Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Ein Roboter zieht alleine los

Er sieht aus wie eine Mischung aus R2D2 und einem Segway, ist gut 100 Kilogramm schwer, 1,70 Meter groß und hat jetzt seinen ersten vier Kilometer langen Stadtrundgang durch Freiburg erfolgreich absolviert: Der Roboter Obelix, ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Universitäten, ist der erste Vertreter seiner Zunft, dem diese scheinbar alltägliche Aufgabe eigenständig gelingt.

Von Christine Ricken | 22.08.2012
    "Man nennt mich Obelix und ich werde heute selbstständig zum Bertholdsbrunnen fahren - auf geht's."

    Ganz so schnell geht's nicht. Denn es sind so viele Leute gekommen, die den Roboterspaziergang sehen wollen, dass Obelix zuerst gar nicht weiß, wo er hin muss. Das Entwickler-Team eilt zur Hilfe.

    "Können Sie uns bitte den Gefallen tun: Wenn sie direkt vor dem Roboter stehen, dann versperren Sie ihm den Weg und er versucht die ganze Zeit um Sie herum zu planen. Das wird dann auf die Dauer echt schwierig."

    Obelix - der Name passt. Der Roboter hat einen dicken Bauch, einen runden Sensor als Bauchnabel und ist auf Rädern unterwegs. Oben drauf: ein rechteckiger Kopf, zwei rote Ohren und freundliche LED-Augen. Auch das Gewicht stimmt - knapp 100 Kilo wiegt Obelix - und bei seiner Größe von 1,65 kann ich ihm direkt in die Augen schauen.

    Vier Kilometer muss der Roboter alleine zurücklegen. Vom Campus der Technischen Fakultät der Uni bis in die Freiburger Innenstadt.

    Professor Wolfram Burgard ist der Projekt-Leiter. Trotz vieler erfolgreicher Testfahrten in den letzten Wochen könnte doch auch immer was schiefgehen.

    "Dass er nicht mehr weiß, wo er sich befindet, das könnte problematisch werden, weil zu viele Leute drum herum stehen. Und dass irgendein Hindernis im Weg ist, womit niemand gerechnet hat. Also er könnte im Sand stecken bleiben oder in einem Busch hängen bleiben - irgendwie so etwas. Der Worst Case wäre, dass wir nicht ankommen, aber davon gehe ich mal nicht aus!"

    Sehen kann Obelix durch Infrarot-Sensoren. Sie reichen bis zu 50 Meter weit. Was er sieht, gleicht Obelix mit einer elektronischen Karte ab, die er bei mehreren Testfahrten erstellt hat.

    Vor einer Fußgängerampel an einer 4-spurigen Straße hält Obelix abrupt an. Auf einem Touchscreen an seinem Rücken erscheint ein rotes Stoppschild. Für gefährliche Stellen haben die Forscher ein Sicherheits-System eingebaut, erklärt Bastian Steder. Er hat den Roboter mit entwickelt:

    "Die Straße ist von uns markiert als ein Bereich, wo er anhalten muss und um Erlaubnis fragen muss, bis er weiterfahren darf. Das ist einfach eine Sicherheitsfrage, weil er von seiner Sensorik her nicht die Reichweite hat und den Sichtbereich, um wirklich richtig beurteilen zu können, ob da Autos kommen, ob das zu gefährlich ist zu fahren oder ob eine Ampel grün ist oder rot."
    Und wenn es dann doch mal eng wird, gibt es immer noch Michael Ruhnke. Er ist ebenfalls einer der Entwickler und läuft direkt hinter Obelix - in der Hand: den Not-Stopp-Knopf:
    "Das ist alles Forschungssoftware. Die ist zwar ausgiebig getestet, aber im Zweifelsfall ist es wichtig, dann doch noch verhindern zu können, dass eine Kollision erfolgt."

    Mussten Sie den heute schon benutzen?

    "Nein, aber an der Ampel vorhin ist da jemand dran gekommen, deswegen hat er auch ein bisschen länger gebraucht, um loszufahren."

    Nachdem Obelix eine weitere Straße überquert hat, kommt er plötzlich ins Stocken, dreht sich hin und her, fährt vor und zurück. Projektleiter Wolfram Burgard analysiert:

    "Das Problem ist, dass er wahrscheinlich im Moment nicht so genau weiß, wo er sich befindet. Es sind einfach zu viele Leute drum herum und er sieht fast nichts von dem, was er eigentlich hier erwarten würde. Und wahrscheinlich müssen wir gleich tatsächlich noch mal an einer Stelle helfen. Wir warten mal ab und sehen, was passiert."

    Nach kurzer Neuausrichtung per Menschenhand rollt Obelix weiter in Richtung Stadtmitte. In der Fußgängerzone testen einige Passanten den Roboter gleich mal:

    "Ich wollte unbedingt wissen, ob er erkennt, dass wir ihm im Weg stehen. Er ist drum rum, er ist uns ausgewichen sozusagen. Hat gedacht, die gehen nicht weg, also muss ich weg. Das macht er gut, finde ich."

    Können Sie sich vorstellen, so was später mal als Boten zu benutzen, so einen Roboter?

    "Ja, ich hab mir schon überlegt, ob unsere Enkel das als völlig natürlich betrachten, dass ihnen so was auf der Straße begegnet und um sie herum geht."

    Nach gut anderthalb Stunden hat Obelix sein Ziel erreicht - den Bertoldsbrunnen mitten in der Stadt. Am Zielfähnchen gibt's ein Fotofinish mit allen Beteiligten und Projektleiter Wolfram Burgard ist hoch zufrieden:

    "Es hätte nicht besser sein können. Er war zwar einmal ein wenig verwirrt, aber das geht uns manchmal auch so. Oder haben sie noch nie auf die Karte geschaut, ob sie noch richtig sind?"

    Sind sie jetzt ganz stolz wie auf ein kleines Baby?

    "Ja natürlich, mehr als das - und natürlich auf meine Jungs hier."

    Seine Jungs - das sind drei Doktoranden, die Obelix für die Testfahrt fit gemacht haben. Insgesamt haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 20 Forscher an Obelix getüftelt und ihn zum ersten selbstständigen Roboter gemacht, der sich unter Fußgänger mischen kann.

    "Hurra - ich bin am Bertoldsbrunnen angekommen!"