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"Eine der schönsten Geschichten, die ich je gelesen habe"

Arlo Guthrie ist ein amerikanischer Sänger und Songschreiber und das älteste Kind von Woody Guthrie, einem politischen Folkmusiker der USA. Der 64-Jährige trat in Woodstock auf und hat 27 LPs und CDs aufgenommen, die erste 1967, "Alice´s Restaurant". Doch Arlo Guthrie ist auch ein "Geschichten-Fanatiker", wie er selbst sagt, und sein Klassiker ist J.R.R.Tolkiens "Der Herr der Ringe".

Von Knut Benzner | 04.12.2012
    Ich bin Arlo Guthrie, ich bin ein Sänger aus den Vereinigten Staaten, das mache ich schon eine ganze Weile, und das Buch, das ich immer wieder zur Hand nehme, ist Tolkiens "Herr der Ringe".

    Ich erinnere mich an die 50er-Jahre, als "Herr der Ringe" in den USA erschien. Ich dachte damals, das sei eine der schönsten Geschichten, die ich je gelesen habe. Ich bin ein Geschichten-Fanatiker, ich mag Kurzgeschichten, lange Geschichten, und "Herr der Ringe" war eine der besten langen Geschichten, die ich kannte. So viele Pfade, die die Haupthandlung verlassen; ich liebe die Idee, dass der Mann Sprachen erfand, um die Geschichten der Charaktere im Buch durch jene Sprachen zu erzählen.

    Im Buch, nicht so sehr in den Verfilmungen, in der Buchversion gibt es Gesänge all der Charaktere. Die Bösen haben Gesänge, die Guten haben Gesänge, alle haben Gesänge in den Sprachen, die ihre sind. Das mochte ich, und so wurde "Herr der Ringe" eines meiner Favoriten. Ich lese es so alle zehn Jahre immer und immer wieder, also bisher insgesamt vier oder fünf Mal, und ich mag es nach wie vor. Beim ersten Lesen war ich 12, 13, 14 Jahre alt.

    Eine gute Geschichte ist für jeden, das macht sie gut, dass man nicht alles verstehen muss. Kinder mögen es, so zu tun, als verstünden sie. Das sehe ich, wenn ich auftrete: Ich erzähle Geschichten, die Kinder lustig finden. Aber es ist eigentlich lustiger für die Eltern, ihre Kinder dabei zu beobachten, als die vorgeblich lustigen Geschichten.

    Ich hatte das Buch in einem Laden gekauft. … Ja, ich hatte davon gehört, und insbesondere in den frühen 60ern war es ein bedeutendes Buch. Es hatte in jener Zeit einschneidende Geschehnisse gegeben, große Geschehnisse, überall, in den USA und in der Welt: Die Anti-Kriegs-Bewegung, in den USA die Bürgerrechtsbewegung, daneben Bewegungen wie Zurück-zur-Natur, all solch unterschiedliche Wege des "Wer sind wir", wer bist Du als Individuum ohne die Erziehung, die Du hast. Wer bist Du ohne Deine Kleidung, wer bist Du ohne das Geld Deiner Eltern, ohne den religiösen Hintergrund, in den Du hinein geboren wurdest. Und: Was haben wir gemeinsam mit den anderen Menschen dieser Welt.

    Die Simplizität der Menschen und der Charaktere von "Der Herr der Ringe" machten es irgendwie einfacher zu begreifen, wie komplex die Welt sein kann, insbesondere für eine junge Person. Wenn Du ganz jung bist, ist die Welt einfach: eine Welt Deiner Eltern, Deiner Nachbarn und Deiner Freunde. Du verstehst nichts von Interaktion. Und plötzlich öffnete sich die Welt für uns nicht nur als Fiktion. Im wirklichen Leben lebten wir in Zeiten, die große Veränderungen mit sich brachten. Und das ist es, was solche Zeiten so rar macht.