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"Eine der schwierigsten Entscheidungen, die eine Kanzlerin zu treffen hat"

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Johannes Singhammer (CSU) hält die Entlassung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen für richtig. Wenn eine Zusammenarbeit keinen Sinn mehr mache, müsse die Kanzlerin für klare Verhältnisse sorgen.

Johannes Singhammer im Gespräch mit Dirk Müller | 18.05.2012
    Dirk Müller: Am Montag, da stand sie noch voll zu ihm, als Umweltminister. Am Mittwoch stand sie voll gegen ihn, als Umweltminister. Angela Merkel zeigt sich hart und nach 48 Stunden auch entschlossen, entlässt also Norbert Röttgen, ihren einstigen Liebling. Dazwischen gab es ein rhetorisches Feuerwerk von Horst Seehofer kontra Norbert Röttgen, dem Wahlverlierer von NRW, und inzwischen schlägt das Pendel wieder in eine andere Richtung: Zahlreiche CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen einschließlich des Bundestagspräsidenten können die Demission ihres Parteifreundes durch die Kanzlerin nicht nachvollziehen. War es nun falsch oder war es richtig, den Bundesumweltminister und stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden auf die Hinterbank zu verbannen? Mit Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer, CSU, wollen wir darüber nun sprechen. Guten Morgen!

    Johannes Singhammer: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Singhammer, seit wann mutiert die Kanzlerin zur Eisernen Lady?

    Singhammer: Ich denke, wer Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ist, braucht ein großes Maß an Entschlossenheit und, wenn es nötig ist, auch an Durchsetzungsfähigkeit. Sonst könnte er dieses schwierigste Staatsamt in Deutschland nicht ausfüllen. Und Angela Merkel hat diese Entschlossenheit immer gehabt.

    Müller: Deswegen war dieser Schritt jetzt angemessen?

    Singhammer: Ich denke, zunächst mal ist es bitter und schmerzlich für Norbert Röttgen. Wer in einem solchen großen Maß gekämpft hat für den Sieg, wer als Bundesminister eine hohe Verantwortung getragen hat, sich eingebracht hat ... Ich denke, das verstehen nicht nur Berufspolitiker, sondern auch die Menschen in Deutschland, dass das persönlich eine ganz bittere Stunde für ihn war, in beiden Funktionen jetzt nicht mehr das Amt ausfüllen zu können, das ist so. Auf der anderen Seite, nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus gutem Grund steht im Grundgesetz unserer Verfassung drin, dass die Kanzlerin das Recht hat, die Minister zu ernennen und auch wieder zu entlassen. Und von diesem Recht hat die Bundeskanzlerin Gebrauch gemacht wie auch vor ihr schon Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Das ist immer mit Härte verbunden, aber es zählt eben zu den Aufgaben auch der Bundeskanzlerin ...

    Müller: ... nun reden wir ...

    Singhammer: ... solche schwierigen Entscheidungen auch treffen zu müssen.

    Müller: Nun wollen wir beide ja politisch darüber reden, nicht rechtlich, nicht juristisch, dass die Bundeskanzlerin das darf, das bestreitet ja niemand. Noch mal an Sie die Frage, war es richtig?

    Singhammer: Ich denke, es war richtig. Wenn die Bundeskanzlerin zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Zusammenarbeit nicht mehr Sinn macht, dann muss sie entscheiden.

    Müller: Also war er kein guter Umweltminister?

    Singhammer: Er war ein guter Umweltminister, aber Sie wissen selber, Herr Müller, dass in der Politik sich die Voraussetzungen sehr schnell ändern können. Und diese Niederlage in Nordrhein-Westfalen hat die Bedingungen der Zusammenarbeit natürlich verändert.

    Müller: Das würde zumindest, Herr Singhammer, bedeuten, dass er jetzt kein guter Umweltminister mehr hätte sein können?

    Singhammer: Ich denke, dass es für Norbert Röttgen sicherlich nicht leichter geworden wäre, in der Energiewende seine Position umzusetzen und durchzusetzen.

    Müller: War das richtig von Horst Seehofer, nahezu auf diese Entlassung zu bestehen?

    Singhammer: Horst Seehofer hat nicht auf eine Entlassung bestanden, aber er hat dieses tief sitzende, diese tief sitzende Sorge vieler Menschen angesprochen, zumal der in der CSU: Wie kann es denn passieren, dass eine große Volkspartei im bevölkerungsreichsten Bundesland auf 26 Prozent schrumpft und womit hat das zu tun? Und damit ist er auch auf die Position der Spitzenkandidaten gekommen, ich denke, das liegt nahe.

    Müller: Das heißt, es wäre blauäugig zu denken, dass man diese beiden Positionen – also einerseits Landeschef einer Partei zu sein, andererseits Bundesumweltminister beziehungsweise Bundesminister zu sein –, dass man das nicht trennen kann?

    Singhammer: Man konnte es offensichtlich nicht mehr trennen. Die Kanzlerin hat sich so entschieden, insofern ist es müßig, darüber zu spekulieren. Sie hat entschieden und ich denke, dass die Sorge, die sie gespürt hat, die nicht nur aus Bayern kam, einer der Gründe war für ihre Entscheidung.

    Müller: Ist das ein guter Umgang, guter politischer Stil?

    Singhammer: Es ist, glaube ich, eine der schwierigsten Entscheidungen, die eine Kanzlerin zu treffen hat. Das trifft aber nicht nur die Kanzlerin, sondern auch in vielen anderen politischen Ämtern gibt es immer wieder solche wirklich menschlich anstrengendste Entscheidungen. Trotzdem lassen sie sich nicht vermeiden. Denn, ich denke, auf der anderen Seite, wenn das Verhältnis für eine Zusammenarbeit nicht mehr gegeben ist, dann ist es in der Berufspolitik sinnvoll, aber auch wie in jedem anderen Unternehmen auch, wo man zusammenarbeiten muss, dass man Konsequenzen zieht.

    Müller: Herr Singhammer, vielleicht hören wir uns gemeinsam das an, was Ihr Unionskollege Wolfgang Bosbach zur aktuellen Entwicklung gesagt hat:

    O-Ton Wolfgang Bosbach: Nach den ersten Meldungen nach dem enttäuschenden Wahlergebnis der CDU in Nordrhein-Westfalen haben eigentlich alle damit gerechnet, dass Norbert Röttgen im Amt des Bundesministers verbleibt und dort eine zweite politische Chance bekommt.

    Müller: Also eine klare Aussage von Wolfgang Bosbach, wir haben sogar die Glocken im Hintergrund gehört. Davon hat die Kanzlerin sich ja nicht wesentlich beeinflussen lassen. Ich muss Sie das noch einmal fragen: Also, am Montag war das alles noch anders, warum muss man Mittwoch eine völlig entgegengesetzte Entscheidung treffen? Ist das glaubwürdig?

    Singhammer: Ich denke, dass es nahelag an der Niederlage, der Wahlniederlage, und dass da ein Prozess in den vergangenen Tagen eben stattgefunden hat, den man als jemand, der nicht dabei war, auch nicht genau beschreiben kann, aber der zu dem Ergebnis geführt hat. Und das zeigt nur wiederum, dass die Berufspolitik auch eine sehr harte Angelegenheit ist, wo die Kündigungsfrist mit am kürzesten ist, die es überhaupt gibt, nämlich genau so lange, wie man braucht, um den Schreibtisch aufzuräumen. Und deshalb, denke ich mal, ist für uns Politiker untereinander, aber auch oft für den ein oder anderen, der kritisch der Politik gegenüber steht, auch manchmal etwas Verständnis durchaus angebracht.

    Müller: Wolfgang Schäuble hat das ja gestern auch so formuliert: Die Politik ist ein hartes Geschäft mit harten Entscheidungen; Wolfgang Bosbach hat an anderer Stelle gesagt, die Wähler würden die Politiker nicht nur nach ihren Inhalten, nach ihrer Persönlichkeit beurteilen, sondern auch nach dem Umgang untereinander. Hat das jetzt der Partei geschadet?

    Singhammer: Ich denke, es hat nicht geschadet. Denn auf der anderen Seite wäre Kritik auch wieder gekommen: Ist die Kanzlerin entschlossen genug, ist sie bereit, auch schwierige Entscheidungen zu treffen? Sie war also immer in der Gefahr, dass Kritik gegen sie geäußert wird. Insofern, denke ich mal, ist diese Entscheidung zu respektieren. Sie hat sie getroffen und sie hat damit für klare Verhältnisse gesorgt.

    Müller: Norbert Röttgen stand ja wie kaum ein zweiter in der Union, in der CDU, für die Energiewende. War er in der CSU aufgrund dessen auch ein Dorn im Auge?

    Singhammer: Nein, er war auf keinen Fall ein Dorn im Auge. Die CSU hat gut mit ihm zusammengearbeitet. Auf der anderen Seite ist eine wachsende Sorge zu spüren gewesen: Kann die Energiewende in dem vorgegebenen Zeitraum auch umgesetzt werden? Das betrifft vor allem die Länder in Süddeutschland, die ja die Kernkraftwerke abschalten werden und deshalb einen Ersatz brauchen. Das bedeutet eben die Leitungen, das bedeutet Ersatzkapazitäten. Und da ist die Sorge gewachsen in den letzten Monaten, ob das noch rechtzeitig durchsetzbar ist.

    Müller: Da kommt es aber auch auf den Wirtschaftsminister an.

    Singhammer: Ich denke, da muss die gesamte Bundesregierung zusammenarbeiten, um dieses wirklich schwierigste Projekt innenpolitisch in den nächsten Jahren zu bewältigen. Und das, glaube ich, ist auch jetzt eine sehr eilbedürftige Angelegenheit.

    Müller: Bei uns heute morgen im Deutschlandfunk Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Singhammer: Danke auch, Herr Müller, Wiederhören!

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