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"Ein Märchen, dass eine andere Energiewelt eine billige wäre"

Für die Energiewende unerlässlich ist nach Auffassung von Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, dass die Blockade beim Ausbau der Offshore-Windenergie überwunden ist. Jetzt sei wichtig, die Ausnahmen für die EEG-Umlagen für Unternehmen präziser an Energieeffizienz zu koppeln.

Fragen von Sandra Schulz an Jochen Flasbarth | 30.08.2012
    Sandra Schulz: Nach den Diskussionen der vergangenen Wochen war diese Lösung ja schon fast naheliegend. Streit hat es gegeben über die Frage, wer aufkommen soll, wenn es bei Windparks auf hoher See, bei den sogenannten Offshore-Windparks, zu Anschlussproblemen oder Störungen kommen sollte. Der Streit ist jetzt beigelegt und wäre die Verabredung, auf die sich das Kabinett gestern in Berlin verständigt hat, ein Vertrag des bürgerlichen Rechts, sie wäre als Vertrag zu Lasten Dritter möglicherweise ungültig, denn demnach sollen einmal mehr die Verbraucher zur Kasse gebeten werden – und das, obwohl die Strompreise ohnehin nur eine Richtung kennen, nämlich nach oben. Können wir uns erneuerbare Energien überhaupt leisten? Die Frage brennt immer mehr Verbrauchern unter den Nägeln, und unter anderem darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich den Präsidenten des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth. Guten Morgen!

    Jochen Flasbarth: Ja schönen guten Morgen.

    Schulz: Haben Sie verstanden, warum die Verbraucher bei den Offshore-Windparks jetzt wieder die Risiken für die Investoren abfedern sollen?

    Flasbarth: Zunächst mal ist es absolut wichtig, dass wir die Blockade, die beim Ausbau der Offshore-Windenergie entstanden ist, überwunden haben. Die Kraftwerke entstehen gerade, die Windparks entstehen gerade, sie müssen aber an Land angebunden werden. Das ist Neuland für uns, da entstehen Risiken, und das hat dazu geführt, dass sich das gegenseitig behindert hat. Es ist gut, dass da jetzt eine Lösung gefunden wird. Das wird zu einer zusätzlichen Belastung führen, die aus meiner Sicht moderat ist, maximal 75 Cent im Monat dazu auf der Rechnung. Das ist der Deckel, der eingezogen worden ist. Ich glaube nicht, dass das im Zentrum der Probleme steht. Natürlich gibt es andere Treiber der Energiekosten und man muss das eben im Zusammenhang sehen.

    Schulz: Genau, es ist eben ein Punkt unter vielen. Wird Strom zum Luxusgut?

    Flasbarth: Strom würde zum Luxusgut, wenn wir die Energiewende nicht konsequent weiterführen würden. Es wird ja immer ausgeblendet, dass ja der fossile Energiepfad einer ist, der in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu permanent steigenden Kosten führen würde. Wir haben ja in Deutschland einen Weg beschritten, der jetzt eine Investition erfordert, der muss von allen geschultert werden, der aber dazu führen wird, dass wir bereits Mitte des nächsten Jahrzehnts sinkende Strompreise im Vergleich zu anderen haben werden. Das was wir hier tun ist das Erfolgsrezept, um eine der erfolgreichsten Volkswirtschaften der Welt in diesem Jahrhundert zu sein.

    Schulz: Aber wenn wir jetzt darauf schauen, wie im Moment der Ausbau der erneuerbaren Energien läuft – jetzt hat sogar Bundesumweltminister Altmaier gewarnt, der Ausbau dürfe nicht zu schnell gehen, weil das sonst zu teuer werde. Was läuft denn da falsch?

    Flasbarth: Ja, die Energiewende muss natürlich ständig neu koordiniert werden. Es waren bisher Planungen zugrunde gelegt, die im Wesentlichen auf Bundesplanungen beruhten. Die Länder machen ihre eigenen Planungen, das muss besser koordiniert werden. Das geht der Bundesumweltminister jetzt sehr konsequent an und ich bin davon überzeugt, dass man das in dem Korridor halten kann, der auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien vernünftig ist. Wir haben uns 35 Prozent bis 2020 vorgenommen, ich bin davon überzeugt, das wird überschritten, es wird eher bei 40 Prozent liegen. Wenn es darüber hinaus ginge, und darauf hat nach meiner Lesart der Bundesumweltminister hingewiesen, dann können wir den Strom nicht mehr in dieser kurzen Zeit ins Netz verarbeiten, und das ist ja wichtig, damit wir nicht unnötige Kosten produzieren.

    Schulz: Aber wir halten fest: Je mehr Ökostrom, desto teurer wird es?

    Flasbarth: Diese einfache Rechnung kann ich so nicht stehen lassen. Auch zusätzlicher fossiler Strom würde kosten. Man muss ja rechnen, dass allein im vergangenen Jahr durch die erneuerbaren Energien Importe von fossilen Energien im Werte von 2,9 Milliarden für unsere Volkswirtschaft überflüssig geworden sind. Wir sparen auch und es ist ein Märchen, dass eine andere Energiewelt eine billige wäre.

    Schulz: Aber vom Sparen merken viele Verbraucher im Moment ja nicht allzu viel. Da sind wir bei der Diskussion um die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die liegt jetzt bei gut 3,5 Cent, wird wahrscheinlich erhöht werden, eben weil so viel Energie aus regenerativen Quellen generiert wird. Warum sind die Anreize denn da so verkehrt gesetzt?

    Flasbarth: Auch das muss man, glaube ich, noch mal etwas differenzierter betrachten. Diese zusätzlichen Cent durch die EEG-Umlage machen natürlich die Kosten der Stromversorgung sehr transparent. Aber auch in der Vergangenheit für Atomstrom, für Kohlestrom haben natürlich die Bürgerinnen und Bürger Milliardenbeträge aufgewendet, die nicht so transparent gewesen sind wie über die EEG-Umlage. Aber es stimmt: Auch der Umstieg auf die erneuerbaren kostet Geld, und es ist wichtig, dass man das in einem Korridor hält, der verkraftbar ist. Mit jetzt demnächst fünf Cent ist das aus meiner Sicht noch darstellbar. Wir müssen aber dafür sorgen, dass wir auch Kosteneinsparungspotenziale nutzen und die Kosten auch möglichst gleichmäßig verteilen.

    Schulz: Aber ist es nachvollziehbar – auch das ist ja transparent -, dass die Verbraucher dafür zahlen, dass viele Unternehmen von dieser Zulage befreit sind oder von Teilen davon?

    Flasbarth: Ja, das ist ein schwieriges Feld, und ich rate dazu, dies auch sachlich zu führen. Wichtig ist doch, dass durch den Umstieg der Stromversorgung wir energieintensive Betriebe, die prozessbedingt, also die für ihre Prozesse – nehmen Sie die Aluminiumherstellung – auf einen hohen Stromeinsatz angewiesen sind, dass wir die nicht aus dem Land vertreiben. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass das nicht mit der Gießkanne passiert, und ich glaube, das ist die Empfehlung des Bundesumweltamtes, je präziser wir diese Befreiung vornehmen, desto größer ist auch die Akzeptanz, weil dann verstanden wird, dass es hier auch um Jobs geht in unserem Land, die wir erhalten wollen. Aber es sollen natürlich auch wirklich nur diejenigen einen Vorteil erhalten, die ihn brauchen, um am Weltmarkt bestehen zu können, und da ist, glaube ich, noch etwas Nachsteuerung denkbar.

    Schulz: Welche Nachsteuerung meinen Sie?

    Flasbarth: Ich würde bei der künftigen Gestaltung der Ausnahmeregelung noch präziser an Energieeffizienzmaßnahmen, die in Unternehmen auch vorgenommen werden, also an die Einführung von Energiemanagement knüpfen, und man sollte auch tatsächlich nur diejenigen befreien, die im internationalen Wettbewerb stehen und deshalb überhaupt in Probleme geraten können. Das ist im Augenblick noch etwas breit aufgestellt, da kann man noch etwas machen.

    Schulz: Noch ganz kurz zum Schluss gefragt: Es gibt eine Meldung aus der "Süddeutschen Zeitung", nach der sich die Anzahl der Unternehmen, die eben diese Befreiung von der Ökostromzulage beantragt haben, verdoppelt hat. Liegt es nicht nahe, dass es da auch unheimlich viel Missbrauch gibt?

    Flasbarth: Ich würde da nicht von Missbrauch reden, weil das sind ja die gesetzlichen Regelungen, die jetzt geschaffen worden sind, und die werden von den Unternehmen natürlicherweise benutzt. Noch mal: Ich glaube, bei der zukünftigen Weiterentwicklung dieser Regelung ist es wichtig, dies enger an eigene Anstrengungen von Unternehmen zu knüpfen und an ihre tatsächliche Verflechtung im internationalen Wettbewerb.

    Schulz: Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, hier heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke dafür.

    Flasbarth: Bitte schön.

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