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Einblick in Primatenevolution

Genetik. - Ulindi, eine Bonobo-Dame mit Wohnsitz in Leipzig, schreibt Wissenschaftsgeschichte. Ihr Genom wurde stellvertretend für die Art der Zwergschimpansen entziffert und in "Nature" vorgestellt. Einer der beteiligten Forscher, Kai Prüfer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, erläutert die Arbeit im Gespräch mit Arndt Reuning.

Kai Prüfer im Gespräch mit Arndt Reuning | 14.06.2012
    Reuning: Herr Prüfer, was genau verrät uns denn nun das Bonobo-Genom?

    Prüfer: Eines der faszinierenden Resultate, die wir gefunden haben, als wir uns das Genomen angeschaut haben, ist: Dass es trotz dass Bonobos und Schimpansen am engsten miteinander verwandt sind, und der Mensch ferner Verwandter von beiden ist, es einige Bereiche gibt, in denen sowohl Bonobo als auch Schimpanse näher am Menschen ist und der andere Affe weiter entfernt. Und diese Bereichen machen ungefähr drei Prozent des menschlichen Genoms aus.

    Reuning: Sagen denn diese Ergebnisse nur etwas aus über die Natur dieser beiden Schimpansenarten, oder auch über uns Menschen?

    Prüfer: Wir sind noch nicht an der Stelle, wo wir genau anschauen können, was im Genom steht und wir können das übersetzen in wie sich eine Art verhält oder wie sie aussieht. Insofern, diesen Schritt können wir leider noch nicht machen. Aber was wir machen können: Wir können ein bisschen die Historie verstehen, zum Beispiel dadurch, dass wir diese Genome miteinander vergleichen und schauen, wie ähnlich sie sich sehen. Und eine Analyse, die wir machen konnten, ist zum Beispiel festzustellen, wann der letzte gemeinsame Vorfahre von Menschen und Schimpanse gelebt hat, von Mensch, Schimpanse und Bonobo in dem Fall, oder von Schimpanse und Bonobo. Und wir haben gesehen, dass der letzte Vorfahre von Schimpanse und Bonobo vor ungefähr einer Million Jahre gelebt hat, und der gemeinsame Vorfahre von diesen beiden mit dem Menschen vor ungefähr 4,5 Millionen Jahren.

    Reuning: Gewinnt denn der gemeinsame Vorfahren von Mensch und Schimpansen nun deutlichere Konturen?

    Prüfer: Ja. Insofern als dass wir durch unsere Analyse auch sagen können, wie viele Individuen zum Beispiel gelebt haben. Durch diese Analyse von wie viel des menschlichen Genoms ist näher an Schimpansen, wie viel vom menschlichen Genom ist näher am Bonobo können wir schlussfolgern, dass in einem idealisierte Modell 27.000 Individuen wenigstens am Leben gewesen sein mussten.

    Reuning: Ist das relativ viel?

    Prüfer: Das ist relativ viel. Für dieselbe finden wir ungefähr 10.000 Individuen auf der menschlichen Linie, so in dem gleichen Modell, die in den letzten Millionen Jahren gelebt haben, und ebenso beim Bonobo finden wir, dass in diesem Modell ungefähr 10.000 Individuen am Leben waren, die sich frei gekreuzt haben.

    Reuning: Wir haben die Verhaltensweisen schon angesprochen. Was ist das Bemerkenswerte am Verhalten der Bonobos?

    Prüfer: Bonobos unterscheiden sich recht drastisch im Verhalten von Schimpansen in der Richtung, dass Bonobos sehr friedfertig sind, generell, zum Beispiel überlappende Territorien haben, die sie nicht verteidigen. Ich glaube, der markanteste Punkt und die bekannteste Verhaltensweise von Bonobos ist tatsächlich ein ausuferndes Sexualleben. Also tatsächlich Sex, der nicht der Fortpflanzung dient, so beim Menschen ebenso.

    Reuning: Und dieses Verhalten spiegelt sich auch in den Genen wieder, oder kann man überhaupt keine Verbindung herstellen?

    Prüfer: Das ist im Prinzip die Frage, die wir hoffen an irgendeiner Stelle beantworten zu können. Der Grund das Bonobo-Genom zu sequenzieren ist, dass innerhalb dieser kurzen Zeit, 1 Million Jahre, relativ kurzen Zeit Schimpansen und Bonobos angefangen haben, sich völlig unterschiedlich verhalten. Und was wir gerne herausfinden möchten in den nächsten Jahren ist, welche Unterschiede zwischen Schimpansen und Bonobos tatsächlich dazu führen, dass die beiden sich so unterschiedlich verhalten. Was also die genetische Basis ausmacht.