Platten der Woche

"Warum bin ich nur weiß geworden?"

Der Sänger Allen Stone
Der Sänger Allen Stone © picture alliance / dpa / Steve C Mitchell
Von Oliver Schwesig · 24.03.2016
Auf seinem neuen Album hadert Allen Stone mit seiner Hautfarbe. Vollkommen zu Unrecht, findet unser Kritiker Oliver Schwesig, denn der Sänger käme seinem Vorbild Stevie Wonder ziemlich nahe. Außerdem in der Kritik: Exmagicians "Scan the Blue" und Adesses "Fechnerstraße".

Exmagician: "Scan the Blue"

Super! Exmagician, diese Band zeigt, was man mit einem unterkühlten Osterfest am besten macht: Verstärker auf, Verzerrer an. Sie nehmen uns mit auf eine psychedelische Reise in ein lichtdurchflutetes Rock-Eldorado. Wann, wenn nicht in diesen kalten Tagen, kann man die Sache mit dem Rock und der Realitätsflucht am besten ausleben?
Das Duo aus Belfast war vor ein paar Jahren noch Teil der ebenfalls nicht uninteressanten Band Cashier No. 9. Nun heißen sie Exmagician und hatten eigentlich auf diesem Debütalbum "Scan the blue" vor, beim Westcoast-Folk von Cashier No. 9 anzuknüpfen. In letzter Sekunde rissen sie aber das Lenkrad rum. Aus Spaß fummelten sie beim Abmischen an ein paar Spuren, ließen Synthesizer heulen und verdoppelten den Gesang. Das Ergebnis: Brennender Fuzzy Psychedelic Rock. Ein ganzes Album voll. Tut gut in diesen Tagen.

Allen Stone: "Radius"

"Warum bin ich nur weiß geworden?", lamentiert Allen Stone auf seinem neuen Album "Radius". Ich weiß gar nicht, was er hat. Seinem erklärten Vorbild Stevie Wonder kommt er schon mal ziemlich nahe. Sein zackiger R&B-Soul klingt unglaublich wach und entstaubt. Die Major-Labels reißen sich seit Jahren um ihn. Kein Grund zur Klage, mein Lieber.
Okay, gehen wir mal ins Detail. Allen Stone entgeht auf dieser Platte ziemlich klug der Retro-Falle. Weil er nämlich nicht möglichst so originalgetreu wie dieser oder jener Sänger klingen will. Stevie Wonder ist da nur eine Facette. Allen Stone fegt durch alle Zeiten der Black Music. Von den R&B-Rhythmen der 90er springt er in die 70er, nimmt Disco-Streicher mit und landet dann zum Beispiel mit flehendem Gesang in einer Motown-Ballade. Handwerklich astrein gespielt und toll gesungen das Ganze. Postmoderner Soul, würde ich sagen.

Adesse - "Fechnerstraße"

Die Ostergurke kommt aus Berlin. Dieser Sänger nennt sich Adesse. Seine Platte heißt "Fechnerstraße". Dort in Berlin-Wilmersdorf ist Adesse aufgewachsen, mit Fußball und Musik. Bis ihn der Rapper Sido entdeckte. Adesse soll wohl mal ein Angebot für einen Bundesligaverein bekommen haben. Adesse entschied sich dann aber für die Musik. Hätte er doch nur ... ach, was soll ich sagen. Hören Sie selbst.
Adesse vertont sein junges Leben. Erwachsenwerden und Zweifel, Verlieben, Zusammenziehen, die Kumpels. Dort wo sich Anker auf dankbar reimt. Es ist der zeitgemäße bürgerlich-gefühlige Deutsch-Pop mit ein bisschen Rauheit von der Street. Dafür sorgen eingestreute Hip-Hop-Beats. Die Texte nehme ich ihm ab. Aber musste es diese zahnlose Xavier-Naidoo-Musik-Kopie sein? Da wär mehr drin gewesen.
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