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Ein musikalisches Multitalent

Rap ist Straße, aggressiv, rau. Schlager ist glatt, kitschig und überladen. Es gibt kaum zwei Musikrichtungen, die weiter voneinander entfernt sind als diese beiden. In Berlin gibt es einen Künstler, der trotzdem beides macht. MC Ramon aka Romano meint außerdem beides ernst.

Von Gesine Kühne | 16.09.2013
    Glänzend rote Baseballjacke, er fährt einen 90er-Jahre-BMW. Die langen blonden Haare sind zum Zopf gebunden. Jetzt würde ein Rap gut passen. Statt Sprechgesang gibt es aber Schlager.

    Roman Geike heißt der Mann, der schunkelnde Omis mit seinen Liedern verzückt. Dafür trägt er normalerweise die Haare offen, ein gebügeltes Hemd mit Rüschenkragen und Stoffhosen - und vor allem das Pseudonym Romano. Doch Schlager ist nicht das Einzige, was der 36-jährige Berliner kann. Er rappt auch - dann unter dem Namen:

    "Ich bin der MC Ramon oder auch Cornerboy genannt. Cornerboy, der Eckensteher, der überall in seiner Gegend aktiv ist."

    Seine Gegend heißt Berlin-Köpenick, seine Aktivität Musik. In Geikes Diskografie trifft Zungenakrobatik auf Schmalz, Rap auf Schlager. Während die meisten angesichts dieser kruden Mischung die Augen rollen, bekennt MC Ramon beziehungsweise Romano seine Liebe zu beiden Sparten:

    "Im Kindergarten hatte mich mein Vater auf dem Rücken gehabt und ich habe mit dem Mund so 'ksch, peh, ksch, peh' gemacht. Das war rhythmisch irgendwie geil, und ich kannte damals die Beatbox noch gar nicht. Dazu kam - als Gegenstück - dass meine Mutter gerne RIAS mit dem alten Ami Rik De Lisle gehört hat und bei mir das Streben nach der Schlagerfigur 'Romano' entstanden ist."

    Erst nach der Wende, in den Neunzigern, erfährt der Ostberliner von Hip-Hop. Ein junger Typ in weiten Jeanshosen und frischen, weißen Turnschuhen beeindruckt ihn. Der erzählt ihm von Rap und empfiehlt die Gruppe "Public Enemy".

    "Ich hab gemerkt, dass es ein Rhythmus ist, den ich cool finde. Ich habe mich dann aber eher in Richtung Westküste entwickelt. Der Sound war smoother, mehr zum Abgrooven, das fand ich spannender für mich."

    Mit Hip-Hop im Herzen wird der zukünftige Rapper und Schlagersänger aber erst mal Teil einer Rockband. Er vernetzt sich mit der Berliner Musikwelt. Zum Beispiel lernt Roman Geike Jan Driver kennen, einen Produzenten und Remixer für elektronische Musik. Roman Geike:

    "Jan sollte damals einen Remix machen, aber der Remix war nicht so prickelnd. Als ich auf dem Klo so vor mich hin sang, hörte das Jan und hat meine Stimme einfach mal auf den Remix gelegt. So entstand die Parallelwelt des Schlagers."

    Ein Zufall. Doch keiner, der sich falsch anfühlt, denn schon als Erstklässler mimt Geike die Rampensau, performt für seine Klasse George Michaels "I Want Your Sex". Zeigestock und Tanzeinlagen inklusive:

    "Hättest du mir vorher gesagt, du machst irgendwann mal Schlager, hätte ich empört gesagt, was soll denn das. Aber da es durch einen spaßigen, schönen Moment mit Freunden entstanden ist. Ick lebe dit. Dit is ein Teil von mir. Und die elektronische Musik mit Sprechgesang ist einfach ein schöner Ausgleich dazu."

    Tausendsassa oder Hans Dampf in allen Gassen. Weder Romanos Rüschenhemd noch des Cornerboys glänzende Baseballjacke ist eine Verkleidung. Keiner der Musikstile ist aufgesetzt, um einen bestimmten Markt zu bedienen, um damit reich und berühmt zu werden. Er definiert sich auch nicht über die jeweilige Musikrichtung. Er sei einfach nur …

    "… Lebenskünstler und leidenschaftlicher Sänger und Entertainer. Ich probiere Freude in die Welt zu bringen."

    Dass das Berliner Original so viel möchte, kann man ihm nicht übel nehmen. Letztlich ist das Bedienen vieler Sparten ein modernes Phänomen. Roman Geike aka MC Ramon aka Romano ist wie ein menschgewordener Streamingdienst. Metal und Techno, Rap und Schlager. In der virtuellen Plattensammlung ist auch alles erlaubt.