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Einblicke in eine literarische Ehe

Die Beziehung zwischen Heinrich Heine und seinem Verleger Julius Campe war eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte. Von 1826, als der erste Band der "Reisebilder" bei Hoffmann und Campe erschien, bis zu Heines Tod 1856, hielten sich Verleger und Autor die Treue. Ihr umfangreicher Briefwechsel zeugt von zwei gefuchsten Geschäftspartnern, die zugleich Freunde waren.

Von Eva Pfister | 06.12.2007
    Der eine saß in Hamburg, der andere in Paris: Julius Campe und Heinrich Heine. Es war eine lebenslängliche Beziehung, die von Campe sogar einmal mit einer Ehe verglichen wurde. Und wie es in einer Ehe passieren kann, wurde sie von heftigen Streitereien erschüttert. Fast 400 Briefe zwischen Verleger und Dichter zeugen von dieser ungewöhnlichen Verbindung; 128 haben Gerhard Höhn und Christian Liedtke für ihr Buch ausgewählt. Der schöne titelgebende Satz, nämlich "Der Weg von Ihrem Herzen zu Ihrer Tasche ist sehr weit", deutet schon an, welches ein wichtiges Streitthema: natürlich die Honorare. Oft beklagte sich Heine über Campes "Knickereyen". Der konnte sich zwar gut wehren, gab manchmal aber auch nach, denn er wusste, was er an Heine hatte.

    Mit ihm erst wurde Hoffmann und Campe um 1830 der bekannte Verlag des jungen oppositionellen Deutschlands. Aber wieweit waren Heines Klagen berechtigt? - Frage an den Herausgeber und Heine-Spezialisten Christian Liedtke.

    "Campe wusste immer sehr genau, was er bezahlen kann und was er sich nicht leisten kann. Er konnte nicht konkurrieren mit den Großen der Zeit. Campe konnte niemals die Honorare zahlen wie Cotta zum Beispiel, aber er zahlte nicht schlecht. Heine klagte sehr oft, dass Campe anderen Autoren höhere Honorare zahle als ihm, damit hatte er Unrecht. Heine war der bestbezahlte Campe-Autor. Aber es stimmt auch, dass er bei anderen Verlagen sehr viel mehr hätte verdienen können."

    Dass Heine dennoch Julius Campe treu blieb, hatte nicht nur mit ihrem freundschaftlichen Verhältnis zu tun. Campe, den Heine einmal den listenreichen "Odysseus des deutschen Buchhandels" nannte, war ein gewiefter Fuchs im Umgang mit der Zensur. Die machte in der Zeit des Vormärz Autoren und Buchhändlern das Leben schwer. Auch wenn ein Manuskript die Vorzensur bestand, konnte das gedruckte Buch immer noch verboten werden. Campe gelang es oft, die drohenden oder bestehenden Verbote auszutricksen: mit fiktiven Verlagsangaben, Verlagerungen von Druckorten etwa ins dänische Ausland und einem ungemein schnellen Vertrieb.

    "Was das betrifft, war Campe auf jeden Fall der beste Verleger für einen politischen Autor. Das hätte ein Cotta vielleicht einmal gemacht, aber danach nie wieder, weil der sich nicht angelegt hätte mit den Behörden. Aber Campe war zu jedem Kampf bereit und wenn er einmal einen Autor hatte, so hat er auch alles für den gegeben. Also er hat riskiert, zur Polizei vorgeladen zu werden, ins Gefängnis zu kommen, Strafe zu bezahlen."

    Dennoch war die Zensur ständiger Anlass zu Konflikten, die zuweilen sogar öffentlich ausgetragen wurden. Denn Julius Campe reichte mehrmals Heines Manuskripte gegen dessen Willen zur Vorzensur ein, oder er bat ihn bei der Zusammenstellung von Texten um Rücksichtnahme. Dass Manuskripte ohne Heines Willen bei Drucklegung noch verändert wurden, geschah allerdings nur in Ausnahmefällen, so etwa bei dem Aufsatz "Schwabenspiegel". Das verbitterte Heine derart, dass er in seinem Brief vom 19. Dezember 1938 grundsätzlich mit seinem Verleger abrechnete:
    "
    "Sie waren schuld, dass mir die ganze Schriftstellerei verleidet wurde, dass ich lieber gar nichts schrieb, als dass ich meine Kinder in Ihre ungetreue Hände nach Hamburg schicken wollte - und jetzt schreibe ich das politisch und censurlich Harmloseste, eine Zurechtweisung der persönlichen Feinde, und selbst in dieser kleinen Arbeit sind die widerwärtigsten Verstümmelungen zugelassen.""

    Bei allem Streit wird in den Briefen immer wieder die innige Freundschaft beschworen. Das Besondere an der Beziehung zwischen Heinrich Heine und Julius Campe lag aber nicht nur darin, dass die beiden so lange zusammenhielten und gemeinsam Karriere machten. Sie sind auch Prototypen eines neuen Literaturbetriebs. Julius Campe war einer der ersten modernen Verleger, der seine Zielgruppen genau im Auge hatte, neue Vertriebs- und Verkaufsmethoden einführte und zum Beispiel als erster bunte Schutzumschläge herstellen ließ. Heinrich Heine war ihm ein ebenbürtiger Partner als moderner Berufsschriftsteller, der vom Schreiben lebte, seine Geschäfte sehr ernsthaft betrieb und auch sorgsam sein Image pflegte.

    Auffallend ist in dem Briefwechsel, dass Campe sich kaum je inhaltlich über Heines Schriften äußerte und sich auch sehr zurückhielt, was ästhetische Urteile betrifft.

    "Als Heine andeutet, ob der Campe vielleicht Zweifel habe, sagte er einmal: Sie wissen doch, Sie können mir schicken, was Sie wollen, und ich drucke es, solange Ihr Name drauf steht."

    Nur in einem Brief findet sich ein direktes Echo auf ein eingelangtes Manuskript. Am 1. September 1851 hatte Campe die Gedichte des "Romanzero" in den Händen, die zum letzten gemeinsamen Bestseller werden sollten.

    "Das 1., 2. und 3. Buch habe ich von 11 Uhr bis 3 Uhr ganz durchgelesen - Der Kopf ist mir ganz wirr von den Eindrücken, die ich dadurch empfangen. Einiges hätte ich weg gewünscht. Aber es wächst, wie Sie sagten, neben Blumen auch Salat - Der Eindruck, den dieser Gedichteband machen wird, ist ein mächtiger und nachhaltiger, das kann ich Ihnen im Voraus sagen. (Alle Dichter und Dichterlinge werden wie auf das Maul geschlagen da stehen.)"


    Der Weg von Ihrem Herzen bis zu Ihrer Tasche ist sehr weit
    Aus dem Briefwechsel zwischen Heinrich Heine und seinem Verleger Julius Campe. Herausgegeben und mit einer Einleitung von Gerhard Höhn und Christian Liedtke. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007, 217 Seiten, 18,95 Euro
    Die Ausschnitte aus den Briefen stammen aus dem gleichnamigen Hörbuch und wurden gelesen von Stephan Benson und Peter Franke