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"Ein Schub für das Konzept der Abrüstung"

Der Toxikologe Ralf Trapp war Mitarbeiter der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, die nun mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Er sieht den Preis als "Anerkennung von 16 Jahren harter Arbeit".

Ralf Trapp im Gespräch mit Mario Dobovisek | 11.10.2013
    Mario Dobovisek: Es ist eine kleine goldene Medaille mit großer politischer Wirkung: der Friedensnobelpreis, das Vermächtnis seines Stifters Alfred Nobel, der einst verfügte, dass der Preis an denjenigen vergeben werden möge, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt und damit im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht hat. Für das Nobelkomitee ist das in diesem Jahr also die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen. Hören wir die Begründung des Komiteevorsitzenden Thorbjörn Jagland.

    O-Ton Thorbjörn Jagland: "Das norwegische Nobelkomitee hat entschieden, dass der Friedensnobelpreis 2013 verliehen wird an die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen für ihre umfangreiche Arbeit zur Vernichtung chemischer Waffen. Während des Ersten Weltkriegs wurden chemische Waffen in erheblichem Umfang eingesetzt. Die Genfer Konvention von 1925 hat den Einsatz chemischer Waffen verboten, aber nicht die Produktion oder die Lagerung chemischer Waffen. Während des Zweiten Weltkriegs wurden chemische Waffen von Hitler bei der Massenvernichtung von Menschen, bei der Massentötung eingesetzt. Sie wurden mehrfach eingesetzt von Staaten und Terroristen. 1992 bis 1993 wurde eine Konvention verabschiedet, die auch die Produktion und Lagerung chemischer Waffen verbot. Die wurde 1997 in Kraft gesetzt. Seitdem hat die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) die Aufgabe, Inspektionen durchzuführen für die Implementierung dieser Konvention."

    Dobovisek: Soweit also der Sprecher des Nobelpreiskomitees Thorbjörn Jagland über die Vergabe des diesjährigen Friedensnobelpreises an die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen. – Eine erste Reaktion darauf von Bundesaußenminister Guido Westerwelle:

    O-Ton Guido Westerwelle: "Dieser Friedensnobelpreis wird der Abrüstung weltweit neuen Schub verleihen. Es ist ein Friedensnobelpreis, der zugleich eine Ermutigung ist für all diejenigen in der Welt, die sich für das Verbot und die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen einsetzen. Deswegen begrüßen wir diese Vergabe des Friedensnobelpreises von ganzem Herzen. Es ist eine weitsichtige Entscheidung für Abrüstung und Nichtverbreitung und Abrüstung und Nichtverbreitung wird dadurch auch weltweit noch einmal hervorgehoben und unterstützt."

    Dobovisek: Bundesaußenminister Guido Westerwelle über den diesjährigen Friedensnobelpreisträger. – Am Telefon begrüße ich Ralf Trapp, er ist Toxikologe und Chemiewaffen-Experte und hat bis 2006 für die OPCW gearbeitet. Guten Tag, Herr Trapp.

    Ralf Trapp: Guten Tag!

    Dobovisek: Freuen Sie sich über den Friedensnobelpreis für die OPCW?

    Trapp: Ja sicher. Das ist eine Anerkennung von 16 Jahren harter Arbeit in der Umsetzung des Übereinkommens. Aber wie der Außenminister auch gesagt hat: Es ist gleichzeitig natürlich auch ein Schub für das Konzept der Abrüstung weltweit und dafür, dass da entsprechend weitergearbeitet werden kann und wird, und nicht nur auf dem chemischen Gebiet, aber zunächst mal auf dem Gebiet.

    Dobovisek: Wie viel Schub wäre denn nötig?

    Trapp: Im Augenblick braucht die OPCW ganz schönen Schub, denn sie hat ja mit der Abrüstung in Syrien eine völlig neue und bisher unbekannte Aufgabe übernommen, Abrüstung eines Staates im chemischen Gebiet während eines Bürgerkrieges. Das ist schon was ganz Neues, das gab es vorher noch nicht.

    Dobovisek: Eine bisher also einmalige Aufgabe. Wie können wir uns die Aufgabe für die Kontrolleure, für die Überwacher vorstellen?

    Trapp: Im Augenblick geht es zunächst mal darum, die Meldung der Syrer, also die Angaben, die die syrische Regierung gemacht hat über ihre Chemiewaffen-Vorräte und ihre Produktionsanlagen, zu überprüfen. Dafür sind Inspektoren im Lande, die gehen mit den syrischen Behörden durch die Deklaration durch, Zeile für Zeile, und danach wird vor Ort inspiziert. Die ersten Inspektionen haben ja schon begonnen. Und bei der Gelegenheit wird also nicht nur das Inventar erhoben, gezählt, wie viele Waffen wirklich da sind, in welchen Mengen, in welchem Zustand sie sich befinden, sondern gleichzeitig werden entsprechende Gespräche geführt zur Planung der künftigen Inspektionen und der Vernichtungsmaßnahmen, die dann durchzuführen sind, und an einigen Standorten hat man auch schon damit begonnen, sowohl ungefüllte Waffen als auch Geräte, zum Beispiel Füllmaschinen, Mischmaschinen und so weiter, unschädlich zu machen, sie praktisch so zu zerstören, dass sie zwar noch nicht völlig vernichtet sind, aber nicht mehr benutzt werden können.

    Dobovisek: Dennoch ist es so, dass die Inspektoren nur das sehen, was ihnen das Regime zeigt. Wer sagt uns denn, dass das wirklich alles ist?

    Trapp: Das ist richtig. Das ist auch nichts Neues, das ist mit allen Staaten so gewesen. Nun ist die Situation in Syrien sicher etwas komplizierter und anders. Es gibt im Rahmen sowohl des Vertrages, also des Chemiewaffen-Übereinkommens, als auch im Rahmen der Entscheidung, die angenommen worden ist von der OPCW in Den Haag Verfahrensmöglichkeiten, mit denen man Verdachten nachgehen kann. Wenn Staaten Informationen darüber haben, dass möglicherweise bestimmte Standorte oder Teile von Waffenvorräten nicht gemeldet worden sind von den Syrern, dann gibt es eine Inspektionspflicht. Die OPCW kann dann inspizieren, die Syrer haben diese Inspektionen auch zuzulassen. Wie das praktisch arrangiert wird, ist möglicherweise eine andere Frage. Natürlich hat man mit der Situation eines Bürgerkrieges hier zu tun und da ist etliches dann doch wesentlich komplizierter. Aber der Rechtsrahmen und der praktische Rahmen ist da, um das zu tun.

    Dobovisek: Wie schnell geraten da die Chemiewaffen-Experten zwischen die politischen Fronten?

    Trapp: Na hoffentlich nicht, denn wie gesagt: Die Arbeit ist natürlich zunächst eine praktische und technische Arbeit und keine politische Arbeit. Natürlich hat sie eine große politische Bedeutung und sie braucht auch politische Unterstützung, aber die Inspektoren sind im Lande, um zu inspizieren und um den Syrern dabei zu helfen, ihnen entsprechende Hinweise zu geben dazu, wie diese Waffen und die Anlagen entsprechend vernichtet werden müssen. Sie sollten eigentlich nicht zum politischen Spielball werden.

    Dobovisek: Sie brauchen politischen Willen, das haben Sie gerade gesagt. Reicht denn der politische Wille international auf der großen Weltbühne aus, um solche Inspektionen zum Beispiel in Syrien zu unterstützen, Stichwort Sicherheitsrat?

    Trapp: Ja der Sicherheitsrat ist ganz wichtig. Nun sollte man zunächst mal sagen, dass Syrien natürlich selbst dem CWÜ beigetreten ist, und damit hat es eine rechtliche Verpflichtung übernommen. Das ändert, glaube ich, auch die Konstellation im Sicherheitsrat, aber mit Sicherheit natürlich in Den Haag in der OPCW. Wir reden jetzt nicht mehr darüber, dass man die Syrer davon überzeugen muss, dass sie Inspektoren ins Land lassen; sie sind rechtlich dazu verpflichtet. Sie haben sich selbst dazu verpflichtet, das zu tun. Insoweit ist der Rahmen anders, als er noch vor vielleicht 14 Tagen war, und ich nehme schon an, dass auch mit der Unterstützung der Amerikaner und der Russen im Sicherheitsrat die politische Lage so beeinflusst werden kann, dass die Inspektionen entsprechend vernünftig durchgeführt werden können.

    Dobovisek: Waren Sie enttäuscht über die schleppenden Verhandlungen einst im Sicherheitsrat?

    Trapp: Zu Syrien?

    Dobovisek: Ja.

    Trapp: Da war schon ein bisschen Enttäuschung da, das ist völlig richtig. Aber es war eine komplizierte Situation und nach wie vor ist es kompliziert, und zunächst muss man mal sagen: Der Umstand, dass man Syrien dazu bewegt hat, dem CWÜ beizutreten und damit eine rechtliche Verpflichtung zu übernehmen, seine eigenen Chemiewaffen und Produktionsanlagen zu vernichten, das war ein ganz wichtiger Schritt. Nicht nur im Sinne ganz allgemein gesprochen von Abrüstung und globaler Beseitigung von Massenvernichtungswaffen, sondern auch im Hinblick auf die konkrete Situation in Syrien halte ich das für einen Schritt, der wichtig war, notwendig war und auch sehr gut war und insoweit die Blockade, die wir im Sicherheitsrat hatten, darüber, was mit Syrien denn passieren sollte, zunächst mal aufgehoben hat.

    Dobovisek: Der Chemiewaffen-Experte und frühere OPCW-Mitarbeiter Ralf Trapp zur Vergabe des Friedensnobelpreises an die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Trapp: Schönen Dank!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.