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"Ein Tag der Freude und ein Tag der Zuversicht"

Nach nur acht Wochen waren die Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Staaten abgeschlossen. Am 31. August 1990 wurde der Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands in Berlin unterzeichnet.

Von Kirsten Heckmann-Janz | 31.08.2010
    "Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir erfüllen heute eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg zur Deutschen Einheit","

    erklärte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière anlässlich der Unterzeichnung des Einigungsvertrages. Und der Verhandlungsführer der bundesdeutschen Delegation, Innenminister Wolfgang Schäuble, betonte:

    ""Heute ist ein Tag der Freude und ein Tag der Zuversicht für alle Deutschen. Freude und Zuversicht darüber, dass die staatliche Einheit nicht nur kommt, sondern dass sie auch in geordneten Bahnen verläuft."

    In nur acht Wochen wurde der "Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands" ausgehandelt. Am 31. August 1990 unterzeichneten Wolfgang Schäuble und der DDR-Delegationsleiter Staatssekretär Günther Krause im Ostberliner Palais "Unter den Linden" das umfangreiche Werk.

    Über den schwierigen Weg zur Einheit hat der Politikwissenschaftler Gert-Joachim Glaeßner geforscht:

    "Es gab ein deutliches Missverständnis auf der Seite der Verhandlungsführer der DDR, die der Auffassung waren, sie seien jetzt gleichberechtigte Verhandlungspartner, die mit einem anderen gemeinsam einen Vertrag schließen. Nun, das war unrealistisch."

    "Wer das Geld mitbringt, hat halt die Macht und entscheidet über die Wege, und das ist im hohen Maße hier natürlich auch so gelaufen."

    Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes:
    "Das Zweite, was man sagen muss, die Handlungseliten, diejenigen, die das Wissen mitbrachten über das Funktionieren des Systems, die kamen alle aus dem Westen, also, insofern, es war natürlich keine Verhandlung auf Augenhöhe, gleichwohl, und das ist ganz wichtig zu betonen, muss man sagen, dass die verschiedenen Arbeitsgruppen schon von einer Partnerschaft durchaus gekennzeichnet waren, das ist ganz klar."

    "Niemand wollte den anderen über den Tisch ziehen. Jeder wusste, noch sitzen wir zwar hier als DDR und hier als Bundesrepublik, aber morgen sind wir das gemeinsame und geeinte Deutschland. Und deshalb haben wir auch bei schwierigsten Problemen immer wieder eine Lösung, einen Kompromiss oder wenigstens einen Gestaltungsweg gefunden","

    urteilte Wolfgang Schäuble nach der Unterzeichnung. Der Vertrag benannte unter anderem notwendige Grundgesetzänderungen, er legte fest, dass die im Zuge der Bodenreform erfolgten Enteignungen nicht rückgängig gemacht werden, dass Berlin Hauptstadt des vereinten Deutschland ist und regelte im umfangreichen Anhang eine Fülle von Details, bis hin zu Handelsklassen für Schweinehälften.

    ""Auf der anderen Seite muss man schließlich feststellen, dass dieser Einigungsvertrag natürlich auch von einer ganzen Reihe von Versäumnissen strotzt. In diesem Einigungsvertrag gab es keine Regelung über den Umgang mit den Stasi-Akten. Diese Regelung kam erst auf Druck ostdeutscher Parlamentarier und der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung im September nachträglich als eine Protokollnotiz zum Einigungsvertrage, in der festgelegt wurde, dass der neu gewählte Bundestag sich dieser Problematik annehmen solle."

    Unstimmigkeiten gab es vor allem zwischen den politischen Parteien der Bundesrepublik. Da die Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderten, war die SPD-Opposition in die Verhandlungen eingebunden. Gert-Joachim Glaeßner.

    "Das gab umstrittene Punkte, also symbolisch hoch aufgeladen war Paragraf 218 Strafgesetzbuch, Schwangerschaftsabbruch. Und da ist was Interessantes passiert: Da haben eigentlich diejenigen in der Bundesrepublik, die schon immer für eine Verbesserung der Regelung plädiert haben, diese Gelegenheit genutzt, um mit Hinweis auf die DDR, die wesentlich liberalere Regelungen in Hinblick auf Schwangerschaftsunterbrechungen hatte, zu sagen, wir können das da jetzt nicht zurückschrauben."

    Auch in dieser Frage kam es schließlich in letzter Minute zu einem Kompromiss. Den Einheits-Skeptikern hielt Lothar de Maizière entgegen:

    "Wir sollten immer wieder Zufriedenheit darüber empfinden, dass wir das alte System hinter uns haben. Bei aller Hilfe, die wir empfangen, müssen wir uns auf unsere eigenen Kräfte besinnen. Die Verwirklichung von Freiheit und Demokratie sollte nicht von Kassandra-Rufen überdeckt werden."

    Noch im September stimmten Volkskammer, Bundestag und Bundesrat dem "Einigungsvertrag" mit großer Mehrheit zu. Seit dem 3. Oktober 1990 gibt es nur noch einen deutschen Staat.