesen, die dahinter steckt, sind die hervorstechendsten Merkmale."

    Neben der Feria del Libro, die eine Verkaufsmesse ist, gibt es in Buenos Aires mehr als 150 Buchläden. Es ist also kaum verwunderlich, dass die Metropole am Sonntag zur UNESCO-Welthauptstadt des Buches gekürt wird.