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"Ein Mandat, um Frieden zu schaffen"

Während im Osten des Kongos neue Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen toben, hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die schnelle Entsendung einer Eingreiftruppe versprochen. Doch Experten bezweifeln, dass die 3000 Mann gegen die vielen Rebellengruppen bestehen können.

Von Simone Schlindwein | 25.05.2013
    Während im Osten des Kongos neue Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen toben, hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die schnelle Entsendung einer Eingreiftruppe der Vereinten Nationen versprochen. Doch Experten zweifeln ob die 3000 Mann starke Eingreiftruppe gegen die vielen Rebellengruppen etwas ausrichten kann.

    Panik im größten Flüchtlingslager des Ostkongo:Frauen, Kinder und Alte laufen in alle Richtungen davon. Raketen fliegen über die weißen Plastikzelte. Hier am Stadtrand der Millionenmetropole Goma reihen Sie sich bis zum Horizont aneinander.
    Seit Anfang der Woche kämpfen in der Provinz Nord-Kivu wieder die Rebellen der M23 gegen die reguläre Armee des Kongo. Sechs Monate lang hatte die Feuerpause gehalten. Jetzt hat auch die M23, die Bewegung des 23. März, schwere Waffen an der Front. Beide Seiten beschießen sich mit Raketenwerfern, nur wenige Kilometer jenseits der Stadtgrenze. Ab und zu trifft ein Geschoss die dicht besiedelten Bezirke am Stadtrand und das Flüchtlingslager. Ein kleines Mädchen wurde getötet, 16 Menschen schwer verletzt, die meisten sind Kinder. Tausende fliehen vor den Bombeneinschlägen.

    Trotz der Gefechte besuchte UN Generalsekretär Ban Ki Moon in dieser Woche Goma, wenn auch nur für drei Stunden. Die UN-Blauhelme hatten zuvor einen Waffenstillstand zwischen der Armee und den Rebellen ausgehandelt, um den Kurzbesuch überhaupt zu ermöglichen. Seit elf Jahren sind rund 19.000 Blauhelme im Kongo stationiert. Sie sollen die Bevölkerung schützen, können es aber nicht. Die Vereinten Nationen wollen deshalb zusätzlich eine Eingreiftruppe in den Kongo entsenden, um die Rebellen aktiv zu bekämpfen, das kündigte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an.

    "Der Sicherheitsrat hat über die Stationierung von 3000 weiteren Blauhelmen entschieden. Diese Eingreiftruppe verfügt über ein Mandat, um Frieden zu schaffen. Die Blauhelme, die bereits hier sind, haben die Aufgabe, den Frieden zu sichern. Wenn erst gekämpft wird, können sie allerdings nichts mehr tun. Jetzt gehen wir weiter als je zuvor. Das ist etwas ganz neues in der Geschichte der Friedenseinsätze. Allerdings wiederhole ich, was ich auch Präsident Kabila gesagt habe: Diese Eingreiftruppe kann der kongolesischen Armee nicht die Verantwortung dafür abnehmen, selbst für Frieden und Sicherheit zu sorgen."

    Im Ostkongo kämpfen derzeit mehr als 50 verschiedene Rebellengruppen. Die schlecht bezahlte, korrupte Armee kommt gegen sie nicht an. Vergangenes Jahr hatten die Rebellen der M23 sogar die Millionenstadt Goma eingenommen, zogen nach zwölf Tagen aber wieder ab. Hier zeigte sich: Die Armee ist nicht in der Lage, Frieden zu schaffen. Und die bislang stationierten Blauhelme beobachteten die Lage nur. Ihnen war es nicht erlaubt, einzuschreiten.

    Auf einem Hügel nördlich von Goma sitzen indische UN-Blauhelmsoldaten hinter Sandsäcken. Von hier aus können sie sehen, wie viele Raketen abgefeuert werden und wo sie detonieren. Jeder Einschlag wird registriert. Doch sie können die Kampfhandlungen nicht verhindern, erklärt Oberst Gosh Premanku, der verantwortliche UN-Kommandeur.

    "Wir können durch die Stadtviertel patrouillieren, um die Bevölkerung darüber aufzuklären, wie sie sich schützen kann, wenn so etwas passiert. Die neue Eingreiftruppe wird die Lage verbessern, wenn sie die Aufgaben erfüllt, die ihnen aufgetragen wurde."

    Doch Experten zweifeln daran, dass eine 3000 Mann starke Eingreiftruppe gegen die vielen Rebellengruppen vorgehen kann. Diese Soldaten aus Tansania, Südafrika und Malawi haben keine Erfahrung im schwierigen Terrain des Kongos. Die meisten Milizen hingegen bestehen aus jungen Männern, die ihre Dörfer verteidigen. Sie tragen keine Uniformen, kennen aber im Dschungel jeden Pfad. Gegen sie vorzugehen, würde die Bevölkerung in den Dörfern gefährden. Die M23 besteht aus Soldaten, die aus der Armee desertiert sind. Sie sind gut trainiert, diszipliniert und kämpfen mit schweren Waffen.

    In einem Krieg gegen die M23 würden wahrscheinlich auch UN-Blauhelmsoldaten sterben. Die Vereinten Nationen nehmen hier im Kongo ein hohes Risiko in Kauf. Selbst wenn die Kämpfe eingestellt werden oder zumindest nachlassen: Nur die Politik könnte an den Ursachen des Konflikts etwas ändern. Eine politische Lösung aber ist nicht in Sicht.