Freitag, 19. April 2024

Archiv


Ein Mann mit klaren Prinzipien

"Ich mache meinen Job - in einer moderaten Art. Aber ich halte an meinen Prinzipien fest, unabhängig von anderen Meinungen." Der EU-Handelskommissars Karel De Gucht steht für eine klare Linie der EU-Kommission und schreckt auch vor einem Handelskrieg mit China in Sachen Solarprodukte nicht zurück.

Von Jörg Münchenberg | 06.06.2013
    Auf den ersten Blick ist es ein erstaunlicher Vorgang. 17 Mitgliedsländer lehnen Strafzölle gegen chinesische Solarprodukte strikt ab, eine deutliche Mehrheit. Doch die EU-Kommission hat sich davon nicht beeindrucken lassen und in dieser Woche die Anti-Dumping-Zölle auf den Weg gebracht. Formal ist sie dabei im Recht, denn für Handelsfragen ist fast ausschließlich die Brüsseler Behörde zuständig. Daran lässt auch der zuständige EU-Handelskommissar Karel De Gucht erst gar keinen Zweifel aufkommen:

    "Es ist die EU-Kommission, die für die externe Handelspolitik der Union zuständig ist. Und das aus gutem Grund: Allein die Kommission steht für die notwendige Unabhängigkeit und hat die Interessen aller im Auge, sie sieht das ganze Bild."

    Und das Verfahren ist klar. Nach den Antidumpingregeln kann die Kommission Strafzölle für die Dauer von sechs Monaten verhängen. Dazu gibt es vorher zwar Konsultationen mit den Mitgliedstaaten, aber sie benötigt dazu nicht deren Zustimmung. Erst nach den sechs Monaten müssen die Mitgliedstaaten mitziehen, falls die Strafzölle dauerhaft angelegt werden sollen. Im Europäischen Parlament findet dieser harte Kurs viel Zustimmung, auch wenn er zu einem Handelskrieg mit China führen könnte. Der CDU-Abgeordnete und Handelsexperte Daniel Caspary:

    "Die Kommission hat entschieden. Ich glaube sehr weise. Und die Kommission hat auch gezeigt, dass sie sich in ihrer Entscheidung nicht unter Druck setzen lässt. Weder von den Mitgliedstaaten noch von den Chinesen. Und die Kommission hat zum Beispiel den breiten Rückhalt im Europäischen Parlament. Und ich glaube, wenn Sie sich dazu im Parlament umhörten, dann stellen Sie fest, dass eine breite Mehrheit der Kommission den Rücken frei hält."

    Diese Unterstützung wird der streitbare Handelskommissar sicherlich wohlwollend zur Kenntnis genommen haben. Vom Kurs wäre er aber dennoch nicht abgewichen. Ein Mann, ein Wort, das ist die Devise des 59 Jahre alten Flamen, der schon vielen Herren gedient hat. 1980 saß er im Europäischen Parlament, 2003 wurde er für die Liberalen Mitglied im belgischen Abgeordnetenhaus, später war er sogar Außenminister. Ein Amt, so heißt es, dass ihm am meisten Spaß gemacht habe. Doch auch als EU-Handelskommissar bleibt er sich selbst treu – gerade auch im Streit um Strafzölle für chinesische Solarpaneele:

    "Ich mache meinen Job – in einer moderaten Art. Aber ich halte an meinen Prinzipien fest, unabhängig von anderen Meinungen."

    So viel Kante ist selten geworden in der Kommission, die von vielen Beobachtern derzeit als äußerst schwach eingestuft wird. Doch im Handelsstreit stehen die Kollegen geschlossen hinter De Gucht. Auch im Europäischen Parlament, so der Abgeordnete Caspary, sei das aufmerksam registriert worden:

    "Dass sich De Gucht hier in der Kommission durchgesetzt hat mit seiner Entscheidung – ich wünsche mir solche Elemente und solche Momente öfter."

    Doch die berufliche Zukunft des Handelskommissars ist offen. Im kommenden Jahr wird es eine neue Kommission geben. Ob De Gucht dann noch Chancen hat, hängt wiederum vom Ausgang der belgischen Parlamentswahlen 2014 ab. Gerne würde er aber wohl weitermachen, denn demnächst stehen die Verhandlungen mit den USA über eine gemeinsame Freihandelszone an. Eine Mammutaufgabe mit vielen Hindernissen und Fallstricken – so ganz nach dem Geschmack des amtierenden EU-Handelskommissars.