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Ein ruheloses Leben

Nach dem Triumph von Naturalismus und Psychologie wirken Carlo Goldonis Stücke mit ihren rotbackigen Rokokofigurinen heute weit weniger natürlich und aufregend als zu seiner Zeit. Vor 300 Jahren wurde der italienische Dramatiker geboren.

Von Ruth Fühner | 25.02.2007
    "Der Diener zweier Herren", so heißt das wohl berühmteste von Carlo Goldonis Stücken. Darin bessert ein gewisser Truffaldino sein mageres Gehalt als Bedienter einer Dame auf, indem er sich auch von ihrem Angebeteten anstellen lässt. Als Goldoni diese Komödie schrieb, war er selbst hin und her gerissen zwischen zwei Herren: der Juristerei, die ihm ein Auskommen sicherte, und dem Theater, dem seine Leidenschaft galt. Ironie des Schicksals, dass sich Goldonis Nachruhm vor allem einer Commedia dell'arte verdankt. Denn eigentlich liegt sein theaterhistorisches Verdienst gerade darin, dass er der italienischen Stegreifkomödie mit ihrem Spiel der Typen und Masken entschlossen ein Ende setzte.

    "Die Maske wird das Spiel des Darstellers immer beeinträchtigen. Will er nun Freude oder Schmerz ausdrücken, ob er nun verliebt ist, in Zorn gerät oder scherzt, stets zeigt sich das gleiche bemalte Leder. Heute verlangt man von dem Schauspieler Seele, und Seele unter der Maske ist wie Feuer unter der Asche."

    Goldonis großes Vorbild war Molière. In Molières Charakterkomödien zeigte sich jene Art von Seelen, der auch Goldoni in seinen freilich liebenswürdigeren Lustspielen den Spiegel vorhielt: leichtsinnige Lügner, grundlos Hochmütige, freche Denunzianten, bekehrte Frauenfeinde. Dabei entstanden Stücke wie "Der Lügner" oder "Mirandolina", die er zum großen Teil selbst inszenierte, und dazu viele Opern-Libretti für Komponisten wie Haydn, Mozart oder Baldassare Galuppi.

    Goldonis Leben war farbig und ruhelos, angetrieben von Liebeshändeln und Beleidigungsklagen, Kriegen und Geldsorgen, von Rivalität und Hoffnung auf Erfolg. Geboren am 25. Februar 1707 in Venedig als Spross einer theaterbegeisterten Familie, besuchte Goldoni Schulen in Rimini und Pavia, riss aus, um sich einer Schauspieltruppe anzuschließen, wurde Doktor der Rechte in Padua, Advokat in Venedig, Ehemann in Genua und schließlich, für einige erfolgreiche und aufreibende Jahre, festangestellter Theaterautor und -regisseur in seiner Heimatstadt.

    16 Stücke von ihm standen allein in der Saison 1750 auf dem Programm des Teatro Sant'Angelo in Venedig - geliebt vom Publikum, aber auch angefeindet: von akademischen Puristen ebenso wie von aristokratischen Reaktionären, denen Goldonis Personal zu kleinbürgerlich-pöbelhaft und überhaupt die ganze Richtung zu aufgeklärt-demokratisch war.

    Schließlich nahmen die Intrigen überhand. 1762 bot der französische König Goldoni eine Intendanz in Paris an, wo er allerdings so gut wie ausschließlich Commedia dell'arte zu geben hatte. Goldoni sprang über seinen Schatten. Doch auch den Parisern war Molières Theater längst lieber, und so musste die "Comedie Italienne" bald schließen. Goldoni bekam einen neuen ehrenvollen, wenn auch fachfremden Posten als Sprachlehrer bei Hofe. Doch als die Französische Revolution kam, schadete ihm diese Verbindung nur - und sein inzwischen europaweiter Ruhm als Dramatiker nützte ihm wenig. Er verlor seine königliche Pension und stürzte in tiefe Armut.

    Heute, nach dem Triumph von Naturalismus und Psychologie, wirken Goldonis Stücke mit ihren rotbackigen Rokokofigurinen weit weniger natürlich und aufregend als zu seiner Zeit. Wie sehr selbst die revolutionären Franzosen Goldoni schätzten, das stellte, wenn auch zu spät, die Nationalversammlung unter Beweis. Am 6. Februar 1793 erkannte sie ihm seine Pension wieder zu. Es war der Tag seines Todes.